Anhörung des Betroffenen im Betreuungsverfahren – durch den vom Beschwerdegericht beauftragten Richter

Zu den Voraussetzungen, unter denen die Beschwerdekammer im Betreuungsverfahren eines ihrer Mitglieder mit der Anhörung des Betroffenen beauftragen kann, hat jetzt der Bundesgerichtshof erneut1 Stellung genommen:

Anhörung des Betroffenen im Betreuungsverfahren – durch den vom Beschwerdegericht beauftragten Richter

Die Anhörung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren muss zwar nicht zwangsläufig durch alle Mitglieder der Beschwerdekammer erfolgen. Dies folgt bereits aus § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG, wonach das Beschwerdegericht im Regelfall von einer Anhörung absehen kann, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurde und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Die Beschwerdekammer hat im Rahmen der ihr obliegenden Amtsermittlung nach § 26 FamFG darüber zu befinden, ob es für ihre Entscheidung wegen der Besonderheiten des Falles darauf ankommt, dass sich die gesamte Kammer einen eigenen Eindruck von dem Betroffenen verschafft, oder ob der Kammer durch eine vom beauftragten Richter durchgeführte Anhörung eine ausreichende Grundlage für die zu treffende Entscheidung vermittelt wird. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Anhörung durch den beauftragten Richter nur in ihrem objektiven Ertrag durch die Kammer verwertet werden darf2.

Gemessen hieran war es im vorliegenden Fall mit § 26 FamFG unvereinbar, dass das Landgericht die Betroffene lediglich durch die beauftragte Richterin angehört hat. Über Art und Umfang der vorzunehmenden Ermittlungen entscheidet zwar grundsätzlich der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen. Das Rechtsbeschwerdegericht hat jedoch unter anderem nachzuprüfen, ob das Beschwerdegericht die Grenzen seines Ermessens eingehalten hat, ferner, ob es von zutreffenden Tatsachenfeststellungen ausgegangen ist3.

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Dieser Nachprüfung hält die angefochtene Entscheidung nicht stand. Denn das Landgericht hat dem in dieser Anhörung gewonnenen Eindruck von der Betroffenen ausweislich der Gründe des angefochtenen Beschlusses ausschlaggebende Bedeutung beigemessen, um in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Sachverständigen anzunehmen, dass „die Betroffene hochgradig hilfebedürftig ist und für sämtliche Angelegenheiten des täglichen Lebens nicht nur pflegerische Versorgung, sondern auch rechtliche Betreuung benötigt“. Mithin war der in der Anhörung gewonnene persönliche Eindruck für die Beschwerdeentscheidung ein maßgebliches Kriterium, so dass es zwingend des persönlichen Eindrucks aller Kammermitglieder von der Betroffenen bedurft hätte.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 1. März 2023 – XII ZB 285/22

  1. im Anschluss an BGH, Beschluss vom 22.03.2017 – XII ZB 358/16 FamRZ 2017, 996[]
  2. vgl. BGH, Beschluss vom 22.03.2017 – XII ZB 358/16 , FamRZ 2017, 996 Rn. 12 mwN[]
  3. BGH, Beschluss vom 11.07.2018 – XII ZB 72/18 , FamRZ 2018, 1594 Rn. 4 mwN[]