Auskunftspflicht und Beschwer – Auskünfte grundsätzlich nur in der Freizeit!

Bei der Bemessung der Beschwer des zur Auskunft Verpflichteten ist regelmäßig davon auszugehen, dass die hierfür erforderlichen Tätigkeiten in der Freizeit erbracht werden können. Der Auskunftspflichtige, der in Abweichung hiervon behauptet, dass ihm dies nicht möglich sei, hat die Gründe hierfür im Einzelnen darzulegen und glaubhaft zu machen1.

Auskunftspflicht und Beschwer – Auskünfte grundsätzlich nur in der Freizeit!

Das Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren2.

Für die Bemessung des Werts des Beschwerdegegenstandes bei der Verurteilung zur Auskunftserteilung ist das Interesse des Rechtsmittelführers maßgebend, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Abgesehen von dem Fall eines besonderen Geheimhaltungsinteresses ist auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert. Dabei kann die vom Beschwerdegericht vorgenommene Schätzung wegen des ihm hierbei eingeräumten Ermessensspielraums im Rechtsbeschwerdeverfahren vom Bundesgerichtshof nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob das Gericht die gesetzlichen Grenzen überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat3.

Auch bei Anlegung dieses Maßstabes erscheint dem Bundesgerichtgshof allerdings die Auffassung, die Kosten für die gegebenenfalls noch erforderliche Erstellung der Einkommensteuererklärung müssten schon mangels Kausalität außer Betracht bleiben, rechtlich nicht zwingend. Denn im vorliegenden Einzelfall ergibt sich die Verpflichtung des Auskunftsschuldners zur Erstellung dieser Erklärung unterstellt, sie wurde bislang nicht angefertigt unabhängig von steuerrechtlichen Bestimmungen daraus, dass er mit dem angegriffenen Auskunftstitel zu ihrer Vorlage verpflichtet wurde. Dies kann im vorliegenden Fall jedoch dahinstehen.

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Denn selbst bei Berücksichtigung des für die Erstellung der Einkommensteuererklärung notwendigen Aufwands wird der gemäß § 61 Abs. 1 FamFG erforderliche Wert des Beschwerdegegenstands nicht erreicht.

Auch wenn die Auskunftserteilung die Erstellung einer Steuer- erklärung erfordert, ist für die Ermittlung der Beschwer grundsätzlich nicht auf die Kosten eines Steuerberaters abzustellen. Denn die auf einer besonderen familienrechtlichen Beziehung beruhende Auskunftspflicht nach § 1605 BGB ist persönlicher Natur und die Erfüllung mit berufstypischen Leistungen, z.B. eines Steuerberaters gegenüber Dritten, nicht vergleichbar. Daher wäre es nicht gerechtfertigt, die Bewertung danach auszurichten, welche Vergütung ein Dritter hierfür fordern könnte. Auch die Kosten der Zuziehung einer sachkundigen Hilfsperson können nur berücksichtigt werden, wenn sie zwangsläufig entstehen, weil der Auskunftspflichtige zu einer sachgerechten Auskunftserteilung nicht in der Lage ist4. Im vorliegenden Fall hat der Antragsgegner, der die Steuererklärungen in der Vergangenheit stets selbst erstellt hat, dies schon nicht behauptet.

Die anfallenden Stunden sind auch nicht deshalb mit einem Stundensatz von 130, 90 € zu bewerten, weil der Antragsgegner anstelle der Handlungen, zu denen er verpflichtet worden sei, für diesen Stundensatz arbeiten könnte.

Zur Bewertung des vom Auskunftspflichtigen aufzuwendenden Zeitaufwands ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich auf die Stundensätze zurückzugreifen, die der Auskunftspflichtige als Zeuge in einem Zivilprozess erhalten würde, wenn er mit der Erteilung der Auskunft weder eine berufstypische Leistung erbringt noch einen Verdienstausfall erleidet5.

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Dabei ist regelmäßig davon auszugehen, dass die zur Auskunftserteilung erforderlichen Tätigkeiten in der Freizeit erbracht werden können6. Der Auskunftspflichtige, der in Abweichung hiervon behauptet, dass ihm dies nicht möglich sei, hat die Gründe hierfür im Einzelnen darzulegen und glaubhaft zu machen.

Dies ist dem Antragsgegner hier nicht gelungen. So hatte er ausgeführt, frühere Steuererklärungen habe er in Zeiten beruflichen Leerlaufs gefertigt, die es jetzt nicht mehr gebe. Bedingt durch Krankheit und Arbeitsüberlastung sei es ihm weder zum Zeitpunkt des amtsgerichtlichen Beschlusses noch heute möglich, Zeit für die Erstellung der Einkommensteuererklärung 2012 aufzuwenden.

Damit hat der Antragsgegner bereits nicht behauptet, über keine Freizeit zu verfügen, in der er die Auskunft erteilen könnte. Vielmehr hat sich der Vortrag auf seine Arbeitszeit bezogen, in der es keinen Leerlauf mehr gebe. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Erwägung des Antragsgegners, er könne statt der geforderten Auskunftsleistungen zu einem bestimmten Stundensatz arbeiten. Dies besagt anders als die Rechtsbeschwerde meint insbesondere nicht, dass der Antragsgegner seine (komplette) verfügbare Zeit insgesamt für die Arbeit aufzuwenden hätte. Soweit er in einem weiteren Schriftsatz von einem „immensen Rückstand unerledigter Fristsachen“ berichtet, hat er weiter darauf hingewiesen, er müsse seine ihm zur Verfügung stehende Arbeitszeit nutzen, um den Lebensunterhalt für sich und die beiden Kinder zu verdienen.

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Dass ihm bei alldem keinerlei Freizeit verbleibt, lässt sich diesen Ausführungen nicht entnehmen und wird auch durch die zur Glaubhaftmachung vorgelegten ärztlichen Unterlagen und eidesstattlichen Versicherungen nicht belegt.

Daher ist es für den Bundesgerichtshof rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht den Zeitaufwand des Antragsgegners entsprechend den Bestimmungen des Justizvergütungs- und entschädigungsgesetzes (JVEG) über die Entschädigung von Zeugen bewertet und dabei auf den in § 20 JVEG festgelegten Stundensatz von 3, 50 € zurückgegriffen hat7. In Anbetracht dieses Stundensatzes wird der nach § 61 Abs. 1 FamFG erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes von über 600 € selbst unter Zugrundelegung der vom Antragsgegner geltend gemachten Stundenzahl deutlich unterschritten.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11. März 2015 – XII ZB 317/14

  1. Fortführung der BGH, Beschlüsse vom 28.11.2012 XII ZB 620/11 FamRZ 2013, 105; und vom 29.09.2010 XII ZB 49/09 FuR 2011, 110[]
  2. st. Rspr., vgl. BGH, Beschlüsse vom 02.04.2014 – XII ZB 486/12 , FamRZ 2014, 1012 Rn. 6; und vom 22.01.2014 – XII ZB 278/13 , FamRZ 2014, 644 Rn. 3, jeweils mwN[]
  3. st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 02.04.2014 XII ZB 486/12 FamRZ 2014, 1012 Rn. 11 f.; und vom 11.09.2013 XII ZB 161/13 8 f., jeweils mwN[]
  4. st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 14.05.2014 XII ZB 487/13 FamRZ 2014, 1286 Rn. 14; und vom 16.04.2008 XII ZB 192/06 FamRZ 2008, 1336 Rn. 17, jeweils mwN[]
  5. BGH, Beschluss vom 28.11.2012 XII ZB 620/11 FamRZ 2013, 105 Rn. 10 f. mwN[]
  6. vgl. BGH, Beschlüsse vom 28.11.2012 XII ZB 620/11 FamRZ 2013, 105 Rn. 14; und vom 29.09.2010 XII ZB 49/09 FuR 2011, 110 Rn. 7[]
  7. vgl. BGH, Beschlüsse vom 02.04.2014 XII ZB 486/12 FamRZ 2014, 1012 Rn. 17; und vom 22.01.2014 XII ZB 278/13 FamRZ 2014, 644 Rn. 12 mwN[]
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