Betreuervergütung für einen mittellosen Betreuten – und dessen Unterhaltsansprüche

Bei der Feststellung der Mittellosigkeit des Betroffenen muss das Gericht grundsätzlich ihm zustehende Unterhaltsansprüche sowie die Zahlungsbereitschaft der Unterhaltsschuldner ermitteln. Den Betreuer trifft dabei grundsätzlich eine Mitwirkungspflicht.

Betreuervergütung für einen mittellosen Betreuten – und dessen Unterhaltsansprüche

Wird die Vergütung des Berufsbetreuers gegen die Staatskasse geltend gemacht (§ 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG), hat das Gericht die Mittellosigkeit des Betreuten im Zeitpunkt der letzten Tatsachenentscheidung festzustellen1.

Gemäß § 1908 i Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1836 d BGB gilt der Betreute als mittellos, wenn er den Aufwendungsersatz oder die Vergütung aus seinem einzusetzenden Einkommen oder Vermögen nicht oder nur zum Teil oder nur in Raten oder nur im Wege gerichtlicher Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen aufbringen kann. Das dabei einzusetzende Einkommen und Vermögen richtet sich nach näheren Maßgaben des § 1835 c BGB grundsätzlich nach den Regeln der §§ 87, 90 SGB XII2.

Die Feststellung der Mittellosigkeit im konkreten Betreuungsfall ist Gegenstand der Amtsermittlung (§ 26 FamFG). In dem Vergütungsantrag sollen die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betreuten dargestellt werden (§ 168 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Dabei sind auch Angaben über etwaige Unterhaltsansprüche zu machen3, und zwar auch dann, wenn der Betreute Leistungen eines Sozialhilfeträgers erhält4. Ein Betreuer, dem die Vermögenssorge als Aufgabenbereich zugewiesen ist, ist aber grundsätzlich verpflichtet, mögliche Unterhaltsansprüche selbständig zu prüfen5, weshalb er seine diesbezüglichen Erkenntnisse im Vergütungsantrag mitzuteilen hat6. Bestehende Ansprüche hat er zunächst außergerichtlich geltend zu machen, bevor er die Staatskasse in Anspruch nehmen kann7. Nur ein Unterhaltsanspruch, der gerichtlich geltend gemacht werden muss, bleibt bei der Prüfung der Mittellosigkeit außer Betracht, wie aus § 1836 d Nr. 2 BGB folgt.

Weiterlesen:
Das Gutachten im Unterbringungsverfahren

Wenn feststeht, dass mögliche Unterhaltsansprüche des Betreuten gerichtlich durchgesetzt werden müssen, gilt er insoweit gemäß §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 d Nr. 2 BGB also als mittellos8. Doch auch in diesem Fall ist die Landeskasse auf entsprechende Angaben und Feststellungen zu möglichen Unterhaltsverpflichteten angewiesen, um im Rahmen der Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse etwaige gemäß § 1836 e Abs. 1 BGB übergehende Ansprüche zu erkennen und gegebenenfalls im Regressverfahren realisieren zu können3. Das Betreuungsgericht ist deshalb zwar, um die Mittellosigkeit des Betroffenen im Festsetzungsverfahren festzustellen, grundsätzlich nicht zur Prüfung verpflichtet, ob derart durchzusetzende Ansprüche tatsächlich bestehen. Es hat aber, sofern der Betroffene nur deshalb als mittellos behandelt wird, weil ihm (möglicherweise) zustehende Unterhaltsansprüche gerichtlich geltend gemacht werden müssten, die Verpflichtung des Betroffenen auszusprechen, im Rahmen des Rückgriffs entsprechende Zahlungen an die Staatskasse zu leisten. Gleichzeitig hat es in diesem Fall kenntlich zu machen, dass dieser Titel nur die Grundlage für die Einziehung der (möglicherweise bestehenden) Unterhaltsansprüche sein kann9.

Zu Recht beanstandet die Staatskasse im vorliegenden Fall daher, das Gericht habe mögliche Unterhaltsansprüche des Betroffenen nicht in erforderlichem Umfang aufgeklärt:

Zwar ergibt sich aus der Rechnungslegung der Betreuerin, dass der Betroffene tatsächlich kein Unterhaltseinkommen erzielt. Der Betroffene ist aber aktenkundig verheiratet und Vater einer Tochter sowie eines erwerbstätigen Sohns, welche gegenüber dem Betroffenen grundsätzlich zivilrechtlich unterhaltspflichtig sein können. Daher hätten Feststellungen über die konkrete Unterhaltsverpflichtung dieser Personen getroffen werden müssen sowie gegebenenfalls über deren Zahlungsbereitschaft10.

Weiterlesen:
Die abgelehnte Aufhebung einer Betreuung - und die Anhörung der Betroffenen

Anhaltspunkte dafür, dass der mit den erforderlichen Ermittlungen verbundene Aufwand außer Verhältnis zur Höhe des aus der Staatskasse zu begleichenden Anspruchs (hier: 264, – €) stünde und deshalb nach § 168 Abs. 2 Satz 3 FamFG von einer weiteren Prüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abgesehen werden konnte, sind weder dargelegt noch ersichtlich.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15. September 2021 – XII ZB 9/21

  1. vgl. BGH, Beschlüsse vom 07.07.2021 XII ZB 106/18 9; und vom 06.07.2016 XII ZB 493/14 FamRZ 2016, 1759 Rn. 17 mwN[]
  2. vgl. BGH, Beschluss vom 07.07.2021 XII ZB 106/18 13[]
  3. vgl. OLG Köln FGPrax 2009, 268[][]
  4. Bienwald in Bienwald/Sonnenfeld/Harm Betreuungsrecht 6. Aufl. § 168 FamFG Rn. 28[]
  5. vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 2001, 1099, 1100[]
  6. vgl. NK-BGB/Fritsche 4. Aufl. § 1836 d Rn. 3; Jürgens/Luther Betreuungsrecht 6. Aufl. § 1836 c BGB Rn. 7[]
  7. vgl. Jurgeleit/Maier Betreuungsrecht 4. Aufl. § 1836 d BGB Rn. 10; MünchKomm-BGB/Fröschle 8. Aufl. § 1836 d Rn. 10[]
  8. vgl. Erman/Posselt BGB 16. Aufl. § 1836 d Rn. 4[]
  9. BayObLG FamRZ 2002, 417, 418; Jürgens/Luther Betreuungsrecht 6. Aufl. § 1836 c BGB Rn. 7[]
  10. vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 2001, 1099, 1100; BayObLG FamRZ 2002, 417; NK-BGB/Fritsche 4. Aufl. § 1836 d Rn. 3[]