Betreuervergütung – und das Zimmer in der Außenwohngruppe

Lebt der Betroffene im Rahmen einer Leistungsgewährung der Eingliederungshilfe nach §§ 90 ff., 113 ff. SGB IX in einem eigenen Zimmer einer Außenwohngruppe, in der Unterstützungsleistungen angeboten werden, zu deren Inanspruchnahme er jedoch nicht verpflichtet ist, hält er sich grundsätzlich nicht in einem Heim i.S.v. § 5 Abs. 3 VBVG aF oder in einer einer stationären Einrichtung gleichgestellten ambulant betreuten Wohnform i.S.v. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, Satz 3 VBVG auf1.

Betreuervergütung – und das Zimmer in der Außenwohngruppe

Nach § 5 Abs. 1 VBVG in der ab dem 27.07.2019 geltenden Fassung (Art. 4 des Gesetzes zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung vom 22.06.2019; BGBl. I S. 866) richtet sich die Höhe der Fallpauschalen, die ein Berufsbetreuer nach § 4 Abs. 1 VBVG als Vergütung verlangen kann, nach der Dauer der Betreuung, dem gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betreuten und dessen Vermögensstatus. Hinsichtlich des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Betreuten ist nach § 5 Abs. 3 Satz 1 VBVG zwischen stationären Einrichtungen und diesen nach Satz 3 gleichgestellten ambulant betreuten Wohnformen einerseits und anderen Wohnformen andererseits zu unterscheiden. Mit der Erweiterung des § 5 Abs. 3 VBVG durch das Gesetz zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung vom 22.06.2019 auf „gleichgestellte“ Wohnformen sollten nach dem Willen des Gesetzgebers bestimmte ambulant betreute Wohnformen typisierend erfasst werden, bei denen aus strukturellen Gründen der Aufwand für die rechtliche Betreuung dem Aufwand für Betreute in stationären Einrichtungen gleicht2.

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Dabei liegt der gesetzlichen Regelung – wie bereits § 5 Abs. 3 VBVG aF – die Vorstellung zugrunde, dass der Aufwand der rechtlichen Betreuung geringer ist, wenn der Betreute in einem Heim bzw. in einer ambulant betreuten Wohnform lebt3 und deshalb eine Herabsetzung der monatlichen Fallpauschale gerechtfertigt ist. Unerheblich ist hierbei, ob der Betreuer durch den Aufenthalt des Betreuten in einem Heim bzw. in einer ambulant betreuten Wohnform tatsächlich entlastet ist4.

Ambulant betreute Wohnformen sind gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 VBVG entgeltliche Angebote, die dem Zweck dienen, Volljährigen das Leben in einem gemeinsamen Haushalt oder einer Wohnung bei gleichzeitiger Inanspruchnahme extern angebotener entgeltlicher Leistungen tatsächlicher Betreuung oder Pflege zu ermöglichen. Sie sind stationären Einrichtungen dann gleichgestellt, wenn die in der ambulant betreuten Wohnform extern angebotenen Leistungen tatsächlicher Betreuung oder Pflege als Rundumdie-Uhr-Versorgung durch professionelle Betreuungs- oder Pflegekräfte zur Verfügung gestellt oder vorgehalten werden und der Anbieter der extern angebotenen Betreuungs- und Pflegeleistungen nicht frei wählbar ist (§ 5 Abs. 3 Satz 3 VBVG).

Ist im Einzelfall zweifelhaft, welcher Wohnform des § 5 Abs. 3 Satz 1 VBVG der gewöhnliche Aufenthalt des Betroffenen entspricht, ist dem durch eine teleologische Auslegung der Vorschrift zu begegnen. Da dem Gesetz die Vorstellung zugrunde liegt, dass sich der Aufwand der rechtlichen Betreuung erheblich danach unterscheidet, ob der Betreute zuhause oder in einem Heim bzw. in einer ambulant betreuten Wohnform lebt3, ist für die Auslegung entscheidend, ob die in der Einrichtung angebotenen Versorgungs- und Pflegeleistungen generell geeignet sind, einem Betreuer die Organisation des Lebens des Betreuten im Wesentlichen abzunehmen5. Anders als nach bisherigem Recht (vgl. § 5 Abs. 3 VBVG aF) ist es allerdings nicht mehr von entscheidender Bedeutung, ob dem Betreuten Verpflegung zur Verfügung gestellt wird6.

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Unter Anwendung dieser Grundsätze ist das Beschwerdegericht zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich bei dem von dem Betroffenen angemieteten Zimmer in der Außenwohngruppe weder um ein Heim i.S.v. § 5 Abs. 3 VBVG aF noch um eine einer stationären Einrichtung gleichgestellte ambulant betreute Wohnform i.S.v. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, Satz 3 VBVG handelt, weil von dem Träger der Einrichtung tatsächliche Betreuung oder Pflege nicht in dem Maß zur Verfügung gestellt oder vorgehalten wird, dass dem Betreuer die Organisation des Lebens des Betreuten im Wesentlichen abgenommen wird.

Nach den getroffenen Feststellungen beschränken sich die Leistungen, die der Betroffene aufgrund des abgeschlossenen Wohn- und Betreuungsvertrags erhält, auf die entgeltliche Überlassung eines eigenen Zimmers in einer Außenwohngruppe der Einrichtung sowie auf die gemeinschaftliche Nutzung der Koch- und Waschgelegenheiten. Zudem sieht der Vertrag vor, dass der Betroffene Fachleistungen der Eingliederungshilfe nach Maßgabe der Regelungen in Teil 2 im Neunten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch nehmen kann. Der Betroffene muss jedoch seinen Haushalt selbständig führen und sich auch selbständig versorgen. Allgemeine Pflegeleistungen und häusliche Krankenpflege sind nicht Gegenstand des Wohn- und Betreuungsvertrags. Vielmehr ist der Betroffene im Bedarfsfall zur freien Wahl des Leistungserbringers berechtigt. Schließlich hält der Träger der Einrichtung auch keine Rundumdie Uhr-Versorgung der Bewohner der Außenwohngruppe vor. Der Betroffene kann daher gerade nicht auf einen professionellen Organisationsapparat zurückgreifen, wie es ihm in einem Heim oder in einer einer stationären Einrichtung gleichgestellten ambulant betreuten Wohnform möglich wäre.

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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 2. Juni 2021 – XII ZB 582/20

  1. im Anschluss an BGH, Beschluss vom 05.05.2021 – XII ZB 580/20[]
  2. BT-Drs.19/8694 S. 28[]
  3. vgl. BGH, Beschluss vom 04.11.2020 – XII ZB 436/19 – MDR 2021, 326 Rn. 9 mwN zu § 5 Abs. 3 VBVG aF[][]
  4. vgl. MünchKomm-BGB/Fröschle 8. Aufl. § 5 VBVG Rn. 27 f.[]
  5. vgl. Münch-KommBGB/Fröschle 8. Aufl. § 5 VBVG Rn. 33[]
  6. vgl. BT-Drs.19/8694 S. 29[]

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