Der Wert des Nachlasses im Sinn des § 1836 e Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB ist durch Abzug der Nachlassverbindlichkeiten von dem Aktivvermögen zu ermitteln. Zu den zu berücksichtigenden Nachlassverbindlichkeiten gehören dabei vor allem diejenigen Verpflichtungen, die vom Erblasser herrühren oder die im Zeitpunkt des Erbfalls bereits dem Grunde nach angelegt waren und wegen ihrer Zwangsläufigkeit für den Erben Vorrang beanspruchen können.

Demgegenüber mindern gleich- oder gar nachrangige Nachlassverbindlichkeiten den Nachlasswert nicht. Die aus einer Vermächtnisanordnung folgende Verpflichtung ist gegenüber dem staatlichen Regressanspruch nachrangig und daher ohne Einfluss auf den Nachlasswert.
Die Berücksichtigung von im Nachlass befindlichen Vermögensgegenständen bei der Inanspruchnahme der Erben setzt voraus, dass die Gegenstände verwertbar sind. Verwertung bedeutet jede Art der finanziellen Nutzbarmachung. Eine Immobilie kann daher grundsätzlich nicht nur veräußert, sondern auch beliehen werden, um mit dem Darlehen die Vergütungsforderung zu tilgen.
Eine besondere Härte im Sinn des § 102 Abs. 3 Satz 3 SGB XII ist nur bei außergewöhnlich gelagerten Sachverhalten anzunehmen, die es unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls als unbillig erscheinen lassen, den Erben für den Kostenersatz in Anspruch zu nehmen. Sie muss besonders gewichtig sein, also objektiv besonders schwer wiegen, und sich in der Person des Erben realisieren1.
Regress der Staatskasse
Befriedigt die Staatskasse den Betreuer, gehen dessen Vergütungsansprüche gegen den Betroffenen gemäß §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 e Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Staatskasse über. Dies gilt auch bei einem Betroffenen, der mittellos im Sinn des § 1836 d BGB ist. Denn auch ihm gegenüber hat ein Berufsbetreuer Vergütungsansprüche. Die Mittellosigkeit hat lediglich zur Folge, dass der Betreuer gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG die Vergütung von der Staatskasse verlangen kann2.
Bei der zum Todeszeitpunkt des Betroffenen noch bestehenden Vergütungsforderung handelt es sich um eine Nachlassverbindlichkeit im Sinn des § 1967 BGB3. Für diese haften die Erben des Betroffenen nach §§ 1908 Abs. 1 Satz 1, 1836 e Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB nur mit dem Wert des im Zeitpunkt des Erbfalls vorhandenen Nachlasses. Gemäß § 1836 e Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB findet § 1836 c BGB auf die Erben keine Anwendung, § 102 Abs. 3 und 4 SGB XII gilt entsprechend. Mit diesen speziellen Vorschriften, die im nach §§ 292 Abs. 1, 168 FamFG durchzuführenden Festsetzungsverfahren zu beachten sind, sollen Haftungsbegrenzungsverfahren nach den §§ 1945 ff., 1975 ff. BGB vermieden werden4.
Das Landgericht Koblenz5 hat richtig gesehen, dass der Wert des Nachlasses im Sinn des § 1836 e Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB durch Abzug der Nachlassverbindlichkeiten von dem Aktivvermögen zu ermitteln ist. Insoweit bestehen keine Unterschiede zu den vergleichbar formulierten §§ 2311 Abs. 1 Satz 1 BGB, 102 Abs. 2 Satz 2 SGB XII6.
Testamentarisches Wohnrecht für die Lebensgefährtin
Zu den zu berücksichtigenden Nachlassverbindlichkeiten gehören dabei vor allem diejenigen Verpflichtungen, die vom Erblasser herrühren (§ 1967 Abs. 2 BGB) oder die im Zeitpunkt des Erbfalls bereits dem Grunde nach angelegt waren und wegen ihrer Zwangsläufigkeit für den Erben Vorrang beanspruchen können. Diese können die Erben befriedigen, ohne dabei Rücksicht auf den Rückgriffsanspruch des Staates nehmen zu müssen. Demgegenüber mindern gleich- oder gar nachrangige Nachlassverbindlichkeiten den im Rahmen des § 1836 e Abs. 1 Satz 2 BGB maßgeblichen Nachlasswert nicht7.
Im hier entschiedenen Fall bestand zum Zeitpunkt des Erbfalls kein Wohnungsrecht für die Lebensgefährtin des Betroffenen. Ein solches könnte allenfalls inzwischen von den Erben in Erfüllung der Vermächtnisanordnung eingeräumt worden sein, was wegen der Stichtagsbezogenheit des § 1836 e Abs. 1 Satz 2 BGB ohne Belang wäre.
Für die Bemessung des Nachlasswerts ist insoweit allein die aus der Vermächtnisanordnung folgende Verpflichtung, ein Wohnungsrecht einzuräumen, in den Blick zu nehmen. Gemäß § 1967 Abs. 2 BGB handelt es sich hierbei um eine Nachlassverbindlichkeit, weil sie vorliegend die Erben trifft. Wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, ist diese aber nachrangig gegenüber dem staatlichen Regressanspruch aus § 1836 e Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. den Bestimmungen über die Betreuervergütung8.
Hierfür spricht zum einen die Behandlung des Vermächtnisanspruchs bei der Ermittlung des Nachlasswerts in vergleichbaren gesetzlichen Zusammenhängen:
Wie beim insoweit wortlautidentischen § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB XII geht es auch bei § 1836 e Abs. 1 Satz 2 BGB um die Rückforderung sozialstaatlicher Leistungen von ehemals Bedürftigen bzw. deren Erben9. Für das Sozialhilferecht ist es – soweit ersichtlich – einhellige Meinung, dass Vermächtnisse den für den Regress maßgeblichen Nachlasswert nicht schmälern10. Wie dort soll dem Erblasser nicht die Möglichkeit eröffnet sein, den staatlichen Rückgriffsanspruch durch das Ausbringen von Vermächtnissen auszuhebeln, so dass der Begriff des Nachlasswerts insoweit nicht unterschiedlich zu verstehen sein kann.
Auch bei der Ermittlung des Werts des Nachlasses im Sinn des § 2311 Abs. 1 Satz 1 BGB, der der Berechnung des Pflichtteils zugrunde gelegt wird, haben Vermächtnisse unberücksichtigt zu bleiben11. Denn der Pflichtteilsanspruch ist gegenüber dem Anspruch aus dem Vermächtnis vorrangig. Der Erblasser soll ihn nicht durch freigiebige Vermächtnisanordnungen schmälern können12. Nichts anderes gilt für den Regressanspruch des Staates.
Dieses Rangverhältnis zeigt sich zum anderen daran, dass der Anspruch aus dem Vermächtnis in der Nachlassinsolvenz gemäß § 327 Abs. 1 Nr. 2 InsO ebenso nur im Rang nach den Forderungen der übrigen Insolvenzgläubiger und auch nach Verbindlichkeiten gegenüber Pflichtteilsberechtigten erfüllt wird wie gemäß § 1991 Abs. 4 BGB bei Erhebung der Dürftigkeitseinrede des Erben. Allgemein hat der Gesetzgeber den Vermächtnisanspruch vergleichsweise schwach ausgestaltet. Auch hinter im Aufgebotsverfahren ausgeschlossene Gläubiger muss der Vermächtnisnehmer grundsätzlich zurücktreten (§ 1973 Abs. 1 Satz 2 BGB), die Anfechtung der Erfüllung eines Vermächtnisses ist nach § 5 AnfG unter den erleichterten Voraussetzungen wie bei einer unentgeltlichen Leistung möglich13.
Die Erben können sich auch nicht mit Erfolg auf eine Unverwertbarkeit des Hausanwesens berufen.
Zwar setzt die Berücksichtigung von im Nachlass befindlichen Vermögensgegenständen bei der Inanspruchnahme der Erben voraus, dass die Gegenstände verwertbar sind. Verwertung bedeutet jedoch jede Art der finanziellen Nutzbarmachung. Eine Immobilie kann daher grundsätzlich nicht nur veräußert, sondern auch beliehen werden, um mit dem Darlehen die Vergütungsforderung zu tilgen14.
Dass zumindest eine solche Beleihung hier nicht möglich sein sollte, haben die Erben – wie auch die Rechtsbeschwerde erkennt – nicht dargetan. Die von ihnen vorgelegte Wertermittlung der Bank beruht auf der Annahme, dass ein Wohnungsrecht bestehe und daher weder die Beleihung noch der Verkauf des Hausgrundstücks möglich sein dürfte. Da aber der Anspruch der Lebensgefährtin auf Bestellung eines dinglichen Wohnungsrechts gegenüber dem Regressanspruch des Staates nachrangig ist, kann er die Verwertung nicht hindern. Vielmehr kann die Lebensgefährtin des Betroffenen ihren Anspruch auf Erfüllung des Vermächtnisses in Anbetracht von §§ 1992, 1990, 1991 Abs. 4 BGB, 327 Abs. 1 Nr. 2 InsO letztlich nur dann gegen die Erben durchsetzen, wenn nach Begleichung der vorrangigen Nachlassverbindlichkeiten noch der entsprechende Vermögensgegenstand vorhanden ist. Im Falle der Beleihung des Hausgrundstücks durch die Erben zur Erlangung eines Darlehens zwecks Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten kann sie die Eintragung ihres Wohnungsrechts nur im Rang nach etwaigen als Sicherheiten für das Darlehen einzuräumenden Grundpfandrechten verlangen15.
Danach übersteigt der sich auf mehr als 33.000 € belaufende Wert des Nachlasses die gemäß § 1836 e Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB einschlägige Grenze des § 102 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII um deutlich mehr als den zurückgeforderten Betrag.
Besondere Härte
Schließlich verneint der Bundesgerichtshof im hier entschiedenen Fall das Vorliegen einer besonderen Härte im Sinn von §§ 1836 e Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2, 102 Abs. 3 Nr. 3 SGB XII:
Eine solche Härte ist nur bei außergewöhnlich gelagerten Sachverhalten anzunehmen, die es unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls als unbillig erscheinen lassen, den Erben für den Kostenersatz in Anspruch zu nehmen. Die Härte muss besonders gewichtig sein, also objektiv besonders schwer wiegen16. Jedenfalls muss aber eine sich in der Person des Erben realisierende Härte gegeben sein, weil nur dieser vor einer unbilligen Inanspruchnahme durch die Staatskasse geschützt werden soll.
Dass die Lebensgefährtin des Betroffenen, die diesen in den letzten Jahren vor seinem Tod in dem Anwesen gepflegt hat, bei einer Beleihung des Anwesens durch die Erben ggf. nur ein Wohnungsrecht im Rang nach einem Grundpfandrecht erhalten könnte, begründet für die Erben keine Unbilligkeit.
Soweit auf die Wertung des Gesetzgebers in § 102 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII verwiesen wird, führt das zu keiner anderen Beurteilung. Zum einen will auch diese Vorschrift lediglich den – mit dem Betroffenen verheirateten, verpartnerten oder verwandten – Erben schützen, der mit dem Betroffenen zusammengelebt und ihn gepflegt hat, nicht aber einen Nichterben, sei er auch Vermächtnisnehmer. Und zum anderen wird der Schutz über einen erhöhten Freibetrag von 15.340 € sichergestellt, nicht aber über die Unverwertbarkeit bestimmter Nachlassgegenstände wie etwa des Hausanwesens, in dem Zusammenleben und Pflege erfolgten. Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, dass das Wohnungsrecht durch eine Verwertung im Wege der Beleihung vereitelt würde. Die Lebensgefährtin müsste sich allenfalls mit einem im Rang nach einem Grundpfandrecht eingetragenen dinglichen Recht begnügen.
Die in diesem Zusammenhang geäußerte Befürchtung, dass die Erben wegen Vereitelung der Testamentserfüllung schadensersatzpflichtig gegenüber der Lebensgefährtin werden könnten und so eventuell die durch § 1836 e Abs. 1 Satz 2 BGB angeordnete Begrenzung ihrer Haftung auf den Nachlasswert umgangen würde, ist nicht begründet. Die Erfüllung einer vorrangigen Nachlassverbindlichkeit kann für sich genommen im Verhältnis zu einem nachrangigen Nachlassgläubiger (wie hier der Vermächtnisnehmerin) keine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinn des § 280 Abs. 1 BGB des zwischen Erben und Vermächtnisnehmerin bestehenden Schuldverhältnisses begründen17.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27. August 2014 – XII ZB 133/12
- im Anschluss an BSG NVwZ-RR 2010, 892[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 25.01.2012 – XII ZB 605/10 – MDR 2012, 431 Rn. 18[↩]
- Staudinger/Bienwald BGB [2014] § 1836 e Rn.20[↩]
- BayObLG FamRZ 2005, 1590; Damrau/Zimmermann Betreuungsrecht 4. Aufl. § 1836 e Rn. 18[↩]
- LG Koblenz, Beschluss vom 22.02.2012 – 2 T 458/11, FamRZ 2012, 1586[↩]
- OLG München FamRZ 2006, 508, 509 mwN; BayObLG FamRZ 2005, 1590; Knittel Betreuungsrecht [Stand: 1.03.2012] § 1836 e Rn. 33 mwN[↩]
- OLG München FamRZ 2006, 508, 509 mwN; BayObLG FamRZ 2005, 1590, 1591; MünchKomm-BGB/Wagenitz 6. Aufl. § 1836 e Rn. 17[↩]
- so auch OLG München FamRZ 2006, 508, 509 mwN; BayObLG FamRZ 2005, 1590, 1591; Erman/Saar BGB 14. Aufl. § 1836 e Rn. 6; jurisPK-BGB/Pammler-Klein/Pammler 6. Aufl. § 1836 e Rn. 27; Knittel Betreuungsrecht [Stand: 1.03.2012] § 1836 e BGB Rn. 38; HK-BUR/Deinert [Stand: Dezember 2013] § 1836 e BGB Rn. 34; Palandt/Weidlich BGB 73. Aufl. § 1836 e Rn. 11 und § 2311 Rn. 5[↩]
- OLG Jena FGPrax 2001, 22, 23[↩]
- SG Karlsruhe Urteil vom 31.08.2012 – S 1 SO 362/12 29; jurisPK-SGB XII/Simon 2. Aufl. § 102 Rn. 41; H. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm SGB XII 18. Aufl. § 102 Rn.19; vgl. auch VG Augsburg Beschluss vom 13.07.2009 – Au 3 E 09.739 27[↩]
- BGH Urteil vom 16.09.1987 – IVa ZR 97/86 , NJW 1988, 136, 137[↩]
- Soergel/Dieckmann BGB 13. Aufl. § 2311 Rn. 15[↩]
- vgl. zum Ganzen etwa BeckOK BGB/Müller-Christmann [Stand: 1.05.2014] § 2174 Rn. 2; MünchKomm-BGB/Rudy 6. Aufl. § 2174 Rn. 2; Palandt/Weidlich BGB 73. Aufl. § 2174 Rn. 6[↩]
- BayObLG FamRZ 2003, 1129; 2002, 416, 417; Staudinger/Bienwald BGB [2014] § 1836 e Rn. 22[↩]
- vgl. NK-BGB/Mayer 4. Aufl. § 2174 Rn. 29 f.[↩]
- BSG NVwZ-RR 2010, 892, 894[↩]
- vgl. dazu allgemein BeckOK BGB/Müller-Christmann [Stand: 1.05.2014] § 2174 Rn. 16; MünchKomm-BGB/Rudy 6. Aufl. § 2174 Rn. 11; NK-BGB/Mayer 4. Aufl. § 2172 Rn. 8 ff.[↩]