Betreuung trotz Vorsorgevollmacht

Wann kann die Einrichtung einer Betreuung trotz bestehender Vorsorgevollmacht erforderlich sein? Mit dieser Frage hatte sich jetzt der Bundesgerichtshof zu befassen:

Betreuung trotz Vorsorgevollmacht

Ein Betreuer darf nur bestellt werden, soweit die Betreuerbestellung erforderlich ist (§ 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB). An der Erforderlichkeit fehlt es, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können (§ 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB). Eine Vorsorgevollmacht steht daher der Bestellung eines Betreuers grundsätzlich entgegen. Anders kann es zum einen liegen, wenn Zweifel an der Wirksamkeit der Vollmachterteilung oder am Fortbestand der Vollmacht bestehen, die geeignet sind, die Akzeptanz der Vollmacht im Rechtsverkehr und damit die Wahrnehmung von Rechten des Betroffenen durch den Bevollmächtigten zu beeinträchtigen1. Eine Betreuung kann trotz Vorsorgevollmacht zum anderen dann erforderlich sein, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, insbesondere weil zu befürchten ist, dass die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch jenen eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründet. Letzteres ist der Fall, wenn der Bevollmächtigte wegen erheblicher Bedenken an seiner Geeignetheit oder Redlichkeit als ungeeignet erscheint2.

Dabei entscheidet der Tatrichter über Art und Umfang seiner Ermittlungen nach pflichtgemäßem Ermessen. Dem Rechtsbeschwerdegericht obliegt lediglich die Kontrolle auf Rechtsfehler, insbesondere die Prüfung, ob die Tatsachengerichte alle maßgeblichen Gesichtspunkte in Betracht gezogen haben und die Würdigung auf einer ausreichenden Sachaufklärung beruht3.

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Das Gericht hat im Rahmen des Betreuungsverfahrens die erforderlichen Feststellungen dazu zu treffen, ob eine Betreuung trotz der Vorsorgevollmacht erforderlich ist. Dabei wird es zu ermitteln haben, ob die Vollmachterteilung wirksam oder der Betroffene zum damaligen Zeitpunkt bereits geschäftsunfähig war. Sollten trotz Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten Zweifel an der Wirksamkeit der Vollmacht verbleiben, ist zu klären, ob diese Zweifel die Rechtswahrnehmung der Vorsorgebevollmächtigten für den Betroffenen in einer die Erforderlichkeit einer Betreuung begründenden Weise behindern können.

Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Vollmacht im Grundsatz geeignet ist, der Einrichtung einer Betreuung nach § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB entgegenzustehen, wird es sich mit der Frage der Eignung der Vorsorgebevollmächtigten zu befassen haben. Dabei dürfte nahe liegen, die Vorsorgebevollmächtigten zu Zweifeln ihre Geeignetheit oder auch Redlichkeit betreffend persönlich anzuhören, um der aus § 26 FamFG folgenden Amtsermittlungspflicht zu genügen4.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17. Februar 2016 – XII ZB 498/15

  1. vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 03.02.2016 – XII ZB 425/14, mwN[]
  2. BGH, Beschlüsse vom 26.02.2014 – XII ZB 301/13, FamRZ 2014, 738 Rn. 17 mwN; und vom 13.04.2011 – XII ZB 584/10, FamRZ 2011, 964 Rn. 15 mwN[]
  3. BGH, Beschlüsse vom 26.02.2014 – XII ZB 301/13, FamRZ 2014, 738 Rn. 18 mwN; und vom 13.04.2011 – XII ZB 584/10, FamRZ 2011, 964 Rn. 16 mwN[]
  4. vgl. BGH, Beschluss vom 15.12 2010 – XII ZB 165/10, FamRZ 2011, 285 Rn. 17 f., zur Geeignetheit und Redlichkeit eines vom Betroffenen als Betreuer Vorgeschlagenen[]
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