Betriebliche Direktzusage – und der Diskontierungszinssatz im Versorgungsausgleich

Zur Wahl des Diskontierungszinssatzes, mit dem der Gesamtwert aller künftig zu erwartenden Versorgungsleistungen bei einer betrieblichen Direktzusage im Rahmen der Ermittlung eines Kapitalwerts nach § 45 Abs. 1 VersAusglG i.V.m. § 4 Abs. 5 BetrAVG auf das Ende der Ehezeit als Bewertungsstichtag abgezinst wird1.

Betriebliche Direktzusage – und der Diskontierungszinssatz im Versorgungsausgleich

Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, sind nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 BetrAVG für die Berechnung des Barwerts einer auszugleichenden Versorgung die „Rechnungsgrundlagen“ sowie „die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik“ maßgebend2.

Handelt es sich nicht um eine beitragsorientierte Leistungszusage oder um eine kongruent rückgedeckte Versorgungszusage3, wählen die Versorgungsträger – wie auch hier – für die Ermittlung des Barwerts eines Versorgungsanrechts üblicherweise diejenigen Bewertungsparameter, die von dem verpflichteten Unternehmen auch bei der handelsbilanziellen Bewertung ihrer Pensionsverpflichtung herangezogen werden. Daher findet als Rechnungszins zumeist der handelsbilanzielle Zinssatz des § 253 Abs. 2 Satz 2 HGB Anwendung, was den Versorgungsträgern in den Gesetzesmaterialien auch ausdrücklich nahegelegt worden ist4.

Zwar wäre hiernach mit dem aus Art. 6 Abs. 1 iVm Art. 3 Abs. 2 GG hergeleiteten verfassungsrechtlichen Halbteilungsgrundsatz nicht zu vereinbaren, wenn der Versorgungsträger – auch unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Gewährleistung seiner unternehmerischen Handlungsfreiheit – zur Ermittlung des stichtagsbezogenen Barwerts der gesamten, aus dem Anrecht der ausgleichspflichtigen Person künftig zu erbringenden Versorgungsleistungen einen Diskontierungszinssatz heranzieht, der zu einer strukturellen Unterbewertung des Anrechts und damit zu einer systematischen Benachteiligung der ausgleichsberechtigten Person führt. Dies ist bei einer Barwertermittlung unter Anwendung des BilMoG-Zinssatzes nach § 253 Abs. 2 HGB indessen nicht der Fall5.

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Auch ist es nicht geboten, den Abzinsungszinssatz gemäß § 253 Abs. 2 Satz 2 HGB nur in einer modifizierten Form ohne den Risikozuschlag nach § 6 RückAbzinsV für die Ermittlung des Barwerts der Versorgung der ausgleichspflichtigen Person heranzuziehen. Mit einer solchen Modifikation wäre der Bil-MoG-Zinssatz auf den Zinssatz aus der Null-Kupon-Euro-Zinsswapkurve und damit auf seine quasirisikolose Komponente beschränkt. Dies kann nicht überzeugend damit begründet werden, dass das betriebliche Versorgungsanrecht des ausgleichspflichtigen Ehegatten der Sicherung durch den Pensions-Sicherungs-Verein unterfällt und das Unternehmen wegen der mit der externen Teilung verbundenen Kürzung der verbleibenden Versorgungsverpflichtungen gegenüber dem ausgleichspflichtigen Ehegatten Beiträge für die Insolvenzsicherung erspart. Ein innerer Zusammenhang zwischen der durch die Mitgliedschaft im Pensions-Sicherungs-Verein vermittelten Insolvenzsicherung für die Pensionszusage und den Kapitalerträgen, die das Unternehmen bei einer (hypothetischen) Anlage seiner in den Pensionsrückstellungen gebundenen Mittel auf dem Kapitalmarkt erwirtschaften könnte, lässt sich nicht erkennen, zumal auf den quasirisikolosen Zins aus der Null-Kupon-Euro-Zinsswapkurve ohnehin nur zur rechnerischen Herleitung des BilMoG-Zinses zurückgegriffen wird. Zudem stehen die Ersparnisse bei den Beiträgen zur Insolvenzsicherung angesichts ihrer moderaten Höhe in keinem Verhältnis zur Erhöhung des Barwerts, der sich aus der vorgeschlagenen Modifikation des Rechnungszinses ergibt6.

Im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall kam noch ein Weiteres hinzu: Zwar liegen Versorgungsauskünfte der Deutsche Telekom RSS GmbH und der VAP vor, wobei das bei der Deutsche Telekom RSS GmbH isoliert auszugleichende Anrecht als Differenzwert zwischen dem im Kapitalkontenplan geführten Gesamtanrecht und dem im Wege der Parallelverpflichtung weitergeführten Anrecht ausgewiesen ist. Allerdings ist die Berechnung in sich widersprüchlich, weil sie mit uneinheitlichen BilMoG-Rechnungszinsen operiert. Während der Wert des parallelverpflichtenden Anrechts mit einem Rechnungszins von 5, 04 % ermittelt ist, was dem durchschnittlichen Marktzinssatz bei einer angenommenen Restlaufzeit von 15 Jahren zum Stichtag 31.12 2012 – offensichtlich dem Bilanzstichtag des Versorgungsträgers – entspricht, ist der Wert des im Kapitalkontenplan geführten Gesamtanrechts mit einem Rechnungszins von 4, 94 % ermittelt, was dem durchschnittlichen Marktzinssatz zum Stichtag 30.06.2013, also monatsgenau dem Ehezeitende, entspricht. Da beide Bausteine des Anrechts jedoch in der aufgezeigten Weise durch Teilabzug miteinander verwoben sind, darf eine Wertermittlung nur unter Verwendung identischer Rechnungszinsen erfolgen.

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In der Begründung des Regierungsentwurfs zum Versorgungsausgleichsgesetz wird in diesem Zusammenhang auf den Referentenentwurf des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes Bezug genommen. Dieser hat in § 253 Abs. 2 Satz 1 und 2 HGB-E eine bilanzielle Bewertung von Rückstellungen für Rentenverpflichtungen mit dem durchschnittlichen Marktzinssatz vorgesehen, wobei nach § 253 Abs. 2 Satz 3 HGB-E die anzuwendenden Abzinsungszinssätze von der Deutschen Bundesbank ermittelt und monatlich bekannt gegeben werden sollten7. Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags hat ergänzend darauf hingewiesen, dass der Regierungsentwurf für ein Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz die Bestimmungen für den maßgeblichen Rechnungszins bei der Bewertung von Pensionsrückstellungen weiter konkretisiert habe und dieser nach § 253 Abs. 2 HGB-RegE nach Maßgabe einer Rechtsverordnung ermittelt und monatlich von der Deutschen Bundesbank bekannt gegeben werden solle. Das handelsrechtliche Bewertungsrecht führe so zu „realistischen Stichtagswerten“, die ohne erheblichen Mehraufwand für die Versorgungsträger auch für Zwecke des Versorgungsausgleichs nutzbar gemacht werden könnten. Damit stehe künftig auch im Versorgungsausgleich zum maßgeblichen Stichtag am Ende der Ehezeit ein „klar definierter Rechnungszins“ zur Verfügung8. Im Hinblick darauf erscheint es rechtlich unbedenklich, bei der Bewertung von auszugleichenden Anrechten einheitlich auf den monatsgenau zum Ende der Ehezeit bekannt gegebenen Rechnungszins abzustellen, welchen der Gesetzgeber als zum maßgeblichen Stichtag am Ende der Ehezeit klar definierten und zugleich als realistischen Rechnungszins hervorgehoben hat.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27. April 2016 – XII ZB 415/14

  1. im Anschluss an BGH, Beschluss vom 09.03.2016 – XII ZB 540/14 []
  2. BGH, Beschluss vom 09.03.2016 – XII ZB 540/14[]
  3. BGH, Beschluss vom 09.03.2016 – XII ZB 540/14 18 f.[]
  4. BGH, Beschluss vom 09.03.2016 – XII ZB 540/14 20[]
  5. BGH, Beschluss vom 09.03.2016 – XII ZB 540/14 43[]
  6. BGH, Beschluss vom 09.03.2016 – XII ZB 540/14 52 f.[]
  7. BT-Drs. 16/10144 S. 85[]
  8. BT-Drs. 16/11903 S. 56[]
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