Das Kiffen des Vaters – und das Sorgerecht

Hat der Kindesvater durch die Spuren der Betäubungsmittel im Körper der Kinder diese gefährdet als auch eine latente Gefährdung der Kinder durch deren Anwesenheit bei Drogengeschäften in Kauf genommen, kann sowohl der Sorgerechtsentzug als auch der Ausschluss des unbegleiteten Umgangs erforderlich sei, um die Gefahren abzuwenden.

Das Kiffen des Vaters – und das Sorgerecht

So hat das Amtsgericht Hannover in dem hier vorliegenden Fall eines Vaters entschieden und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung gemäß § 40 Abs. 3 S. 2 FamFG angeordnet, da das Familiengericht eine eventuelle Aufhebung der Untersuchungshaft des Kindesvaters nicht absehen kann und in dem Falle eines dann erfolgenden Umgangs der Kinder mit ihm Gefahr im Verzuge eintreten würde.

Sowohl die 10-jährige Tochter als auch der 5-jährige Sohn entstammen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Die Familie ist dem Jugendamt aufgrund von Drogenkonsum sowie Gewalttätigkeit in der Partnerschaft seit 2012 bekannt. Seit der Trennung der Kindeseltern im Jahr 2017 leben die Kinder im Haushalt der Kindesmutter. Beide Kindeseltern übten das Sorgerecht gemeinsam aus. Der Kindesvater übte sein Umgangsrecht in der Vergangenheit regelmäßig aus und nahm die Kinder auch spontan zu sich, wenn die Kindesmutter beispielsweise keine Zeit hatte, diese aus dem Kindergarten abzuholen. Der Kindesvater war den Kindern ein liebevoller und engagierter Vater und es bestand eine intensive Bindung der Kinder an ihren Vater. Dabei fanden die Umgänge häufig auch in seiner Ein-Zimmer-Wohnung statt. Bei einer Wohnungsdurchsuchung in der Wohnung des Kindesvaters im Juni 2018 wurden nicht geringe Mengen an Cannabis, Amphetaminen und Ecstasy sowie mehrere Einhandmesser, ein Schlagring und eine Machete aufgefunden. Die Drogen befanden sich zum Zeitpunkt der Durchsuchung teilweise offen zugänglich in der Wohnung verteilt. So seien die Kinder gelegentlich dabei gewesen, wenn der Kindesvater Betäubungsmittel veräußert habe. Es seien immer viele unterschiedliche Leute in der Wohnung gewesen, gefühlt seien alle 10 Minuten einer rein- bzw. rausgegangen. Darüber hinaus erfolgte im Mai 2019 eine erneute Wohnungsdurchsuchung in der Wohnung des Kindesvaters, bei der eine geringe Menge Marihuana und Amphetamin aufgefunden wurde. In der Wohnung befand sich zu diesem Zeitpunkt auch die fünfjährige Tochter der neuen Lebensgefährtin des Kindesvaters. Mit Beschluss vom 24.7.2019 wurde auf Antrag der Verfahrensbeiständin die Zustimmung des Kindesvaters zur Durchführung einer Haarprobe bei den Kindern durch das Familiengericht ersetzt.

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Aufgrund der Ergebnisse der bei den Kindern vorgenommenen Haaranalysen wurde sodann das Sorgerechtsverfahren eingeleitet. Die ersten Haarproben wurden den Kindern jeweils im August 2019 entnommen. Gemäß den Gutachten der MHH aus Oktober 2019 wurden bei dem Sohn das Cannabinoid THC in geringer Konzentration und Amphetamine in höherer Konzentration nachgewiesen. Im Februar wurden den Kindern zweite Haarproben entnommen. Gemäß den Gutachten der MHH vom März 2020 wurden bei der Tochter das Cannabinoid THC in geringer Konzentration und bei dem Sohn zusätzlich Kokain und Amphetamin in höherer Konzentration festgestellt.

Im April 2020 wurde die neue Wohnung des Kindesvaters in Marienwerder durchsucht und es wurden erneut nicht geringe Mengen an Marihuana und Amphetamin aufgefunden. Diese befanden sich laut Durchsuchungsbericht der Polizei frei zugänglich im Zimmer des Kindesvaters sowie in der Küche. Aufgrund des erneuten Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz befindet sich der Kindesvater seit April 2020 in Untersuchungshaft.

In seiner Entscheidung hat das Amtsgericht Hamburg ausgeführt, dass der Entzug des Sorgerechts beruht auf § 1666 Abs. 1 BGB. Die Beschränkung des Umgangsrechts beruht auf § 1684 Abs. 4 BGB. Beide Maßnahmen sind zur Abwendung einer Gefährdung des gesundheitlichen Wohls der Kinder unerlässlich. Nachdem dem Kindesvater im Rahmen der vorangegangenen Verfahren mehrfach durch das Jugendamt sowie das Gericht verdeutlicht wurde, dass er seine Kinder vor dem Kontakt mit Betäubungsmitteln unbedingt zu schützen hat und dass dies für deren gesunde körperliche sowie geistige Entwicklung unerlässlich ist, hat der Kindesvater durch die erneute Versäumung dieser Pflicht gezeigt, dass er nicht verantwortungsbewusst genug ist, um seine Kinder angemessen zu schützen.

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Die Wirkung von Betäubungsmitteln im Körper von Kindern ist noch nicht abschließend erforscht. Es steht jedoch fest, dass THC bei Kindern zu Entwicklungsstörungen führen kann. Darüber hinaus ist die aufputschende Wirkung von Amphetamin und Kokain auf den erwachsenen Körper bekannt. Es ist daher davon auszugehen, dass eine solche Wirkung auch (und aufgrund der geringeren Körpergröße noch viel schneller) auf den kindlichen Körper besteht. Im schlimmsten Fall ist davon auszugehen, dass dies Konzentrationsschwierigkeiten und/oder Schlafstörungen zur Folge haben kann. Auch wenn im vorliegenden Fall noch keine solche Symptome an den Kindern aufgefallen sind, stellt die Aufnahme dieser Substanzen in den Körper der Kinder eine Gefahr für ihre gesunde Entwicklung dar. Da der Kindesvater laut eigener Angabe seit Ende 2017 mit Betäubungsmitteln gehandelt hat und die Kinder immer intensiven Kontakt mit ihm gehabt haben, ist zu vermuten, dass die Kinder seit nunmehr 3 Jahren immer wieder mit Spuren der Betäubungsmittel in Kontakt gekommen sind und diese in ihren Körper aufgenommen haben. Ob das Verhalten und der Gesundheitszustand der Kinder anders wäre, wenn dieser permanente Kontakt zu Betäubungsmitteln nicht vorhanden gewesen wäre, kann daher aktuell überhaupt nicht festgestellt werden. Es bleibt lediglich zu beobachten, ob die Kinder sich in ihrem Verhalten oder ihrer Entwicklung verändern, wenn der schädliche Einfluss der Betäubungsmittel nunmehr beendet wird (ob z.B. das Konzentrationsvermögen gesteigert wird oder das Wachstum beschleunigt wird).

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Weiterhin ist das Amtsgericht davon überzeugt, dass die Spuren der Betäubungsmittel in den Haaren der Kinder vom Kindesvater herrühren. Aus dem Haushalt der Kindesmutter ist zumindest seit der Trennung vom Kindesvater kein Drogenkonsum bekannt. Der Kindesvater hat hingegen eingeräumt, Betäubungsmittel zu konsumieren und mit diesen zu handeln. Darüber hinaus haben die Durchsuchungen bei ihm ergeben, dass die Betäubungsmittel nicht ständig außerhalb der Reichweite der Kinder gelagert wurden. Das Gericht geht davon aus, dass die Kinder diese Betäubungsmittel zumindest angefasst, wenn nicht sogar oral zu sich genommen (z.B. probiert) haben. Darüber hinaus geht das Gericht davon aus, dass sich die Spuren von Betäubungsmitteln auch durch Körperkontakt der Kinder mit dem Kindesvater übertragen haben, z.B. beim Kuscheln oder beim Anfassen nach vorherigem Kontakt mit Drogen.

Neben der latenten Gesundheitsgefährdung durch die Spuren der Betäubungsmittel im Körper der Kinder geht das Gericht darüber hinaus auch davon aus, dass der Kindesvater eine latente Gefährdung der Kinder durch deren Anwesenheit bei Drogengeschäften in Kauf genommen hat. Davon geht das Gericht aufgrund der Zeugenaussage eines Kunden aus, der angab, dass der Kindesvater zwei Kinder habe – einen Jungen und ein Mädchen – die bei den Geschäften teilweise in der Wohnung anwesend gewesen seien. Das Gericht ist der Ansicht, dass eine Anwesenheit der Kinder bei solchen Geschäften eine Gefahr birgt, dass die Kinder Gewalthandlungen durch Drogensüchtige, die mit allen Mitteln an die zur Suchtbefriedigung benötigten Betäubungsmittel gelangen wollen, mitzuerleben oder diesen (als Druckmittel gegen den Dealer) sogar unmittelbar ausgesetzt zu werden. Darüber hinaus ist das Gericht der Ansicht, dass die permanente Konfrontation mit Drogensüchtigen und der laxe Umgang damit durch den Kindesvater, der Betäubungsmittel gemäß der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft auch an Minderjährige verkauft hat, eine erhöhte Gefahr für die Kinder darstellt, später selbst einmal drogenabhängig zu werden.

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Um diese oben beschrieben Gefahren abzuwenden, sind sowohl der Sorgerechtsentzug als auch der Ausschluss des unbegleiteten Umgangs erforderlich. Dass weniger einschneidende Maßnahmen wie gerichtliche Auflagen und Umgangseinschränkungen nicht ausreichten, um die Gefährdung der Kinder abzuwenden, haben die Vorverfahren deutlich gezeigt. Das Gericht geht davon aus, dass der Kindesvater aufgrund der Anklage der Staatsanwaltschaft ohnehin eine mehrjährige Haftstrafe zu verbüßen haben wird. Begleitete Umgänge innerhalb der Besuchsräume einer Justizvollzugsanstalt hat das Gericht daher vom Umgangsausschluss ausgenommen, da bei diesen eine Gefährdung der Kinder durch den Kontakt mit Betäubungsmitteln unwahrscheinlich ist und da dem Gericht die Aufrechterhaltung der intensiven Bindung der Kinder an ihren Vater schützenswert scheint. Jeglicher andere Umgang – auch begleiteter Umgang außerhalb einer Justizvollzugsanstalt – z.B. für den Fall, dass der Kindesvater eine Bewährungsstrafe erhalten oder vorzeitig entlassen werden sollte, muss jedoch ausgeschlossen sein, da unklar ist, ob außerhalb einer Justizvollzugsanstalt ausreichend zuverlässige Begleitpersonen zur Verfügung stehen. Falls eine Bewährungsstrafe oder vorzeitige Entlassung eintritt, muss die Möglichkeit der Umgangsbegleitung anhand der dann bestehenden Umstände konkret geprüft werden.

Amtsgericht Hannover, Beschluss vom 3. Juni 2020 – 609 F 5007/19 SO / 609 F 2783/19 UG

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