Während eines anhängigen Scheidungsverfahrens durch das Familiengericht eingeleitete Kindschaftsverfahren können nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag eines Ehegatten in den Scheidungsverbund einbezogen werden.

Denn nach § 137 FamFG tritt der Verbund – mit Ausnahme des Versorgungsausgleichs – nur ein, wenn einer der Eheleute hinsichtlich der in Rede stehenden Angelegenheit eine Entscheidung für den Fall der Scheidung verlangt.
Dies bleibt zwar hinter den Einbeziehungsmöglichkeiten des früheren, bis zum 31. August 2009 gültigen Verfahrensrechts zurück. Gemäß § 623 Abs. 3 ZPO a.F. waren die dort aufgeführten Kindschaftssachen, wenn sie nur rechtzeitig (aber auch von Amts wegen) eingeleitet waren, ohne Weiteres Folgesachen; eines darauf gerichteten Antrags eines Elternteils bedurfte es nicht. Eine entsprechende Regelung enthält § 137 FamFG jedoch nicht mehr. Die Schlussfolgerung des Familiengerichts, damit sei unklar, ob der Gesetzgeber die auf § 623 Abs. 3 ZPO a.F. beruhende Möglichkeit; vom Gericht eingeleitete Kindschaftsverfahren gemäß § 1666 BGB auch von Amts wegen in den Verbund einzubeziehen, habe abschaffen wollen, vermag das Oberlandesgericht Dresden indes nicht zu teilen.
Zunächst gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass hier eine gesetzgeberische Lücke vorläge, die unter Rückgriff auf § 623 Abs. 3 ZPO a.F. (der mit Inkrafttreten des FamFG in dieser Form ersatzlos gestrichen worden ist) geschlossen werden müsste. Das Schrifttum ist sich vielmehr, soweit ersichtlich, darin einig, dass hier kein Redaktionsversehen vorliegt, sondern die frühere Rechtslage bewusst nicht beibehalten worden ist mit der Folge, dass ein von Amts wegen eingeleitetes Kindschaftsverfahren – nur – auf ausdrücklichen Antrag hin zur Folgesache werden kann1. Dann aber fehlt es an einem tauglichen Ansatzpunkt für eine Ausfüllung oder Nachbesserung der in § 137 FamFG getroffenen Regelung.
Das Oberlandesgericht Dresden hat auch Zweifel, ob dafür in der Sache ein generelles Bedürfnis bestände. Es ist sicher zutreffend, dass, wie das Familiengericht ausführt, für Kinder in einer Trennungssituation nichts wichtiger ist als die Klärung der Frage, ob und wie sie ihre Bindungen und Beziehungen zu beiden Elternteilen aufrechterhalten und fortführen können und wie die elterliche Verantwortung zukünftig ausgeübt wird. Das entsprechende Regelungsbedürfnis entsteht aber nicht erst mit der Scheidung; die entscheidende Zäsur im Leben der Kinder ist vielmehr die Trennung der Eltern, d. h. die Aufgabe der tatsächlichen Lebensgemeinschaft der Eltern zusammen mit den Kindern. Gerade wenn der dadurch bewirkte Regelungsdruck so hoch ist, dass das Familiengericht sich während des Scheidungsverfahrens zur Einleitung eines Kindschaftsverfahrens von Amts wegen veranlasst sieht, wird aber wenig für eine Einbeziehung dieses Verfahrens in den Verfahrensverbund sprechen. Denn dadurch würde eine aktuelle Regelung der Kinderbelange für die Zeit bis zur Scheidung gerade verhindert, weil Verbundentscheidungen ja nur für die Zeit danach getroffen werden könnten.
Tatsächlich hat das Familiengericht hier auch die Einleitung des Kindschaftsverfahrens als Folgesache im Verbund zwar beschlossen, es aber nicht so betrieben: Denn in Wirklichkeit haben die Beteiligten in zwei Anhörungsterminen im November 2013, also nach der Beschlusslage des Familiengerichts formal unter dem Dach des Verfahrensverbunds, eine vorläufige Umgangsregelung für die restliche Trennungszeit erarbeitet, die sie dann, nachdem sie sich anscheinend bewährt hatte, mittels einvernehmlicher Erklärung vom 18.03.2014 (also im Scheidungstermin) für die Zeit nach der Scheidung übernommen haben. Im Einzelfall mag eine solche Vorgehensweise, welche die Beteiligten auch so verstanden haben könnten, als werde von Seiten des Gerichts nicht eher geschieden, als sie sich in Sachen Umgang kooperationsbereit gezeigt hätten, sogar praktisch vernünftige Ergebnisse hervorbringen. Idee und Zielrichtung des Verbundverfahrens wird es aber schwerlich entsprechen, das Hinauszögern des Scheidungsausspruchs durch Etablierung einer Folgesache von Amts wegen als vom Gericht bedienten Hebel zur Förderung der Einigungsbereitschaft der Eltern in Kindesbelangen einzusetzen. § 137 FamFG bietet dafür jedenfalls keine Handhabe.
Das vom Familiengericht im vorliegenden Fall betriebene Sorgeverfahren kann vor diesem Hintergrund daher – zumindest wertmäßig – nur als selbständiges Verfahren im Sinne von § 45 FamGKG angesehen werden.
Oberlandesgericht Dresden, Beschluss vom 5. Juni 2014 – 20 WF 439/14
- Musielak/Borth, 4. Aufl.2013, § 137 FamFG, Rdn. 26; Kemper/Schreiber, 2. Aufl.2012, § 137 FamFG, Rdn. 40, 42; Prütting/Helms, 3. Aufl.2014, § 137 FamFG, Rdn. 58-63; Markwardt in: Johannsen/Henrich, Familienrecht, 5. Aufl.2010, § 137 FamFG, Rdn. 10 und 14; Sommer in: Jurgeleit, Handbuch Freiwillige Gerichtsbarkeit 2010, § 4 Rdn. 91 f.[↩]