Das vereinfachte Unterhaltsverfahren – und der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss ohne Verkündung

Ein Unterhaltsfestsetzungsbeschluss nach § 253 FamFG bedarf, sofern er ohne mündliche Verhandlung ergangen ist, nicht der Verkündung1.

Das vereinfachte Unterhaltsverfahren – und der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss ohne Verkündung

Eine nicht verkündete Entscheidung ist mit der Übergabe des unterzeichneten Beschlusses an die Geschäftsstelle erlassen2.

Nach § 256 Satz 2 FamFG ist eine Beschwerde in einem vereinfachten Unterhaltsverfahren unzulässig, wenn sie sich auf Einwendungen nach § 252 Abs. 2 bis 4 FamFG stützt, die nicht erhoben waren, bevor der Festsetzungsbeschluss erlassen war. Ohne Erfolg machte der Antragsgegner im vorliegenden Fall jedoch geltend, dass er seine Einwendungen rechtzeitig im Sinne von § 256 Satz 2 FamFG, nämlich vor Erlass des Festsetzungsbeschlusses, erhoben habe, weil es mangels Verkündung des Festsetzungsbeschlusses bereits an einem wirksamen Beschlusserlass fehlte. Denn im vorliegenden Fall ist, wovon das Beschwerdegericht zutreffend ausgegangen ist, der Erlass des Festsetzungsbeschlusses mit dessen Übergabe an die Geschäftsstelle erfolgt:

Für den Erlass des Festsetzungsbeschlusses war dessen Verkündung nicht erforderlich. Zwar ist im Grundsatz davon auszugehen, dass Entscheidungen in einer hier vorliegenden Familienstreitsache grundsätzlich nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG iVm § 311 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu verkünden sind3. Dies gilt aber nicht für einen Festsetzungsbeschluss nach § 253 FamFG, sofern er wie hier ohne mündliche Verhandlung ergangen ist. Dieser Beschluss kann vielmehr durch Übergabe an die Geschäftsstelle erlassen werden4.

Das vereinfachte Unterhaltsverfahren, das eine dem Mahnverfahren ähnliche Ausgestaltung hat5, wurde durch das Gesetz zur Vereinheitlichung des Unterhaltsrechts minderjähriger Kinder vom 06.04.1998 (KindUG)6 mit den Vorschriften der §§ 645 ff. ZPO eingeführt. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte damit ein schnelles Verfahren geschaffen werden, mit dem minderjährige Kinder im Beschlusswege einen Vollstreckungstitel erlangen können7. § 649 Abs. 2 ZPO regelte, dass der Festsetzungsbeschluss ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. In diesem Fall bedurfte er gemäß § 329 ZPO auch nicht der Verkündung8.

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§ 649 Abs. 2 ZPO wurde durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27.07.20019 zwar aufgehoben. Als Grund dafür hat der Gesetzgeber aber angegeben, es handle sich hierbei (lediglich) um eine Folgeänderung zur neu geschaffenen Regelung des § 128 Abs. 4 ZPO, die nunmehr als Generalklausel eine fakultative mündliche Verhandlung für alle Entscheidungen vorsehe, die – wie der Festsetzungsbeschluss nach § 649 ZPO – keine Urteile seien10. Auch nach dieser Gesetzesänderung konnte der Festsetzungsbeschluss im vereinfachten Unterhaltsverfahren somit weiterhin – nunmehr nach § 128 Abs. 4 ZPO – ohne mündliche Verhandlung ergehen11. Eine Entscheidung nach § 128 Abs. 4 ZPO wird, sofern tatsächlich keine mündliche Verhandlung stattfindet, ebenfalls gemäß § 329 ZPO nicht verkündet12.

Mithin war nach zivilprozessualen Grundsätzen der Festsetzungsbeschluss nach § 649 ZPO nicht zu verkünden, sofern er ohne mündliche Verhandlung ergangen war.

Daran hat sich durch das Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17.12.200813 nichts geändert. Mit diesem Gesetz wurde das vereinfachte Unterhaltsverfahren zwar aus der Zivilprozessordnung herausgelöst und in den §§ 249 ff. FamFG neu geregelt. Ausweislich der Gesetzesbegründung entspricht die Vorschrift des § 253 FamFG, die nunmehr den Festsetzungsbeschluss regelt, aber dem bisherigen § 649 ZPO14.

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Gleiches gilt für das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts und des Unterhaltsverfahrensrechts sowie zur Änderung der Zivilprozessordnung und kostenrechtlicher Vorschriften vom 20.11.201515. Mit diesem Gesetz wurden die §§ 252 Abs. 5, 256 Satz 2 FamFG an die Terminologie des § 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG angepasst, um klarzustellen, dass hinsichtlich der Berücksichtigungsfähigkeit von Einwendungen im vereinfachten Unterhaltsverfahren auf den Zeitpunkt des Erlasses des Festsetzungsbeschlusses abzustellen ist16. Änderungen hinsichtlich der Verlautbarungsform des Festsetzungsbeschlusses selbst gingen damit aber nicht einher.

Mithin kann der in einem vereinfachten Unterhaltsverfahren ergehende Festsetzungsbeschluss nach § 253 FamFG gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG iVm § 128 Abs. 4 ZPO ohne mündliche Verhandlung ergehen17 und bedarf in diesem Fall auch nicht der Verkündung. Eine nicht verkündete Entscheidung ist nach der Vorschrift des § 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG, die nach § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG auch in der vorliegenden Familienstreitsache zur Anwendung kommt18, mit der Übergabe des unterzeichneten Beschlusses an die Geschäftsstelle erlassen19.

Das Oberlandesgericht Naumburg ist im vorliegenden Fall als Beschwerdegericht in seinem Verwerfungsbeschluss20 somit zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsgegner seine erstmals am 17.03.2021 bei Gericht eingegangenen Einwendungen nach § 252 Abs. 2 bis 4 FamFG nicht vor Erlass des Festsetzungsbeschlusses, der bereits am 11.03.2021 erfolgt war, erhoben hat. Aus diesem Grund war die Beschwerde des Antragsgegners, wie das Beschwerdegericht ebenfalls zutreffend erkannt hat, gemäß § 256 Satz 2 FamFG bereits unzulässig21.

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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12. Oktober 2022 – XII ZB 450/21

  1. Abgrenzung zu BGH, Beschluss vom 25.01.2017 XII ZB 504/15 , FamRZ 2017, 821[]
  2. im Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 04.07.2018 XII ZB 240/17 FamRZ 2018, 1593; und vom 03.11.2021 XII ZB 289/21 FamRZ 2022, 189[]
  3. vgl. BGH, Beschluss vom 25.01.2017 XII ZB 504/15 , FamRZ 2017, 821 Rn. 9 mwN[]
  4. vgl. OLG Bamberg FamRZ 2018, 116; Wendl/Dose/Schmitz Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. § 10 Rn. 671, 674; Schwamb in Bumiller/Harders/Schwamb FamFG 12. Aufl. § 252 Rn. 16; Keidel/Giers FamFG 20. Aufl. § 252 Rn. 13; Zöller/Lorenz ZPO 34. Aufl. § 252 FamFG Rn. 11 und § 253 FamFG Rn. 3; MünchKomm-FamFG/Macco 3. Aufl. § 252 Rn. 26 und § 256 Rn. 4; Langheim in Dutta/Jacoby/Schwab FamFG 4. Aufl. § 252 Rn. 22[]
  5. vgl. BGH, Beschluss vom 28.05.2008 XII ZB 34/05 , FamRZ 2008, 1428 Rn. 25[]
  6. BGBl. I S. 666[]
  7. BT-Drs. 13/7338 S. 36[]
  8. vgl. Zöller/Philippi ZPO 22. Aufl. [2001] § 649 Rn. 3; vgl. auch Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 23. Aufl. [2001] § 649 Rn. 1[]
  9. BGBl. I S. 1887, 1905[]
  10. BT-Drs. 14/4722 S. 69, 120[]
  11. vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 02.11.2011 XII ZB 458/10 , FamRZ 2012, 110 Rn. 33[]
  12. vgl. Zöller/Greger ZPO 34. Aufl. § 128 Rn. 18; Saenger/Wöstmann ZPO 9. Aufl. § 128 Rn. 15[]
  13. BGBl. I S. 2586[]
  14. vgl. BT-Drs. 16/6308 S. 261[]
  15. BGBl. I S.2018[]
  16. vgl. BT-Drs. 18/5918 S. 21[]
  17. vgl. BeckOK FamFG/Weber [Stand: 1.04.2022] § 253 Rn. 3; Prütting/Helms/Bömelburg FamFG 5. Aufl. § 253 Rn. 5; Fuhrmann/Forbriger in Schulz/Hauß Familienrecht 3. Aufl. § 253 Rn. 4; Haußleiter/Eickelmann FamFG 2. Aufl. § 253 Rn. 7; Langheim in Dutta/Jacoby/Schwab FamFG 4. Aufl. § 253 Rn. 6[]
  18. vgl. dazu auch BT-Drs. 18/5918 S. 21[]
  19. vgl. BGH, Beschlüsse vom 04.07.2018 XII ZB 240/17 FamRZ 2018, 1593 Rn. 9; und vom 03.11.2021 XII ZB 289/21 FamRZ 2022, 189 Rn. 10[]
  20. OLG Naumburg, Beschluss vom 20.08.2021 – 3 WF 62/21 (VU).[]
  21. vgl. dazu BT-Drs. 18/5918 S. 21; OLG Frankfurt [4. Bundesgerichtshof für Familiensachen] Rpfleger 2018, 84; OLG Dresden FamRZ 2017, 1244; OLG Frankfurt [5. Bundesgerichtshof für Familiensachen] FamRZ 2018, 115[]
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