Weist die Mutter eines volljährigen Kindes, die über eine Vorsorgevollmacht verfügt, das Krankenhaus, auf dessen Intensivstation das entscheidungsunfähige Kind behandelt wird, unter Gebrauch der Vollmacht an, dem Vater des Kindes den Besuch zu untersagen, kann der Vater u.U. ein Besuchsrecht durch einstweilige Verfügung gegen die Mutter durchsetzen.

Die Mutter war nach Ansicht des Amtsgerichts Ellwangen aufgrund der ihr erteilten General- und Vorsorgevollmacht nicht berechtigt, ein solches Besuchs- und Informationsverbot zu erteilen.
Grundsätzlich darf jeder Mensch allerdings selbst bestimmen, welche Personen er als Besucher duldet, auch dann, wenn er sich nicht in seinem geschützten Eigentum aufhält, sondern etwa in einem Krankenhaus. Dieses Recht folgt aus dem aus Art. 2 Abs. 1 GG abgeleiteten allgemeinen Persönlichkeitsrecht, welches durch die Verfassung zwar zunächst nur gegenüber staatlichen Eingriffen geschützt ist, über die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte von den Gerichten aber auch bei der Auslegung zivilrechtlicher Normen, etwa § 823 BGB, berücksichtigt werden muss. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist als „sonstiges Recht“ i. S. d. 823 Abs. 1 BGB anerkannt1. Gegenstand des allgemeinen Persönlichkeitsrechts muss auch die Befugnis sein, Personen aus dem unmittelbaren Nähebereich, insbesondere der Intimsphäre, fernzuhalten. Auch wenn es sich bei Krankenhäusern grundsätzlich um öffentliche Einrichtungen handelt, die im Rahmen der Hausordnung frei zugänglich sind, muss der Patient aufgrund seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch das Recht haben, Personen den Zutritt zu seinem Zimmer zu versagen, die nach den allgemeinen Regeln in dem Krankenhaus grundsätzlich zutrittsberechtigt gewesen wären. Gerade ein Krankenzimmer ist als besonders intimer Bereich anzusehen. Im Rahmen des Krankenhausvertrags ist die Einrichtung auch verpflichtet, diesen Vorstellungen des Patienten Geltung zu verschaffen, zum einen, weil sich der Patient mit Abschluss des Krankenhausvertrags in die Obhut der Einrichtung begibt, wo er sich oft in einer mehr oder weniger hilflosen Lage befindet, sich nicht ohne Weiteres entfernen kann, andererseits aber auch kein Hausrecht hat, und zum anderen, weil ungebetene Besucher sich oft auch nachteilig auf das Wohlbefinden des Patienten und damit den Heilungserfolg auswirken können. Deshalb hat das Krankenhaus den diesbezüglichen Patientenwillen in der Regel zu beachten und ihm, soweit der Patient dazu nicht selbst in der Lage ist, auch durchzusetzen bzw. den Patienten bei der Durchsetzung zu unterstützen. Auch die staatliche Gewalt, insbesondere die Gerichte haben bei der Anwendung des Zivilrechts diese aus dem Grundgesetz abgeleitete Rechtsposition eines Menschen zu beachten.
Der Sohn der Parteien ist derzeit auch nicht in der Lage, einen Willen dahingehend kundzutun, wer ihn in dem Krankenhaus besuchen können soll. Nach Auffassung des Gerichts war deshalb die Antragsgegnerin aufgrund der dem Gericht vom Universitätsklinikum überlassenen Kopie der General- und Vorsorgevollmacht grundsätzlich auch berechtigt, für den Sohn der Parteien insoweit zu handeln. Neben der Wahrnehmung vermögensrechtlicher Angelegenheiten umfasst die Vollmachtsurkunde ausdrücklich auch persönliche Angelegenheiten, insbesondere im Bereich der Gesundheitsfürsorge und der Aufenthaltsbestimmung. Dazu heißt es auch wörtlich: „In allen Angelegenheiten ist der Bevollmächtigte befugt, meine Rechte gegenüber Ärzten, Krankenhäusern, Pflegeheimen usw. wahrzunehmen, Einsicht in meine Krankenakten zu nehmen und alle nötigen Auskünfte und Informationen zu verlangen ….“. Nach Auffassung des Amtsgerichts Ellwangen ist davon grundsätzlich auch eine Vertretungsmacht im Hinblick auf Besuchsrechte und Erteilung ärztlicher Informationen umfasst.
Diese Vertretungsmacht hat ihre Grenzen allerdings in dem tatsächlich geäußerten oder mutmaßlichen Willen des Vollmachtgebers sowie in der Sittenordnung (§ 138 BGB) und den zivilrechtlichen Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Die Vollmacht wird als durch Rechtsgeschäft erteilte Vertretungsmacht durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung begründet2. Als solche ist sie nach § 133 BGB auslegungsfähig. Es ist zu erforschen, was der Vollmachtgeber bei Erteilung der Vollmacht im Sinn hatte. Die Erteilung der Vollmacht schloss sich der Beendigung einer zuvor bestehenden gesetzlichen Betreuung des Sohnes der Parteien aufgrund eines Alkoholproblems an. Es ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin für den Fall der Einsichts- oder Handlungsunfähigkeit ihres Sohnes aufgrund der Alkoholproblematik für dessen Wohl rechtsgeschäftlich sollte sorgen und dabei auch seine persönlichen Interessen vertreten können. Insbesondere, da die vorliegende Vorsorgevollmacht auch den persönlichen Bereich umfasst, ist sie umso mehr im Sinne des tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen des Sohnes der Parteien auszulegen. Dieser ist dem Gericht letztendlich nicht bekannt. Aus der eidesstattlichen Versicherung des Antragstellers ergibt sich aber, dass der zuletzt beim Antragsteller, nunmehr aber selbständig lebende Sohn der Parteien zu beiden Eltern gleichermaßen intensiven Kontakt hatte. Wie bereits der erste Anschein spricht auch dies dafür, dass das Interesse des Sohnes der Parteien, insbesondere in dieser Notlage, dahin ging, von beiden Eltern besucht und betreut zu werden. Daraus, dass der Sohn der Parteien lediglich der Antragsgegnerin die Vollmacht erteilte, nicht jedoch dem Antragsteller, können bereits deshalb keine anderweitigen Schlüsse gezogen werden, weil er zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung noch im Haushalt der Antragsgegnerin lebte und erst im Jahre 2012 auf eigenen Wunsch zum Antragsteller zog. Von ihrer rechtsgeschäftlichen Vollmacht durfte die Antragsgegnerin also im Interesse des Sohnes nur im Rahmen der guten Sitten und nach dem Gebot von Treu und Glauben (§§ 138, 242 BGB) Gebrauch machen, nicht jedoch zur Durchsetzung persönlicher Interessen. Nachdem vorliegend keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass ein Besuch des Antragstellers und eine Auskunftserteilung an diesen dem von der Antragsgegnerin zu vertretenden Wohl des Sohnes der Parteien entgegensteht, geht das Gericht von einem Missbrauch der Vollmacht aus. Ein Anruf beim zuständigen Arzt hat ergeben, dass jedenfalls keine medizinischen Gesichtspunkte gegen einen solchen Besuch sprechen.
Allerdings betrifft der Missbrauch der Vollmacht zunächst nur das Verhältnis zwischen der Antragsgegnerin und ihrem Sohn. Es kommt darauf an, ob sie diesen gegenüber dem Krankenhaus bei Erteilung des Besuch- und Informationsverbots wirksam vertreten hat. Dabei muss das Gericht hier die Frage nicht entscheiden, ob die Willenserklärung gegenüber dem Krankenhaus bereits wegen offensichtlichen Vollmachtmissbrauchs unwirksam ist. Jedenfalls ist die Antragsgegnerin nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand gegenüber dem Universitätsklinikum zum Widerruf der den Interessen des Sohnes zuwiderlaufenden Erklärung verpflichtet.
Darüber hinaus geht das Gericht aber auch von einem unmittelbaren Anspruch des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin aus. Zunächst ist allerdings ein diesbezügliches Rechtsverhältnis zwischen den Parteien nicht ohne Weiteres erkennbar. Insbesondere kann es bei dem volljährigen Kind der Parteien nicht mehr um ein familienrechtliches Sorge- oder Umgangsrecht gehen.
Nun erscheint es aber legitim, für den vorliegenden Fall aus dem eigentlich nur den Eigentumsschutz betreffenden § 1004 BGB einen Störungsbeseitigungsanspruch zu konstruieren. So hat etwa das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 25.10.2005, 1 BvR 1696/98, einen auf § 1004 BGB basierenden Unterlassungsanspruch aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG unter Berücksichtigung der §§ 823 Abs. 2 BGB und 186 StGB hergeleitet. Der BGH hat § 1004 BGB im Urteil vom 15.12.2005, III ZR 10/05, im Lichte des Art. 4 GG geprüft. Zwar wird die Anwendung des § 1004 BGB außerhalb von Eigentumsverletzungen regelmäßig über § 823 Abs. 2 BGB gerechtfertigt, in Verbindung mit einem Schutzgesetz. Ein einfach gesetzliches Schutzgesetz, welches den Umgang eines Elternteils mit einem volljährigen Kind regelt, ist dem Gericht jedoch nicht bekannt. Es sieht sich aber veranlasst, hier unmittelbar auf Art. 6 GG zurückzugreifen. Das Bundesverfassungsgericht hat im Beschluss vom 18.04.1989, 2 BvR 1169/84, ausdrücklich auch die Beziehung der Eltern zu ihren volljährigen Kindern in den Schutzbereich dieses Grundrechts einbezogen, wenn auch nach dem Auszug des Kindes aus dem Elternhaus die ursprüngliche Erziehungsgemeinschaft zu einer bloßen Begegnungsgemeinschaft mit gelegentlichem Umgang werden kann. Jedenfalls biete die Familie erwachsenen Familienmitgliedern aber immer noch Raum für Ermutigung und Zuspruch und festige die Fähigkeit zu verantwortlichem Leben in der Gesellschaft. Auch für den Erwachsenen sei die Familie eine Gemeinschaft, die der auf Dialog angelegten geistigen Natur des Menschen entspreche.
Wenn auch damit die Schutzpflicht des Staates in Bezug auf Ehe und Familie im Verhältnis zwischen Eltern und ihren volljährigen Kindern schwächer ausgeprägt sein kann, als bei der zusammen wohnenden Kernfamilie mit minderjährigen Kindern, so hat doch der Staat auch in diesem Bereich die noch bestehenden, lockerer werdenden Beziehungen zu schützen und durchzusetzen. Gerade die Verwirklichung, auch im Verhältnis zwischen Eltern und ihren volljährigen Kindern, als verfassungsrechtlich schützenswert angesehenen Elemente des familiären Zusammenlebens wie die Erteilung von Ermutigung und Zuspruch macht es im vorliegenden Fall erforderlich, einen Rechtsanspruch des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin anzunehmen. So kann auch Art. 6 GG in das Zivilrecht ausstrahlen, wenn anderenfalls keine Möglichkeit besteht, den Schutz des Mindeststandards der familiären Beziehungen durchzusetzen. Dies rechtfertigt es im vorliegenden Fall nach Auffassung des Gerichts, auch ohne Verletzung eines einfach gesetzlichen Schutzgesetzes auf § 1004 BGB in entsprechender Anwendung zurückzugreifen.
Schuldnerin des Unterlassungsanspruchs ist vorliegend die Antragsgegnerin als Handlungsstörerin, weil es auf ihre Willenserklärung zurückzuführen ist, dass dem Antragsteller der Besuch seines Sohnes im Krankenhaus untersagt wird.
Dass diese Untersagung trotz der formellen Stellung der Antragsgegnerin als Vorsorgebevollmächtigte des gemeinsamen Sohnes der Parteien nicht gerechtfertigt war, wurde bereits oben festgestellt. Die Antragsgegnerin hat insoweit die ihr durch die Vollmacht verliehene Rechtstellung missbraucht und muss sich so behandeln lassen, als bestünde eine entsprechende Vertretungsmacht nicht.
Nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Antragsgegner Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Nach § 938 Abs. 1 ZPO hat das Gericht die Anordnung, die zur Erreichung des Zwecks erforderlich ist, nach freiem Ermessen zu bestimmen. Eine wirksame Durchsetzung des Beseitigungsanspruchs ist letztendlich nur durch die Verpflichtung zur Abgabe einer Willenserklärung möglich, die nach § 894 ZPO die Fiktion der Abgabe der Willenserklärung bewirkt. Da § 928 ZPO die Vorschriften über die Zwangsvollstreckung, also auch § 894 ZPO, auf die Vollziehung des Arrests und auch die einstweilige Verfügung für entsprechend anwendbar erklärt, kommt es auf die Rechtskraft eines Urteils für die Fiktionswirkung nicht an. Vielmehr tritt diese Wirkung bereits mit Erlass der einstweiligen Verfügung ein3.
Eine einfache Duldungsverfügung wäre nicht ausreichend gewesen, weil durch die Verhängung von Ordnungsmitteln oder den Einsatz des Gerichtsvollziehers die Rechte des Antragstellers nicht rechtzeitig durchsetzbar wären. Insbesondere könnte der Gerichtsvollzieher die auf Grundlage der Vollmacht abgegebene Erklärung der Antragsgegnerin nicht beseitigen.
Die erforderlichenfalls nach § 892 ZPO durchzusetzende Duldungsanordnung wurde nur ergänzend für den Fall getroffen, dass die Antragsgegnerin versuchen sollte, den Besuch des Antragstellers bei seinem Sohn durch physischen Widerstand zu verhindern. Auf die nicht beantragte Androhung eines Ordnungsmittels wurde aus Praktikabilitätsgründen verzichtet. Darum geht es dem Antragsteller offensichtlich nicht.
Es wurde auch ein Verfügungsgrund glaubhaft gemacht. Der Gesundheitszustand des Sohnes der Parteien ist kritisch. Zumindest noch am xx.xx.2014 bestand Lebensgefahr. Durch das Zuwarten auf einen Termin zur mündlichen Verhandlung in der Hauptsache würde das nach wie vor bestehende Elternrecht des Antragstellers unangemessen beeinträchtigt, der seinen Sohn in der vorliegenden Notlage durch persönliche Anwesenheit unterstützen und bestärken und ihn auch vor dem Hintergrund des lebensbedrohlichen Zustands so schnell wie möglich sehen möchte. Es ist dem Antragsteller nicht zuzumuten, den Ausgang eines ordentlichen Verfahrens abzuwarten, weil sein Elternrecht und auch seine Elternpflicht gerade bei dem akuten Gesundheitszustand seines Sohnes ein Eingreifen erfordert.
Aus denselben Gründen konnte auch eine eilige mündliche Verhandlung nicht abgewartet werden, weshalb ausnahmsweise gemäß, § 937 Abs. 2 ZPO die einstweilige Verfügung wegen besonderer Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung erlassen wurde.
Amtsgericht Ellwangen, Beschluss vom 16. Mai 2014 – 2 C 221/14