Bei der Beurteilung, ob die Übertragung eines Grundstücks durch einen Ehegatten sein Vermögen im Ganzen betrifft, ist ein von ihm vorbehaltenes dingliches Wohnungsrecht als ihm verbliebenes Vermögen zu berücksichtigen.

Ein Ehegatte kann sich nur mit Einwilligung des anderen Ehegatten verpflichten, über sein Vermögen im Ganzen zu verfügen, § 1365 Abs. 1 BGB. Hat er sich ohne Zustimmung des anderen Ehegatten verpflichtet, so kann er die Verpflichtung nur erfüllen, wenn der andere Ehegatte einwilligt. Verfügt ein Ehegatte ohne die erforderliche Zustimmung des anderen Ehegatten über sein Vermögen, so ist auch der andere Ehegatte berechtigt, die sich aus der Unwirksamkeit der Verfügung ergebenden Rechte gegen den Dritten gerichtlich geltend zu machen, § 1368 BGB.
In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall übertrug die Ehefrau das Eigentum an einem Hausgrundstück auf ihre beiden Kinder aus einer früheren Ehe, die Kinder räumten ihr im gleichen Vertrag ein dingliches Wohnrecht an einer Untergeschosswohnung in diesem Haus ein. Die Eigentumsübertragung wie auch die Einräumung des dinglichen Wohnrechts wurden im Grundbuch eingetragen. Der Ehemann berief sich daraufhin auf die Unwirksamkeit dieser Übertragung, da seine Ehefrau ohne seine Zustimmung über ihr Vermögen im Ganzen verfügt habe, und verlangte von den Kindern die Berichtigung des Grundbuchs wegen Unrichtigkeit. Zu Unrecht, wie jetzt der Bundesgerichtshof befand:
Der Ehemann kann sich nicht auf eine Unwirksamkeit der Eigentumsübertragung nach §§ 1365 Abs. 1 Satz 2, 1366 Abs. 4, 1368 BGB berufen.
Die Vorschrift des § 1365 BGB greift nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings nicht nur dann ein, wenn das Geschäft auf die Übertragung des gesamten Vermögens als solches gerichtet ist, sondern auch, wenn ein einzelner Vermögensgegenstand veräußert wird, der im Wesentlichen das ganze Vermögen des Veräußerers darstellt, und wenn der Vertragspartner dies weiß oder zumindest die Verhältnisse kennt, aus denen sich dies ergibt1.
Eine Verfügung über das Vermögen im Ganzen kann dann vorliegen, wenn der Ehegatte bei kleineren Vermögen mit einem oder mehreren Einzelgegenständen mehr als 85 % seines Vermögens überträgt2. Das Berufungsgericht hat unterstellt, dass die übertragenen Werte vor Berücksichtigung des Wohnungsrechts mehr als 85 % des ursprünglichen Vermögens der Ehefrau ausmachten.
Ob bei der Veräußerung eines Grundstücks ein dem Veräußerer im Zuge der Eigentumsübertragung eingeräumtes Wohnungsrecht als diesem verbliebener Vermögenswert zu berücksichtigen ist und eine Verfügung über das gesamte Vermögen ausschließen kann, ist umstritten.
Von Teilen der Rechtsprechung und Literatur wird die Frage verneint. Zur Begründung wird vor allem auf den Zweck der Vorschrift verwiesen, einen (möglichen) Anspruch des anderen Ehegatten auf Zugewinnausgleich zu sichern, der es auch erfordere, dass der Ehegatte einen Vollstreckungszugriff auf das verbliebene Vermögen habe, was beim Wohnungsrecht nicht der Fall sei3.
Von anderen wird die Frage hingegen übereinstimmend mit dem Berufungsgericht bejaht und hierfür auf die Vermögensqualität des Wohnungsrechts hingewiesen4.
Der Bundesgerichtshof stimmte nun der letztgenannten Ansicht zu:
Für die Beurteilung, ob eine Verfügung im Wesentlichen das ganze Vermögen des Ehegatten erfasst, ist die Vermögenslage vor und nach der Verfügung zu betrachten. Während sich vor der Übertragung eines Grundstücks regelmäßig der um valutierende Belastungen verringerte5 Wert des Grundstücks im Vermögen des Ehegatten befand, besteht sein Vermögen nach der Übertragung (allein) in dem dinglichen Wohnungsrecht nach § 1093 BGB.
Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass die Bestellung eines Wohnungsrechts den Vermögenswert des Grundstücks für den Eigentümer mindert, was einer Bewertung zugänglich ist6. Dementsprechend stellt das Wohnungsrecht aufgrund der von ihm gewährleisteten Nutzung auf Seiten des Berechtigten bewertungsfähiges Vermögen dar. Das Wohnungsrecht unterscheidet sich dabei von einer bloß mietvertraglichen Nutzungsberechtigung durch seine Rechtsnatur als dingliches Recht7.
Der Berücksichtigung des Wohnungsrechts steht nicht entgegen, dass dessen Bestellung eine von der Eigentumsübertragung getrennte Verfügung ist. Jedenfalls wenn die zur Eigentumsübertragung und zur Bestellung des Wohnungsrechts erforderlichen Willenserklärungen wie im vorliegenden Fall in einem einheitlichen Vertrag abgegeben werden und miteinander stehen und fallen, hat der Veräußerer den mit dem (Haus-)Grundstück verbundenen Wert bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise8 nicht vollständig aus der Hand gegeben. Dem veräußernden Ehegatten bleibt vielmehr ein Teil des Wertes des zuvor in seinem Eigentum stehenden Grundstücks durch das Wohnungsrecht weiterhin erhalten. Das Wohnungsrecht stellt9 ungeachtet seiner Bezeichnung im Vertrag jedenfalls wirtschaftlich betrachtet keine Gegenleistung für die Eigentumsübertragung dar, die bei der Anwendung von § 1365 BGB unberücksichtigt bliebe10. Es verkörpert vielmehr einen dem Verfügenden in anderer rechtlicher Form verbleibenden Teil des mit dem Hausgrundstück verbundenen Vermögenswertes. Daher kann es auch nicht darauf ankommen, ob das Grundstück vor der Übertragung11 oder erst im Übertragungsvertrag mit einem dinglichen Recht belastet wird12. Schließlich kann in dem Fall, dass der übertragende Ehegatte sich ein Wohnungsrecht vorbehält, nichts grundsätzlich anderes gelten, als wenn ihm ein Wohnungsrecht an einem anderen als dem übertragenen Grundstück zusteht, was zweifelsfrei als Bestandteil des verbleibenden Vermögens zu berücksichtigen wäre.
Dass der andere Ehegatte zur Befriedigung eines Anspruchs auf Zugewinnausgleich nicht im Wege der Vollstreckung auf das Wohnungsrecht zugreifen kann, steht dessen Einbeziehung in den Vermögensvergleich ebenfalls nicht entgegen. Die gesetzliche Regelung in § 1365 BGB unterscheidet nicht danach, ob ein Vermögensgegenstand der Zwangsvollstreckung unterliegt oder nicht. Sie trifft vielmehr eine formalisierte Regelung, die sämtliches Vermögen ohne Rücksicht auf dessen Verwertbarkeit in der Zwangsvollstreckung erfasst und deswegen auch dann eingreift, wenn der Vermögensgegenstand, auf den sich das Geschäft bezieht, nicht Objekt der Zwangsvollstreckung sein kann. Dementsprechend ist die Vorschrift auch dann anwendbar, wenn einem Ehegatten nur das Wohnungsrecht als einziger Vermögensgegenstand zusteht und er über dieses etwa durch Verzicht im Ganzen verfügt.
Eine einschränkende Anwendung der Vorschrift nur auf solche Vermögensgegenstände, die der Zwangsvollstreckung unterliegen, lässt sich auch aus dem Gesetzeszweck nicht begründen. Zwar dient die Regelung auch dem Ziel, den Zugewinnausgleichsanspruch zu sichern13. Darin kann sich ihr Zweck allerdings nicht erschöpfen, weil § 1365 BGB auch in solchen Fällen Anwendung findet, in denen ein Anspruch des anderen Ehegatten auf Zugewinnausgleich offensichtlich nicht gegeben ist. Die Vorschrift soll vielmehr auch das Interesse eines Ehegatten am Erhalt des Familienvermögens schützen14. Im Hinblick auf diesen weiteren Zweck wird nach der Umwandlung von frei verwertbarem Vermögen in ein persönlich gebundenes Nutzungsrecht die dem Gesetz zugrunde liegenden Zielsetzung gewahrt, zumal die wenn auch nur teilweise weitere Nutzung durch die Familie gewährleistet bleibt (§ 1093 Abs. 2 BGB)15. In welchem Umfang dies der Fall ist und ob durch das Wohnungsrecht ein Gesamtvermögensgeschäft ausgeschlossen wird, ist schließlich eine Frage der Bewertung des Wohnungsrechts im Einzelfall. Diese wird im vorliegenden Fall von der Revision nicht angegriffen und lässt auch sonst revisionsrechtlich erhebliche Fehler nicht erkennen.
Für eine einschränkende Auslegung der Vorschrift in dem Sinne, dass von ihr nur solches Vermögen erfasst werden solle, das der Zwangsvollstreckung zugänglich ist, besteht demnach ebenso wenig Veranlassung wie für eine unterschiedliche Beurteilung danach, ob das Wohnungsrecht selbst Gegenstand der Verfügung ist oder ob dieses als ein im Zuge des Geschäfts begründetes (vorbehaltenes) Recht dem verfügenden Ehegatten verbleibt.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 16. Januar 2013 – XII ZR 141/10
- BGH, Urteil in BGHZ 77, 293, 295 = FamRZ 1980, 765; BGHZ 35, 135, 143 = FamRZ 1961, 302 und BGHZ 43, 174, 177 = FamRZ 1965, 258[↩]
- BGH, Urteil in BGHZ 77, 293, 299 = FamRZ 1980, 765, 767; zu größeren Vermögen vgl. BGH, Urteil vom 13.03.1991 XII ZR 79/90 FamRZ 1991, 669[↩]
- OLG Celle FamRZ 1987, 942; OLG Hamm FamRZ 1997, 675 Nießbrauch; OLG München Beschluss vom 16.04.2012 34 Wx 485/11 juris Rn.20; OLG Köln NotBZ 2012, 461; MünchKomm-BGB/Koch 5. Aufl. § 1365 Rn. 16; Erman/Budzikiewicz BGB 13. Aufl. § 1365 Rn. 6; Rauscher Familienrecht 2. Aufl. Rn. 385[↩]
- OLG Koblenz FamRZ 2008, 1078; Staudinger/Thiele BGB [2007] § 1365 Rn. 28 mwN; Palandt/Brudermüller BGB 72. Aufl. § 1365 Rn. 4; Roth in jurisPK-BGB 6. Aufl. § 1365 Rn. 34; MünchKomm-BGB/Gernhuber 3. Aufl. § 1365 Rn. 15[↩]
- BGH, Urteil in BGHZ 77, 293, 296 f. = FamRZ 1980, 765, 766[↩]
- BGH, Urteil vom 12.07.1989 IVb ZR 79/88 FamRZ 1989, 1051, 1052; ebenso BGHZ 123, 93 = FamRZ 1993, 1302; vgl. BGH Urteil vom 23.09.1965 II ZR 60/63 WM 1965, 1245[↩]
- BGH, Urteil vom 12.07.1989 IVb ZR 79/88 FamRZ 1989, 1051, 1052[↩]
- vgl. BGH, Urteile in BGHZ 77, 293, 296 f. = FamRZ 1980, 765, 766; und vom 12.07.1989 – IVb ZR 79/88 FamRZ 1989, 1051, 1052; Staudinger/Thiele BGB [2007] § 1365 Rn. 37 f.[↩]
- entgegen MünchKomm-BGB/Koch 5. Aufl. § 1365 Rn. 16[↩]
- vgl. BGHZ 35, 135 = FamRZ 1961, 302, 305[↩]
- vgl. insoweit schon BGHZ 77, 293 = FamRZ 1980, 765, 766[↩]
- aA OLG Celle FamRZ 1987, 942, 943[↩]
- BGH, Urteile in BGHZ 77, 293, 297 = FamRZ 1980, 765, 766 und BGHZ 101, 225, 228 = FamRZ 1987, 909, 910; BGH Urteil vom 07.10.2011 – V ZR 78/11 FamRZ 2012, 116 Rn. 10[↩]
- BGH, Urteil in BGHZ 101, 225, 228 = FamRZ 1987, 909, 910[↩]
- vgl. MünchKomm-BGB/Gernhuber 3. Aufl. § 1365 Rn. 15[↩]