Der zum Verfahrenspfleger bestellte Rechtsanwalt – und seine Vergütung

Der in einer Betreuungssache zum Verfahrenspfleger bestellte Rechtsanwalt kann gemäß § 1835 Abs. 3 BGB eine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz beanspruchen, soweit er im Rahmen seiner Bestellung solche Tätigkeiten zu erbringen hat, für die ein juristischer Laie in gleicher Lage vernünftigerweise einen Rechtsanwalt zuziehen würde1.

Der zum Verfahrenspfleger bestellte Rechtsanwalt – und seine Vergütung

Dem Aufwendungsersatzanspruch des anwaltlichen Verfahrenspflegers eines mittellosen Betreuten sind im Rahmen der Abrechnung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz die Wertgebühren nach § 49 RVG zugrunde zu legen2.

Nach § 277 Abs. 1 Satz 1 FamFG erhält der Verfahrenspfleger Ersatz seiner Aufwendungen nach § 1835 Abs. 1 bis 2 BGB. Gemäß § 277 Abs. 2 Satz 2 FamFG erhält er neben den Aufwendungen nach Absatz 1 eine Vergütung in entsprechender Anwendung der §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 und 2 des Vormünderund Betreuervergütungsgesetzes (VBVG), wenn die Verfahrenspflegschaft ausnahmsweise berufsmäßig geführt wird. Auf § 1835 Abs. 3 BGB, wonach als Aufwendungen auch solche Dienste des Vormunds oder des Gegenvormunds gelten, die zu seinem Gewerbe oder seinem Beruf gehören, verweist § 277 FamFG zwar nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist diese Vorschrift jedoch auf den anwaltlichen Verfahrenspfleger entsprechend anzuwenden. Dieser kann daher eine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz beanspruchen, soweit er im Rahmen seiner Bestellung solche Tätigkeiten zu erbringen hat, für die ein juristischer Laie in gleicher Lage vernünftigerweise einen Rechtsanwalt zuziehen würde3.

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Hat das Amtsgericht bereits bei der Bestellung des Verfahrenspflegers die Feststellung getroffen, dass dieser eine anwaltsspezifische Tätigkeit ausübt, ist diese Feststellung für das Vergütungsfestsetzungsverfahren bindend4. Andernfalls ist im Vergütungsfestsetzungsverfahren auf entsprechenden Antrag des Verfahrenspflegers anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob dieser im Rahmen seiner Bestellung solche Tätigkeiten zu erbringen hatte, für die ein juristischer Laie in gleicher Lage vernünftigerweise einen Rechtsanwalt zuziehen würde5.

Die Frage, unter welchen Umständen ein Verfahrenspfleger im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt, unter denen ihm eine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zu bewilligen ist, obliegt einer wertenden Betrachtung des Tatrichters. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob der Tatrichter die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt hat, von ihm Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt wurden und er die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat6.

Gemessen hieran ist die tatrichterliche Würdigung, wonach die anwaltliche Verfahrenspflegerin mit der Prüfung der Genehmigungsfähigkeit der bereits erklärten bzw. noch beabsichtigten Erklärungen des Betreuers zur Löschung des im Grundbuch zugunsten der Betroffenen eingetragenen Wohnungsrechts und der eingetragenen Erwerbsvormerkung eine anwaltsspezifische Tätigkeit ausgeübt hat, für den Bundesgerichtshof aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Der Vergütungsanspruch der Verfahrenspflegerin ist jedoch auf die Wertgebühren nach § 49 RVG beschränkt.

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Der Bundesgerichtshof hat zum Aufwendungsersatzanspruch eines zum Berufsbetreuer bestellten Rechtsanwalts, der anwaltsspezifische Dienste für einen mittellosen Betreuten erbracht hat, entschieden, dass die Vergütung, die nach §§ 1835 Abs. 3, 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB abgerechnet werden kann, auf die Höhe der Gebühren beschränkt ist, die im Rahmen der Beratungs- oder Verfahrenskostenhilfe verlangt werden können7. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist auch der Aufwendungsersatzanspruch des anwaltlichen Ergänzungspflegers eines mittellosen Pfleglings nach §§ 1915 Abs. 1, 1835 Abs. 3 BGB im Rahmen der Abrechnung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz auf die Gebührensätze der Beratungshilfe beschränkt8. Beiden Entscheidungen liegt im Wesentlichen der Gedanke zugrunde, dass den Anwaltsbetreuer ebenso wie den anwaltlichen Ergänzungspfleger die Pflicht zur kostensparenden Amtsführung trifft und daher für die gerichtliche Vertretung eines mittellosen Betroffenen Verfahrenskostenhilfe und für eine außergerichtliche Tätigkeit Beratungshilfe beantragt werden muss9. Übernimmt er die Vertretung oder Beratung des mittellosen Betreuten oder Pfleglings selbst, rechtfertigt weder das Betreuungs- noch das Pflegschaftsverhältnis eine vergütungsrechtliche Besserstellung gegenüber einem von dem Betroffenen selbst beauftragten Rechtsanwalts. Deshalb ist in diesen Fällen sein Aufwendungsersatzanspruch auf die Wertgebühren nach § 49 RVG beschränkt.

Diese Erwägungen gelten auch für den Aufwendungsersatzanspruch des in einem Betreuungsverfahren bestellten anwaltlichen Verfahrenspflegers, der für den Betreuten eine anwaltsspezifische Dienstleistung erbracht hat10. Auch diesen trifft grundsätzlich die Pflicht zur kostensparenden Amtsführung. Der zum Verfahrenspfleger bestellte Rechtsanwalt kann zwar für den Betreuten keine Verfahrenskosten- oder Beratungshilfe beantragen, weil er – anders als ein Verfahrensbevollmächtigter – nicht Vertreter des Betreuten im Verfahren ist11. Dennoch gilt für ihn auch die allgemeine Verpflichtung eines Rechtsanwalts, jeden erkennbar mittellosen Mandanten auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Verfahrenskosten- oder Beratungshilfe hinzuweisen. Im Übrigen beruht die Rechtsauffassung, dass der anwaltliche Verfahrenspfleger eine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz beanspruchen kann, sofern er im Rahmen seiner Bestellung eine Tätigkeit erbracht hat, für die ein juristischer Laie in gleicher Lage vernünftigerweise einen Rechtsanwalt zuziehen würde, ebenso wie beim Betreuer oder Ergänzungspfleger auf der Erwägung, dass der Betreute – und bei mittellosen Betroffenen die Staatskasse – keinen Vorteil daraus ziehen soll, dass der Verfahrenspfleger zufällig aufgrund einer besonderen beruflichen Qualifikation etwas verrichten kann, wozu ein anderer Verfahrenspfleger berechtigterweise die entgeltlichen Dienste eines Dritten in Anspruch nehmen würde12. Der anwaltliche Verfahrenspfleger wird mit der Möglichkeit, im Rahmen des Aufwendungsersatzanspruchs nach § 1835 Abs. 3 BGB eine rechtsanwaltsspezifische Tätigkeit nach anwaltlichem Gebührenrecht abrechnen zu können, so gestellt, als wäre er von dem Betreuten unmittelbar beauftragt worden. Er soll damit aber keine Besserstellung gegenüber einem Rechtsanwalt erfahren, der nicht gleichzeitig zum Verfahrenspfleger bestellt wurde. Ist der Betreute mittellos, könnte der Rechtsanwalt auch bei einer direkten Beauftragung keine höheren Gebühren geltend machen als diejenigen, die er als ein im Wege der Verfahrenskostenhilfe beigeordneter Rechtsanwalt gemäß § 49 RVG oder im Rahmen der Beratungshilfe erhält. Allein der Umstand, dass der Rechtsanwalt die anwaltsspezifische Dienstleistung im Rahmen seiner Tätigkeit als vom Betreuungsgericht bestellter Verfahrenspfleger erbracht hat, rechtfertigt es nicht, ihm bei einem mittellosen Betreuten aus der Staatskasse eine darüberhinausgehende Vergütung zu gewähren.

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Im vorliegenden Fall konnte daher die anwaltliche Verfahrenspflegerin auf der Grundlage eines zutreffenden Verfahrenswerts von 250.000 € und unter Berücksichtigung der Wertgebühren nach § 49 RVG  eine 1, 3-fache Gebühr nach RVG-VV Nr. 2300 in Höhe von 581, 10 €, die Auslagenpauschale nach RVG-VV Nr. 7002 in Höhe von 20 € sowie die auf den Nettobetrag von 601, 10 € entfallende Umsatzsteuer von 19 % (RVG-VV Nr. 7008), also insgesamt eine Vergütung von 715, 31 € verlangen.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16. Dezember 2020 – XII ZB 410/20

  1. im Anschluss an BGH, Beschluss vom 23.07.2014 – XII ZB 111/14 , FamRZ 2014, 1629[]
  2. Fortführung von BGH, Beschluss vom 04.12.2013 – XII ZB 57/13 FamRZ 2014, 472[]
  3. BGH, Beschlüsse vom 23.07.2014 – XII ZB 111/14 , FamRZ 2014, 1629 Rn. 10; vom 27.06.2012 – XII ZB 685/11 , FamRZ 2012, 1377 Rn. 7; und vom 17.11.2010 – XII ZB 244/10 , FamRZ 2011, 203 Rn. 12 ff.[]
  4. BGH, Beschlüsse vom 12.09.2012 – XII ZB 543/11 , FamRZ 2012, 1866 Rn. 9; und vom 17.11.2010 – XII ZB 244/10 , FamRZ 2011, 203 Rn. 17[]
  5. BGH, Beschlüsse vom 23.07.2014 – XII ZB 111/14 , FamRZ 2014, 1629 Rn. 12 f.; vom 27.06.2012 – XII ZB 685/11 , FamRZ 2012, 1377 Rn. 7; und vom 17.11.2010 – XII ZB 244/10 , FamRZ 2011, 203 Rn. 13[]
  6. vgl. BGH, Beschluss vom 26.10.2011 – XII ZB 312/11 , FamRZ 2012, 113 Rn. 10 mwN zur Betreuervergütung[]
  7. BGH, Beschluss vom 20.12.2006 – XII ZB 118/03 , FamRZ 2007, 381, 384[]
  8. BGH, Beschluss vom 04.12.2013 – XII ZB 57/13 , FamRZ 2014, 472 Rn. 15[]
  9. vgl. BGH, Beschlüsse vom 04.12.2013 – XII ZB 57/13 , FamRZ 2014, 472 Rn. 15; und vom 20.12.2006 – XII ZB 118/03 , FamRZ 2007, 381, 382 mwN[]
  10. vgl. Keidel/Giers FamFG 20. Aufl. § 277 Rn. 12; Prütting/Helms/Fröschle FamFG 5. Aufl. § 277 Rn. 59; Schulte-Bunert/Weinreich/Dodegge FamFG 6. Aufl. § 277 Rn. 9[]
  11. vgl. etwa BGH, Beschluss vom 02.10.2019 – XII ZB 118/19 , FamRZ 2020, 127 Rn. 7[]
  12. vgl. BGH, Beschluss vom 20.12.2006 – XII ZB 118/03 , FamRZ 2007, 381 f.[]
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