Die mit dem nachehezeitlich eingetretenen Versorgungsfall einhergehende Unverfallbarkeit der auf der allgemeinen Lohnentwicklung beruhenden Anwartschaftsdynamik einer endgehaltsbezogenen betrieblichen Altersversorgung gehört zu den auf den Ehezeitanteil zurückwirkenden tatsächlichen Änderungen, die im Zeitpunkt der letzten Tatsachenentscheidung über den Wertausgleich bei der Scheidung zu berücksichtigen sind1.

Nach § 51 Abs. 1 VersAusglG ändert das Gericht eine Entscheidung über einen öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleich, die nach dem bis zum 31.08.2009 geltenden Recht getroffen worden ist, bei einer wesentlichen Wertänderung auf Antrag ab, indem es die in den Ausgleich einbezogenen Anrechte nach den §§ 9 bis 19 VersAusglG teilt. Wesentlich ist die Wertänderung nach § 51 Abs. 2 VersAusglG, wenn hinsichtlich eines Anrechts die Voraussetzungen des § 225 Abs. 2 und 3 FamFG erfüllt sind.
Gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 VersAusglG ist bei einem Anrecht der betrieblichen Altersvorsorge eine Abänderung nach § 51 Abs. 1 VersAusglG auch dann zulässig, wenn sich der vor der Umrechnung ermittelte Wert des Ehezeitanteils wesentlich von dem dynamisierten und aktualisierten Wert unterscheidet. Die Aktualisierung erfolgt dabei nach § 51 Abs. 3 Satz 2 VersAusglG mithilfe der aktuellen Rentenwerte der gesetzlichen Rentenversicherung. Wesentlich ist der Wertunterschied insoweit gemäß § 51 Abs. 3 Satz 3 VersAusglG, wenn er mindestens 2 Prozent der zum Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblichen monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV beträgt.
In den Fällen des § 51 Abs. 3 VersAusglG ist die Abänderung des öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleichs nach § 51 Abs. 4 VersAusglG allerdings dann ausgeschlossen, wenn für ein Anrecht nach einem Teilausgleich gemäß § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG noch Ausgleichsansprüche nach der Scheidung gemäß §§ 20 bis 26 VersAusglG geltend gemacht werden können. Dann hat die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs Vorrang gegenüber der Totalrevision nach § 51 Abs. 3 VersAusglG2.
Verschließt wie hier § 51 Abs. 4 VersAusglG einen Einstieg in die Totalrevision nach neuem Recht unter den Voraussetzungen des § 51 Abs. 3 VersAusglG, kann die Ausgangsentscheidung auch in Fällen des erweiterten Splittings mit schuldrechtlichem Restausgleich gleichwohl abgeändert werden, wenn eine wesentliche Wertänderung des betrieblichen Anrechts eine Abänderung nach § 51 Abs. 1 VersAusglG gestattet3.
Dies gilt auch in den Fällen, in denen ein endgehaltsbezogenes Versorgungsanrecht wegen seiner verfallbaren Einkommensdynamik nach altem Recht teilweise dem schuldrechtlichen Restausgleich vorbehalten war und ein im Sinne von § 51 Abs. 2 VersAusglG, § 225 Abs. 2 und 3 FamFG wesentlicher Wertzuwachs dieses Anrechts mit der nachehezeitlich eingetretenen Unverfallbarkeit seiner Einkommensdynamik einhergeht4. Denn auch Anrechte, die unter der Geltung des alten Rechts aus rechtlichen Gründen nur teilweise in den öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleich einbezogen werden konnten, sind im Sinne des § 51 Abs. 1 VersAusglG „einbezogene Anrechte“ mit der Folge, dass sie bei einer Totalrevision vollständig über § 51 Abs. 1 VersAusglG ausgeglichen werden können5.
Auf dieser rechtlichen Grundlage war in dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Streitfall eine Abänderung der Verbundentscheidung über den Versorgungsausgleich nach § 51 Abs. 1 VersAusglG zulässig:
So waren hier die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 51 Abs. 3 VersAusglG hinsichtlich des Anrechts des ExEhemannes bei seiner früheren Arbeitgeberin erfüllt. Da in der Verbundentscheidung der der Höhe nach noch verfallbare Anteil des Anrechts konkludent6 dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten wurde, kann die Antragstellerin insoweit noch Ausgleichsansprüche nach der Scheidung gemäß §§ 20 bis 26 VersAusglG geltend machen7. Damit ist der Einstieg in die Totalrevision nach §§ 51 Abs. 3 und 4 VersAusglG vorliegend verschlossen. Da die Wertänderung des Anrechts des Antragsgegners aber auch dann wesentlich im Sinne von § 51 Abs. 1 und 2 VersAusglG, § 225 Abs. 2 und 3 FamFG ist, wenn in richtiger Weise die monatlichen Rentenbeträge verglichen werden8, ist vorliegend eine Abänderung nach § 51 Abs. 1 VersAusglG eröffnet.
Bei der Berechnung der Wertänderung gemäß § 51 Abs. 2 VersAusglG, § 225 Abs. 2, 3 FamFG ist im Ausgangspunkt die Anwartschaftsdynamik bis zum Renteneintritt zu berücksichtigen. Insoweit sind nach § 41 Abs. 2 VersAusglG die tatsächlichen Werte einer laufenden Versorgung auch dann anzusetzen, wenn die Leistungsphase wie hier erst nach Ehezeitende begonnen hat. Maßgeblich ist der Ehezeitanteil der Rente und nicht derjenige der bei Ehezeitende noch bestehenden Anwartschaft9.
Wie der Bundesgerichtshof zwischenzeitlich entschieden hat, gehört auch die mit dem nachehezeitlich eingetretenen Versorgungsfall einhergehende Unverfallbarkeit der Anwartschaftsdynamik einer endgehaltsbezogenen Versorgung zu den auf den Ehezeitanteil zurückwirkenden tatsächlichen Änderungen im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG iVm § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG, die im Zeitpunkt der letzten Tatsachenentscheidung über den Wertausgleich bei der Scheidung zu berücksichtigen sind10.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung ist zwar das Ende der Ehezeit (§§ 5 Abs. 2 Satz 1, 1 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG)11. Rechtliche oder tatsächliche Veränderungen nach dem Ende der Ehezeit, die auf den Ehezeitanteil zurückwirken, sind nach § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG aber zu berücksichtigen. Dem wird bei einer laufenden Rente dadurch Rechnung getragen, dass der Ehezeitanteil der tatsächlich erzielten Rente ausgeglichen wird.
Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, ist die zwischen Ehezeitende und Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich eingetretene oder noch zu erwartende Barwertminderung des zu teilenden Anrechts grundsätzlich im Wege eines gleichmäßigen Abzugs auf beide Ehegatten zu verteilen. Um dies zu bewirken, hat es der Bundesgerichtshof im Ausgangspunkt gebilligt, den Ausgleichswert anhand des noch vorhandenen restlichen Barwerts des Anrechts zeitnah zur Entscheidung über den Versorgungsausgleich oder vorausschauend auf den Zeitpunkt der mutmaßlichen Rechtskraft zu ermitteln12.
Zwar hat im hier entschiedenen Streitfall die ehemalige Arbeitgeberin mitteilen lassen, dass sich der Barwert des Anrechts vom Rentenbeginn bis zum 31.12 2014 nicht vermindert, sondern im Gegenteil als Folge einer Absenkung des Rechnungszinses leicht erhöht hat. Dies vermag indessen nicht den Schluss zu rechtfertigen, dass auch weiterhin keine Barwertminderung eingetreten oder zu erwarten ist.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24. April 2019 – XII ZB 185/16
- im Anschluss an BGH, Beschluss BGHZ 218, 44 = FamRZ 2018, 894[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 09.05.2018 XII ZB 391/17 FamRZ 2018, 1233 Rn. 16; und vom 24.06.2015 XII ZB 495/12 FamRZ 2015, 1688 Rn. 12, 20[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 09.05.2018 XII ZB 391/17 FamRZ 2018, 1233 Rn. 26 f.; und vom 24.06.2015 XII ZB 495/12 FamRZ 2015, 1688 Rn. 28 f. mwN[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 09.05.2018 XII ZB 391/17 FamRZ 2018, 1233 Rn. 27; und vom 24.06.2015 XII ZB 495/12 FamRZ 2015, 1688 Rn. 29[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 09.05.2018 XII ZB 391/17 FamRZ 2018, 1233 Rn. 26; und vom 24.06.2015 XII ZB 495/12 FamRZ 2015, 1688 Rn. 27 mwN[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 09.05.2018 XII ZB 391/17 FamRZ 2018, 1233 Rn. 22; und vom 24.06.2015 XII ZB 495/12 FamRZ 2015, 1688 Rn. 21 mwN[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 09.05.2018 XII ZB 391/17 FamRZ 2018, 1233 Rn. 24; und vom 24.06.2015 XII ZB 495/12 FamRZ 2015, 1688 Rn. 14 mwN[↩]
- vgl. dazu BGH, Beschluss vom 24.06.2015 XII ZB 495/12 FamRZ 2015, 1688 Rn. 32[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 25.04.2007 XII ZB 206/06 FamRZ 2007, 1084 Rn. 10 zu einer Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes[↩]
- BGH, Beschluss BGHZ 218, 44 = FamRZ 2018, 894 Rn. 22 ff. mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 03.02.2016 XII ZB 313/15 FamRZ 2016, 791 Rn. 22[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse BGHZ 209, 32 = FamRZ 2016, 775 Rn. 36 ff., 55; und vom 24.08.2016 XII ZB 84/13 FamRZ 2016, 2000 Rn. 22[↩]
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