Der güterrechtliche Ausgleich zwischen Ehegatten, die bei Eheschließung die jugoslawische Staatsangehörigkeit besaßen und mit dem Zerfall des jugoslawischen Staates Staatsangehörigkeiten unterschiedlicher Nachfolgestaaten erworben haben, richtet sich nach der Teilrechtsordnung, mit der die Beteiligten bei der Eheschließung am engsten verbunden waren. Das interlokale Privatrecht des früheren jugoslawischen Gesamtstaats ist für die Bestimmung des anwendbaren Rechts nicht heranzuziehen.

Stellt das internationale Privatrecht des maßgeblichen Nachfolgestaates für die Bestimmung des anwendbaren Rechts mangels gemeinsamer Staatsangehörigkeit auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten ab und befand sich dieser bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung in Deutschland, so ist die Rückverweisung auf das deutsche Sachrecht zu beachten.
Der Zugewinnausgleich beurteilt sich in diesem Fall nach deutschem materiellen Recht.
Nach Art. 220 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, S. 2, Art. 15 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB unterliegen die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe in erster Linie dem Recht des Staates, dem die Ehegatten bei Eheschließung angehörten. Das Güterrechtsstatut ist unwandelbar1.
Bei Eheschließung im Jahr 1982 verfügten in dem hier vom Oberlandesgericht Stuttgart entschiedenen Fall beide Ehegatten über die jugoslawische Staatsangehörigkeit, weshalb das Recht des jugoslawischen Staates anzuwenden wäre. Nachdem dieser nachträglich in mehrere Teilrechtsordnungen zerfallen ist, stellt sich die Frage, welche der Nachfolgerechtsordnungen Jugoslawiens maßgeblich ist. Diese Frage ist in analoger Anwendung von Art. 4 Abs. 3 S. 2 EGBGB zu beantworten2. Gegen die Anwendung des gesamtstaatlichen interlokalen Privatrechts spricht, dass es sich nach dem Zerfall des jugoslawischen Staates um „totes Recht“ handelt, das keine Anwendung mehr beanspruchen kann3. Maßgeblich ist demnach, mit der Rechtsordnung welcher der Nachfolgestaaten der Sachverhalt am engsten verbunden ist.
Während die Antragstellerin nach dem Zerfall Jugoslawiens nach ihren Angaben die bosnische Staatsangehörigkeit erhalten hat, besaß der Antragsgegner diejenigen von Serbien und Montenegro. Eine gemeinsame Staatsangehörigkeit der Beteiligten eines der Nachfolgestaaten Jugoslawiens lag daher nicht vor. Nachdem keine sonstigen Umstände bekannt sind, spricht für die engste Verbindung der Ehegatten mit Serbien und Montenegro, dass die gemeinsamen Kinder … und … ebenfalls die serbische und die montenegrinische Staatsangehörigkeit besaßen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Serbien und Montenegro mittlerweile ebenfalls selbstständige Staaten sind. Der Umstand, dass der Antragsgegner in Belgrad geboren ist und seine Eltern nach Erreichen des Rentenalters im Jahre 1996 nach Serbien zurückgekehrt sind spricht wegen Fehlens anderweitiger Anhaltspunkte für die engste Verbindung mit Serbien.
Aufgrund einer Rückverweisung des serbischen internationalen Privatrechts kommt im Ergebnis deutsches Sachrecht zur Anwendung (vgl. Art. 4 Abs. 1 EGBGB). Eine Rückverweisung ist auch bei einer Anknüpfung nach Art. 4 Abs. 3 S. 2 EGBGB nicht ausgeschlossen4.
Das serbische Gesetz über die Regelung der Kollision von Gesetzen mit den Vorschriften anderen Staaten in bestimmten Verhältnissen vom 15.07.1982 (im Folgenden: sIPRG) bestimmt in Art. 36 Abs. 1 für die persönlichen Beziehungen und die gesetzlichen Vermögensbeziehungen der Ehegatten in erster Linie die Maßgeblichkeit des Rechts des Staates, dessen Staatsangehörige sie sind. Das Kollisionsrecht ist so anzuwenden, wie es heute in dem maßgeblichen Nachfolgestaat angewendet würde5. Aus der Perspektive des serbischen Kollisionsrechts verfügte die Antragstellerin über die bosnische und der Antragsgegner über die serbische und montenegrinische Staatsangehörigkeit. In Ermangelung einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit wäre auf das nach Art. 36 Abs. 2 sIPRG in zweiter Linie zur Anwendung berufene Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten abzustellen. Dies führt zur Anwendbarkeit deutschen Rechts, da die Ehegatten bei Eheschließung bereits ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten6.
Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 9. Februar 2015 – 17 WF 172/14
- Palandt-Thorn, BGB, 74. Aufl.2015, Art. 15 EGBGB Rn. 3[↩]
- Grosserichter/Bauer, RabelsZ 2001, 201, 214; Palandt-Thorn, a.a.O. Art. 4 EGBGB Rn. 12 a.E.; im Ergebnis, nach Prüfung des gesamtstaatlichen interlokalen Privatrechts, ebenso OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.12.1994, 1 UF 76/94, FamRZ 1995, 1203; anders OLG Frankfurt, Urteil vom 25.02.2000, 5 UF 11/99, IPRax 2001, 140, das bei Eheschließung in Kroatien auf der Grundlage des interlokalen Privatrechts zur Anwendung kroatischen Rechts gelangt[↩]
- Grosserichter/Bauer, a.a.O., S. 214, 217[↩]
- Palandt-Thorn, a.a.O., Art. 4 EGBGB Rn. 13; eine Rückverweisung wird nicht geprüft von OLG Düsseldorf, a.a.O.[↩]
- Grosserichter/Bauer, a.a.O., S. 220[↩]
- vgl. Grosserichter/Bauer, a.a.O., S.206[↩]