Hat ein anwaltlicher Berufsbetreuer einen Anspruch auf einen – nach den Vorschriften der Steuerberatervergütungsverordnung berechneten – Aufwendungsersatz, wenn er die Einkommensteuererklärung für den Betreuten erstellt? Mit dieser Frage hatte sich aktuell der Bundesgerichtshof zu befassen:

Dabei war im hier entschiedenen Fall auf den geltend gemachten Vergütungsanspruch des Betreuers für die im Zusammenhang mit der Erstellung der Steuererklärung und der Prüfung des Einkommensteuerbescheides bis zum April 2022 entfalteten Tätigkeiten noch das bis zum 31.12.2022 geltende Recht anzuwenden1.
Mit der pauschalen Vergütung nach § 1836 Abs. 1 Satz 2 und 3 iVm § 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB aF, §§ 4, 5 VBVG aF ist grundsätzlich die gesamte Tätigkeit des Betreuers abgegolten. Nach § 1835 Abs. 3 iVm § 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB aF kann jedoch ein Betreuer dem Betreuten erbrachte Leistungen, die zu seinem Beruf gehören, als Aufwendungen gesondert geltend machen. Der Betreuer kann daher eine im Rahmen der Betreuung entfaltete Tätigkeit gemäß § 1835 Abs. 3 iVm § 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB aF nach dem für seinen Beruf maßgeblichen Gebührenrecht abrechnen, wenn und soweit sich die zu bewältigende Aufgabe als eine für diesen Beruf spezifische Tätigkeit darstellt. Dieser Vorschrift liegt der Gedanke zugrunde, dass der Betreute und bei mittellosen Betreuten die Staatskasse keinen Vorteil daraus ziehen soll, wenn sein Betreuer aufgrund seiner Spezialkenntnisse etwas verrichten kann, wozu ein anderer Betreuer berechtigterweise gegen Entgelt fremde Hilfe in Anspruch genommen hätte2. Andererseits darf die Einstandspflicht der Staatskasse für den Aufwendungsersatz des Betreuers bei mittellosen Betreuten nicht dazu führen, dass ihnen auf diesem Wege aus öffentlichen Kassen Sozialleistungen gewährt werden, auf die sie als Unbemittelte ohne Einrichtung einer Betreuung keinen Anspruch hätten3. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass das Gericht bereits bei der Betreuerbestellung die Qualifikation des Betreuers berücksichtigt hat und sich diese auf die Höhe der pauschalen Vergütung auswirkt4.
Die Besorgung von Steuerangelegenheiten des Betreuten durch einen Berufsbetreuer gebietet auch mit Blick auf das Steuerberatungsgesetz keine grundlegend abweichende Beurteilung. Die Auffassung der Rechtsbeschwerde, dass Steuererklärungen für den Betreuten nur durch solche Berufsbetreuer abgegeben werden dürften, die nach § 3 Nr. 1 StBerG zur uneingeschränkten Hilfe in Steuersachen befugt seien5, und es deshalb auf die Komplexität der für den Betreuten zu erstellenden Steuererklärung im Einzelfall nicht ankomme, trifft nicht zu.
Ein Betreuer, dem wie hier der Aufgabenbereich der Vermögenssorge übertragen worden ist, hat als gesetzlicher Vertreter (§ 1902 BGB aF, jetzt § 1823 BGB) des Betreuten nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AO dessen steuerliche Verpflichtungen zu erfüllen6. Er hat dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die er verwaltet (§ 34 Abs. 1 Satz 2 AO). Seine Pflicht, die steuerlichen Verpflichtungen des Betreuten zu erfüllen, ist grundsätzlich umfassend. Der Betreuer ist insbesondere zur Abgabe und gegebenenfalls auch zur Berichtigung von Steuererklärungen verpflichtet7.
Ob – wie das hier in der Vorinstanz tätige Landgericht Potsdam8 meint – aus dieser abgabenrechtlichen Pflichtenlage des Betreuers ohne weiteres hergeleitet werden kann, dass er mit der Hilfestellung bei der Steuererklärung für den von ihm gesetzlich vertretenen Betreuten keine fremde, sondern eine eigene Angelegenheit im Sinne des Steuerberatungsgesetzes besorgt, erscheint allerdings zweifelhaft. Denn die Frage, ob eine eigene oder eine fremde Steuerangelegenheit betroffen ist, richtet sich danach, in wessen wirtschaftlichem Interesse die Besorgung der Angelegenheit liegt9.
Indessen verhilft es der Rechtsbeschwerde auch nicht zum Erfolg, wenn man zu ihren Gunsten davon ausgeht, dass ein Berufsbetreuer bei der Erstellung einer Einkommensteuererklärung für seine Betreuten im Rahmen geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen tätig wird und er deshalb hierfür eine Befugnis nach den §§ 2 bis 4 StBerG benötigt.
Denn ein berufsmäßiger Betreuer mit dem Aufgabenbereich Vermögenssorge, der seine (uneingeschränkte) Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen nicht aus § 3 Satz 1 Nr. 1 StBerG herleiten kann, weil er nicht zu den dort genannten Berufsträgern (Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer) gehört, ist jedenfalls nach § 4 Nr. 4 StBerG als berechtigt anzusehen, dem Betreuten Hilfestellung bei dessen eigener Steuererklärung zu geben10. Nach § 4 Nr. 4 StBerG sind Verwalter fremden Vermögens hinsichtlich des von ihnen verwalteten Vermögens zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt. Der Erlaubnistatbestand des § 4 Nr. 4 StBerG ist dabei nicht restriktiv auszulegen11. Verwalten im Sinne dieser Vorschrift bedeutet, die wirtschaftlichen Interessen eines Dritten mit einer gewissen Handlungsfreiheit und für eine gewisse Dauer wahrzunehmen12. Dem entspricht grundsätzlich die Tätigkeit eines Betreuers mit dem Aufgabenbereich der Vermögenssorge, zu dessen gesetzlichen Aufgaben es gehört, das Vermögen des Betreuten wenngleich unter Beachtung bestimmter gesetzlicher Maßgaben (vgl. §§ 1835 ff. BGB) zu verwalten und folglich auch die damit im Zusammenhang stehenden steuerlichen Erklärungen zu erstellen. Wäre demgegenüber § 4 Nr. 4 StBerG auf einen Vermögensbetreuer nicht anwendbar, hätte dies zur Konsequenz, dass ein berufsmäßiger Betreuer, der nicht zu den in § 3 Satz 1 Nr. 1 StBerG genannten Berufsträgern gehört, die ihm persönlich durch § 34 Abs. 1 Satz 1 AO gegenüber der Finanzbehörde auferlegte Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung für den Betreuten nicht erfüllen könnte, ohne zuvor für deren Erstellung die Hilfe eines qualifizierten Dritten in Anspruch nehmen zu müssen. Es ergibt sich nichts für die Annahme, dass eine unterschiedliche Behandlung von Betreuern bei der Erfüllung ihrer aus § 34 Abs. 1 Satz 1 AO erwachsenen Pflichten den Intentionen des Gesetzgebers entsprochen haben könnte.
Das Beschwerdegericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass es auch im Zusammenhang mit der Hilfeleistung bei Steuerangelegenheiten allein auf den konkreten Umfang der Tätigkeit und die mit ihr verbundenen Schwierigkeiten ankommt13. Gemessen daran hat das Beschwerdegericht zu Recht entschieden, dass der Betreuer hier keinen Anspruch auf Aufwendungsersatz nach § 1835 Abs. 3 iVm § 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB aF hat. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts war die Erstellung der Steuererklärung für den Betroffenen weder umfangreich noch schwierig, weil in dieser Erklärung lediglich Renteneinkünfte, Vorsorgeaufwendungen und Pauschbeträge einschließlich des Pauschbetrages für Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen gewesen sind. Die darauf gestützte Annahme, dass ein nicht zu den Berufsträgern nach § 3 Satz 1 Nr. 1 StBerG gehörender Betreuer der höchsten Vergütungsstufe unter diesen Umständen keinen Steuerberater mit der Erstellung der Einkommensteuererklärung für den Betroffenen beauftragt hätte, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Hiergegen erinnert letztlich auch die Rechtsbeschwerde nichts.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19. Juli 2023 – XII ZB 115/23
- vgl. auch BGH, Beschluss vom 01.02.2023 XII ZB 104/22 , FamRZ 2023, 793 Rn. 7[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 30.11.2022 XII ZB 311/22 FamRZ 2023, 470 Rn. 6; und vom 14.05.2014 XII ZB 683/11 FamRZ 2014, 1628 Rn. 10 mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 20.12.2006 XII ZB 118/03 FamRZ 2007, 381, 382[↩]
- vgl. BayObLG FamRZ 2002, 573, 574; Jurgeleit/Maier Betreuungsrecht 5. Aufl. § 1877 BGB Rn. 22; vgl. auch BGH, Beschluss vom 30.11.2022 XII ZB 311/22 FamRZ 2023, 470 Rn. 9[↩]
- ebenso LG Düsseldorf NJW-RR 2008, 1606[↩]
- vgl. BFH Beschluss vom 28.07.2011 – VIII B 18/11 6[↩]
- vgl. FG Rheinland-Pfalz DStRE 2013, 680, 682; Klein/Rätke AO 16. Aufl. § 149 Rn. 3; Koenig/Haselmann AO 4. Aufl. § 149 Rn. 10; Jurgeleit/Kieß Betreuungsrecht 5. Aufl. § 1823 BGB Rn. 117[↩]
- LG Potsdam, Beschluss vo03.03.2023 – 8 T 68/22[↩]
- vgl. BFH Beschluss vom 08.10.2010 – II B 111/10 16[↩]
- vgl. Kuhls/Maxl/Riddermann StBerG 4. Aufl. § 4 Rn. 28; HK-BUR/Bauer/Deinert [Stand: April 2023] § 1823 BGB nF Rn. 13[↩]
- vgl. BFH NJW 2015, 2607 Rn. 8 f.[↩]
- vgl. Erbs/Kohlhaas/Senge/von Galen [Stand: April 2023] StBerG § 4 Rn. 8[↩]
- so auch MünchKomm-BGB/Fröschle 8. Aufl. § 1835 Rn. 40[↩]