Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen einer inhaltlich unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung (hier: unrichtige Belehrung über den Rechtsbehelf gegen einen Versäumnisbeschluss in einer Familienstreitsache) setzt die Kausalität zwischen dem Belehrungsmangel und der Fristversäumung voraus; diese kann bei einem anwaltlich vertretenen Beteiligten entfallen, wenn die durch das Gericht erteilte Rechtsbehelfsbelehrung offenkundig falsch gewesen ist und deshalb – ausgehend von dem bei einem Rechtsanwalt vorauszusetzenden Grundkenntnissen des Verfahrensrechtes und des Rechtsmittelsystems – nicht einmal den Anschein der Richtigkeit zu erwecken vermochte1.

Gegen einen Versäumnisbeschluss in einer Familienstreitsache (§§ 112 Nr. 1, 231 Abs. 1 FamFG) ist nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 338 Satz 1 ZPO allein der Einspruch der statthafte Rechtsbehelf. Nur gegen einen zweiten Versäumnisbeschluss (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 345 ZPO) findet die Beschwerde statt, sofern sie darauf gestützt wird, dass ein Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe (vgl. § 117 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 514 Abs. 1 ZPO). Der Einspruch ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 339 Abs. 1 ZPO innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Versäumnisbeschlusses einzulegen. Diese Voraussetzung ist in dem vorliegend vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall jedoch nicht erfüllt.
Zwar können die formalen Anforderungen an einen Einspruch nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 340 Abs. 2 ZPO auch dann gewahrt sein, wenn in der Einspruchsschrift das Wort „Einspruch“ nicht enthalten ist. Da die Einspruchsschrift einer Auslegung zugänglich ist, genügt es, wenn die säumige Partei unzweideutig zum Ausdruck bringt, dass sie die Versäumnisentscheidung nicht gegen sich gelten lassen will2. Eine entsprechende Auslegung der „Beschwerde“ des Antragsgegners würde jedoch ebenfalls nicht zur Zulässigkeit des Rechtsbehelfs führen, weil jedenfalls die Einspruchsfrist von zwei Wochen gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 339 Abs. 2 ZPO nicht gewahrt ist. Der als „Beschwerde“ bezeichnete Rechtsbehelf ging vorliegend erst nach Ablauf der zweiwöchigen Einspruchsfrist beim Amtsgericht ein.
Die Einspruchsfrist wurde vom Amtsgericht auch nicht – etwa durch die (fehlerhafte) Bennung der Monatsfrist des § 63 Abs. 1 FamFG – gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 339 Abs. 2 ZPO verlängert. Nach § 339 Abs. 2 ZPO hat das Gericht die Einspruchsfrist im Versäumnisurteil oder nachträglich durch besonderen Beschluss zu bestimmen, wenn die Zustellung der Versäumnisentscheidung im Ausland oder durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen soll. Nur aufgrund der Besonderheit dieser beiden Zustellungsarten ermöglicht das Gesetz die Festsetzung einer von § 339 Abs. 1 ZPO abweichenden Einspruchsfrist. Eine analoge Anwendung auf andere Fallkonstellationen lässt die Vorschrift aufgrund ihres Ausnahmecharakters nicht zu. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund der von der Rechtsbeschwerde zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs3. Dort wird zwar ausgeführt, dass aus Gründen des Vertrauensschutzes eine im Versäumnisurteil verlängerte Einspruchsfrist auch dann maßgeblich ist, wenn das Gericht zu Unrecht von der Möglichkeit des § 339 Abs. 2 ZPO Gebrauch gemacht hat. Mit dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt ist der vorliegende Fall indes nicht vergleichbar. Das Amtsgericht hat hier keine bewusste Entscheidung über die Dauer der Einspruchsfrist getroffen, sondern lediglich in der standardisierten Rechtsbehelfsbelehrung fehlerhaft die Monatsfrist des § 63 Abs. 1 FamFG für die Einlegung der Beschwerde genannt. Auch wenn die Rechtsbehelfsbelehrung nach § 39 FamFG formeller Bestandteil des Beschlusses ist4, spricht nichts dafür, dass das Amtsgericht damit verfahrensfehlerhaft die Dauer der Einspruchsfrist abweichend von § 339 Abs. 1 ZPO festsetzen wollte.
Der Bundesgerichtshof versagte auch die Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist:
Richtig ist zwar, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Verpflichtung des Gerichts zur Erteilung einer Rechtsbehelfsbelehrung unterschiedslos für alle nach dem FamFG geführten Verfahren besteht und in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 2 FamFG auch in Ehesachen und Familienstreitsachen ein Fehlen des Verschuldens vermutet wird, wenn die erforderliche Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben, unvollständig oder fehlerhaft ist5. Allerdings kommt auch unter der Geltung des § 17 Abs. 2 FamFG eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann in Betracht, wenn die fehlende oder unvollständige Rechtsbehelfsbelehrung für die Fristversäumnis ursächlich geworden ist. An einer solchen Ursächlichkeit fehlt es in denjenigen Fällen, in denen der Beteiligte wegen vorhandener Kenntnis über seine Rechtsmittel keiner Unterstützung durch eine Rechtsmittelbelehrung bedarf; dies ist bei einem anwaltlich vertretenen Beteiligten regelmäßig der Fall6. Nur für die Fälle einer inhaltlich unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass grundsätzlich auch ein Rechtsanwalt auf die Richtigkeit einer durch das Gericht erteilten Rechtsbehelfsbelehrung vertrauen darf7. Da aber gleichwohl von ihm erwartet werden kann, dass er die Grundzüge des Verfahrensrechts und das Rechtsmittelsystem in der jeweiligen Verfahrensart kennt, kann er das Vertrauen in die Richtigkeit einer Rechtsbehelfsbelehrung nicht uneingeschränkt, sondern nur in solchen Fällen in Anspruch nehmen, in denen die inhaltlich fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung zu einem unvermeidbaren, zumindest aber zu einem nachvollziehbaren und daher verständlichen Rechtsirrtum des Rechtsanwaltes geführt hat8.
Gemessen hieran war die Versäumung der Einspruchsfrist durch den Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners nicht unverschuldet. Von dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners kann die Kenntnis erwartet werden, dass gegen einen Versäumnisbeschluss in Familienstreitsachen der Einspruch der statthafte Rechtsbehelf ist. Dieses Wissen ist zu den verfahrensrechtlichen Grundkenntnissen eines im Familienrecht tätigen Rechtsanwalts zu zählen, zumal das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu dem Zeitpunkt, in dem der Versäumnisbeschluss erging, bereits seit mehreren Jahren in Kraft war und entsprechende Anmerkungen in den Fachkommentaren zur Verfügung standen9.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18. Dezember 2013 – XII ZB 38/13
- im Anschluss an BGH, Beschluss vom 13.06.2012 – XII ZB 592/11 , FamRZ 2012, 1287[↩]
- vgl. BGH Urteil vom 09.06.1994 – IX ZR 133/93 , NJW-RR 1994, 1213[↩]
- BGH, Urteil vom 10.11.1998 – VI ZR 243/97 , NJW 1999, 1187, 1192[↩]
- vgl. Keidel/Meyer-Holz FamFG 18. Aufl. § 39 Rn. 10[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 27.02.2013 – XII ZB 6/13 , FamRZ 2013, 779 Rn. 6; und vom 13.06.2012 – XII ZB 592/11 , FamRZ 2012, 1287 Rn. 7[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 27.02.2013 – XII ZB 6/13 , FamRZ 2013, 779 Rn. 7; vom 13.06.2012 – XII ZB 592/11 , FamRZ 2012, 1287 Rn. 8; und vom 23.06.2010 – XII ZB 82/10 , FamRZ 2010, 1425 Rn. 11[↩]
- BGH, Beschluss vom 13.06.2012 – XII ZB 592/11 , FamRZ 2012, 1287 Rn. 9[↩]
- BGH, Beschluss vom 13.06.2012 – XII ZB 592/11 , FamRZ 2012, 1287 Rn. 9 mwN[↩]
- vgl. etwa Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 33. Aufl. § 117 FamFG Rn. 4; MünchKomm-ZPO/Fischer 3. Aufl. § 117 FamFG Rn. 13; Schulte-Bunert/Weinreich/Unger FamFG 3. Aufl. § 117 Rn. 30[↩]