Die persönliche Qualifikation eines Betreuers

Ein Betreuer ist nur dann geeignet im Sinne des § 1897 Abs. 1 BGB, wenn er neben der fachlichen Qualifikation auch in persönlicher Hinsicht zur Führung der Betreuung geeignet ist.

Die persönliche Qualifikation eines Betreuers

Im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall wendet sich der ehemalige Berufsbetreuer gegen seine Entlassung. Für den Betroffenen wurde im Februar 2011 eine Betreuung mit dem Aufgabenkreis Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern sowie Entscheidung über unterbringungsähnliche Maßnahmen eingerichtet und der Berufsbetreuer bestellt. Im Jahr 2017 wurde bekannt, dass er mit zwei von ihm betreuten Frauen im Zeitraum von 2008 bis 2010 sexuelle Kontakte unterhalten hatte. Ein gegen ihn eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Betreuungsverhältnisses nach § 174 c Abs. 1 StGB wurde wegen eingetretener Verjährung nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Daraufhin hat das Amtsgericht im September 2018 im vorliegenden Fall die bestehende Betreuung verlängert, den Berufsbetreuer entlassen und einen neuen Berufsbetreuer bestellt1. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des bisherigen Berufsbetreuers hat das Landgericht Gera zurückgewiesen2. Der Bundesgerichtshof hob diese Beschwerdeentscheidung nun auf und verwies den Fall zurück an das Landgericht Gera:

Nach § 1897 Abs. 1 BGB ist zum Betreuer eine natürliche Person zu bestellen, die geeignet ist, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betroffenen rechtlich zu besorgen und ihn in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen.

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Die Beurteilung, ob eine bestimmte Person als Betreuer eines konkreten Betroffenen geeignet ist, erfordert die Prognose, ob der potentielle Betreuer voraussichtlich die sich aus der Betreuungsführung und den damit verbundenen Pflichten im Sinne des § 1901 BGB ergebenden Anforderungen erfüllen kann. Diese Prognose muss sich jeweils auf die aus der konkreten Betreuung erwachsenden Aufgaben beziehen und zu der Einschätzung führen, dass die als Betreuer in Aussicht genommene Person das Amt zum Wohl des Betroffenen (§ 1901 Abs. 2 BGB) führen wird3. Für diese Prognoseentscheidung muss sich das Gericht naturgemäß auf Erkenntnisse stützen, die in der – näheren oder auch weiter zurückliegenden – Vergangenheit wurzeln. Soweit es um die Eignung der vorgeschlagenen Person geht, müssen diese Erkenntnisse einen das Wohl des Betroffenen gefährdenden Eignungsmangel auch für die Zukunft und bezogen auf den von der Betreuung umfassten Aufgabenkreis begründen können4.

Die vom Tatrichter vorgenommene Beurteilung der Eignung einer Person als Betreuer kann gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 FamFG im Rechtsbeschwerdeverfahren nur auf Rechtsfehler überprüft werden. Sie ist rechtlich fehlerhaft, wenn der Tatrichter den unbestimmten Rechtsbegriff der Eignung verkennt, relevante Umstände in unvertretbarer Weise bewertet oder bei der Subsumtion wesentliche Umstände unberücksichtigt lässt5. Hingegen sind Angemessenheit und Zweckmäßigkeit der Auswahl der Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich entzogen.

Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass sich der Maßstab für die Betreuerauswahl nicht nur bei der Erstentscheidung, sondern auch bei einer Verlängerung der Betreuung aus § 1897 BGB ergibt. Dies folgt aus dem Rechtscharakter der Verlängerungsentscheidung als erneute vollständige Einheitsentscheidung über die Betreuung und auch daraus, dass nach § 295 Abs. 1 Satz 1 FamFG für die Verlängerung der Bestellung eines Betreuers die Verfahrensvorschriften über die erstmalige Anordnung dieser Maßnahme entsprechend gelten6. Bei der Verlängerungsentscheidung handelt es sich um die erneute Anordnung einer Betreuung einschließlich der Entscheidung über die Person des Betreuers. Die bisherige Betreuung und damit die Bestellung des bisherigen Betreuers enden mit der Wirksamkeit der Verlängerungsentscheidung und werden durch die in dieser getroffenen Anordnungen abgelöst7.

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Soweit das Landgericht den Berufsbetreuer jedoch für die Führung der Betreuung als persönlich ungeeignet hält, ist die Entscheidung nicht frei von Rechtsfehlern.

Nach § 1897 Abs. 1 BGB ist zum Betreuer eine natürliche Person zu bestellen, die geeignet ist, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betroffenen rechtlich zu besorgen und ihn in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen.

Die Beurteilung, ob eine bestimmte Person als Betreuer eines konkreten Betroffenen geeignet ist, erfordert die Prognose, ob der potentielle Betreuer voraussichtlich die sich aus der Betreuungsführung und den damit verbundenen Pflichten im Sinne des § 1901 BGB ergebenden Anforderungen erfüllen kann. Diese Prognose muss sich jeweils auf die aus der konkreten Betreuung erwachsenden Aufgaben beziehen und zu der Einschätzung führen, dass die als Betreuer in Aussicht genommene Person das Amt zum Wohl des Betroffenen (§ 1901 Abs. 2 BGB) führen wird3. Für diese Prognoseentscheidung muss sich das Gericht naturgemäß auf Erkenntnisse stützen, die in der – näheren oder auch weiter zurückliegenden – Vergangenheit wurzeln. Soweit es um die Eignung der vorgeschlagenen Person geht, müssen diese Erkenntnisse einen das Wohl des Betroffenen gefährdenden Eignungsmangel auch für die Zukunft und bezogen auf den von der Betreuung umfassten Aufgabenkreis begründen können4.

Die vom Tatrichter vorgenommene Beurteilung der Eignung einer Person als Betreuer kann gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 FamFG im Rechtsbeschwerdeverfahren nur auf Rechtsfehler überprüft werden. Sie ist rechtlich fehlerhaft, wenn der Tatrichter den unbestimmten Rechtsbegriff der Eignung verkennt, relevante Umstände in unvertretbarer Weise bewertet oder bei der Subsumtion wesentliche Umstände unberücksichtigt lässt5. Hingegen sind Angemessenheit und Zweckmäßigkeit der Auswahl der Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich entzogen.

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Auch mit diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die landgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Nachprüfung aber nicht stand:

Zwar hat das Landgericht den unbestimmten Rechtsbegriff der Eignung iSv § 1897 Abs. 1 BGB nicht verkannt.

Wie im Wortlaut der Vorschrift („rechtlich zu besorgen“, „persönlich zu betreuen“) schon anklingt, enthält der Begriff der Eignung eines Betreuers eine sachliche/fachliche und eine persönliche Komponente. Während die sachliche Eignung in Bezug auf die konkreten Aufgaben, die im Rahmen des gerichtlich festgelegten Aufgabenkreises anfallen können, vorliegen muss, betrifft die persönliche Eignung alle Aufgabenbereiche. Maßgebend für die Eignungsprüfung ist es, ob der Betreuer zur Besorgung der Angelegenheiten des Betroffenen und zu der dafür erforderlichen persönlichen Betreuung in der Lage ist. Wie die persönliche Eignung betrifft auch eine persönliche Unzuverlässigkeit alle Aufgabenbereiche. Denn die in einem Lebensbereich sichtbare Unzuverlässigkeit eines Betreuers begründet Zweifel auch für alle anderen Angelegenheiten. Mithin ist zu unterscheiden, ob der Mangel an Eignung in sachlicher oder in persönlicher Hinsicht besteht8.

Dieses Verständnis des Begriffs der Eignung iSv § 1897 Abs. 1 BGB hat das Landgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt und rechtlich zutreffend zwischen der sachlichen und der persönlichen Eignung des Berufsbetreuers zur (Fort-)Führung der Betreuung differenziert. Die sachliche bzw. fachliche Eignung des Berufsbetreuers wurde vom Landgericht nicht angezweifelt. Vielmehr hat es hierzu ausgeführt, die Führung der Betreuung sei ohne Beanstandungen verlaufen. Das Landgericht hat den Berufsbetreuer jedoch aus persönlichen Gründen für ungeeignet gehalten, das Betreueramt auszuüben.

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Die Erwägungen des Landgerichts zur Betreuerauswahl sind jedoch deshalb rechtsfehlerhaft, weil es für die Auswahlentscheidung relevante Umstände in unvertretbarer Weise bewertet hat.

Zum einen hat das Landgericht dem Umstand, dass die sexuellen Beziehungen des Berufsbetreuers zu den beiden von ihm betreuten Frauen bereits mehr als zehn Jahre zurückliegen und zwischenzeitlich keine weiteren vergleichbaren Vorfälle bekannt geworden sind, keine ausreichende Bedeutung zugemessen, obwohl es im Weiteren festgestellt hat, dass der Berufsbetreuer die ihm übertragenen Betreuungen in fachlich nicht zu beanstandender Weise geführt hat und sich in der Zeit bis zur Beschwerdeentscheidung keinerlei Erkenntnisse für ein erneutes persönliches Fehlverhalten des Berufsbetreuers ergeben haben. Zum anderen hat das Landgericht nicht ausreichend berücksichtigt, dass im vorliegenden Fall in Frage steht, ob der Berufsbetreuer als Betreuer eines männlichen Betroffenen geeignet ist. Anhaltspunkte dafür, dass der Berufsbetreuer in der Vergangenheit bei der Betreuung männlicher Personen seine Stellung als Betreuer zu seinem Vorteil ausgenutzt hat, hat das Landgericht nicht festgestellt. Soweit es in diesem Zusammenhang ausführt, die charakterliche Unzuverlässigkeit des Berufsbetreuers führe nicht nur bei von ihm betreuten Frauen zu einer Gefährdung, sondern könne sich in vielerlei Hinsicht auswirken, zumal sexuelle Handlungen nicht auf heterosexuelle Verhältnisse beschränkt seien, beschreibt das Landgericht lediglich eine abstrakte Gefahr, die ohne entsprechende tragfähige Feststellungen nicht zur Grundlage der Beurteilung gemacht werden kann, der Berufsbetreuer sei auch zukünftig für die Führung von Betreuungen männlicher Personen charakterlich ungeeignet.

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Gegenüber diesen Umständen wiegt die fehlende Einsicht des Berufsbetreuers in sein früheres Fehlverhalten, auf die das Landgericht seine Auswahlentscheidung im Wesentlichen stützt, nicht so schwer, dass der Berufsbetreuer auch zukünftig als ungeeignet zur Führung von Betreuungen männlicher Betreuter angesehen werden kann.

Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts Gera konnte daher keinen Bestand haben. Sie war gemäß § 74 Abs. 4 FamFG aufzuheben und die Sache nach § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Landgericht zurückzuverweisen.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 3. Februar 2021 – XII ZB 181/20

  1. AG Gera, Beschluss vom 11.09.2018 – 7 XVII 299/10[]
  2. LG Gera, Beschluss vom 30.03.2020 – 5 T 79/19[]
  3. BGH, Beschlüsse vom 08.11.2017 – XII ZB 90/17 , FamRZ 2018, 206 Rn. 12; und vom 30.09.2015 – XII ZB 53/15 , FamRZ 2015, 2165 Rn. 16[][]
  4. BGH, Beschluss vom 20.03.2019 – XII ZB 334/18 , FamRZ 2019, 1004 Rn. 10 mwN[][]
  5. BGH, Beschluss vom 20.03.2019 – XII ZB 334/18 , FamRZ 2019, 1004 Rn. 11 mwN[][]
  6. BGH, Beschluss vom 18.10.2018 – XII ZB 222/17 , FamRZ 2018, 55 Rn. 8 mwN[]
  7. BGH, Beschluss vom 25.03.2015 – XII ZB 621/14 , FamRZ 2015, 1178 Rn. 22 mwN[]
  8. BGH, Beschluss vom 20.03.2019 – XII ZB 334/18 , FamRZ 2019, 1004 Rn. 13 mwN[]
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