Die Pflegefamilie, das Sorgerecht der Eltern – und das Verfahren zur Verbleibensanordnung

Der Elternteil, dem u.a. das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen worden ist, der aber noch über Teilbereiche des Sorgerechts verfügt, ist in dem von den Pflegeeltern und dem Ergänzungspfleger geführten Verfahren auf Anordnung des Verbleibs des Kindes in der Pflegefamilie nach § 1632 Abs. 4 BGB grundsätzlich zu beteiligen.

Die Pflegefamilie, das Sorgerecht der Eltern – und das Verfahren zur Verbleibensanordnung

Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG sind als sogenannte Mussbeteiligte diejenigen hinzuzuziehen, deren Recht durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird. Mit dem Kriterium der Unmittelbarkeit stellt die Regelung klar, dass eine Beteiligung nur dann zu erfolgen hat, wenn subjektive Rechte des Einzelnen betroffen sind. Gemeint ist hiermit eine direkte Auswirkung auf eigene materielle, nach öffentlichem oder privatem Recht geschützte Positionen. Es genügt nicht, dass lediglich ideelle, soziale oder wirtschaftliche Interessen durch den Ausgang des Verfahrens berührt werden. Nicht ausreichend sind des Weiteren rein mittelbare Auswirkungen einer Entscheidung oder die lediglich tatsächlich „präjudizielle“ Wirkung auf andere, gleich gelagerte Fälle1.

Die Voraussetzungen für eine Beteiligung sind im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall erfüllt.

Die Mutter ist nach wie vor Sorgerechtsinhaberin. Auch wenn ihr bereits erhebliche Teile des Sorgerechts entzogen worden sind, wird sie durch die Entscheidung über die Verbleibensanordnung unmittelbar in dem ihr verbliebenen Sorgerecht aus § 1626 Abs. 1 BGB und damit in ihrem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG betroffen. Dies unterscheidet den Fall von der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm2. Denn dort war der Mutter die elterliche Sorge insgesamt entzogen worden. Die Frage, ob das Elternrecht auch eine Beteiligung erfordert, wenn dem betroffenen Elternteil das gesamte Sorgerecht entzogen worden ist, muss hier jedoch nicht entschieden werden.

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Der Mutter sind vorliegend das Recht zur Erziehung ihres Kindes sowie etwa die Vermögensorge verblieben. Dabei ist das in § 1631 Abs. 1 BGB geregelte Recht auf Erziehung ein wesentlicher Bestandteil der Personensorge3.

Zwar hat das Verfahren über die Verbleibensanordnung in erster Linie den Aufenthalt des Kindes zum Gegenstand, dessen Bestimmung der Mutter entzogen ist. Das ändert indes nichts daran, dass die Entscheidung darüber, wo das Kind verbleibt, die Mutter unmittelbar in der Ausübung des ihr verbliebenen Sorgerechts und damit in ihrem Elternrecht betrifft. Das zeigt sich nicht zuletzt darin, dass es für die Erziehung des Kindes und die Möglichkeit der Mutter, hierauf Einfluss nehmen zu können, von erheblicher Bedeutung ist, ob es bei Pflegeltern oder etwa in einem Heim aufwächst. Auch wenn das Recht zur Bestimmung des Kindesaufenthalts eng mit der Wahrnehmung der Erziehung des Kindes verknüpft ist4, führt die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts nicht dazu, dass damit zugleich das Recht auf Erziehung entzogen wäre. Dies ergibt sich bereits daraus, dass beide Teilbereiche in § 1631 Abs. 1 BGB selbständig nebeneinander stehen.

Hinzu kommt, dass es die – der Einleitung des vorliegenden Kindschaftsverfahrens vorangegangene – Intention des Ergänzungspflegers war, durch die Herausnahme des Kindes aus der konkreten Pflegestelle den Umgang zwischen diesem und seiner Mutter dauerhaft zu gewährleisten. Damit sollte ersichtlich dem – von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten – Umgangsrecht der Mutter Rechnung getragen werden. Hieraus folgt, dass die Entscheidung über den Verbleib des Kindes auch unmittelbare Auswirkungen auf das grundrechtlich geschützte Umgangsrecht der Mutter hat.

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Dass das Amtsgericht die Verbleibensanordnung bereits erlassen hat und die übrigen Beteiligten auf ein Rechtsmittel hiergegen verzichtet haben, lässt das Rechtsschutzbedürfnis der Mutter für die Rechtsbeschwerde nicht entfallen. Denn ohne eine erforderliche Beteiligung der Mutter wäre die Entscheidung des Amtsgerichts nicht in formelle Rechtskraft erwachsen. Durch eine unterbliebene Beteiligung würde die Entscheidung des Amtsgerichts in der Hauptsache zwar nicht nichtig, aber anfechtbar5.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 4. Juni 2014 – XII ZB 353/13

  1. BT-Drs. 16/6308 S. 178[]
  2. OLG Hamm, FamRZ 2011, 1666[]
  3. NK-BGB/Rakete-Dombek 3. Aufl. § 1626 Rn. 11[]
  4. vgl. MünchKomm-BGB/Huber 6. Aufl. § 1631 Rn. 15[]
  5. vgl. Keidel/Zimmermann FamFG 17. Aufl. § 7 Rn.20[]