Zu Recht rügt der Betroffene, dass das Landgericht nicht von einer erneuten Anhörung des Betroffenen absehen durfte.

Nach § 295 Abs. 1 Satz 1 FamFG gelten für die Verlängerung der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts die Vorschriften über die erstmalige Anordnung dieser Maßnahmen entsprechend, mithin auch die nach § 278 Abs. 1 FamFG verpflichtende Anhörung des Betroffenen1.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs räumt § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG dem Landgericht Bamberg zwar die Möglichkeit ein, von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abzusehen. Im Beschwerdeverfahren kann aber nicht von einer Wiederholung solcher Verfahrenshandlungen abgesehen werden, bei denen das Gericht des ersten Rechtszugs zwingende Verfahrensvorschriften verletzt hat. In diesem Fall muss das Landgericht Bamberg, vorbehaltlich der Möglichkeiten nach § 69 Abs. 1 Satz 2 und 3 FamFG, den betreffenden Teil des Verfahrens nachholen2.
Das Landgericht hätte die Anhörung deshalb wiederholen müssen, weil das Amtsgericht – wie der Betroffene zu Recht rügt – die Verfahrenspflegerin erst nach der Anhörung des Betroffenen bestellt hat und sich den Akten nicht entnehmen lässt, dass dem Betroffenen das ärztliche Attest vor seiner Anhörung übersandt worden ist. Zur erneuten Anhörung ist der Betroffene nicht erschienen. Deshalb hätte das Amtsgericht einen weiteren Termin anberaumen und die Vorführung des Betroffenen hierzu gemäß § 278 Abs. 5 FamFG erwägen müssen.
Hinzu kommt, dass das Landgericht die Überprüfungsfrist entgegen der Empfehlung des ärztlichen Zeugnisses von einem Jahr auf rund sieben Jahre festgesetzt hat (vgl. dazu § 295 Abs. 1 Satz 2 FamFG).
Nach § 280 Abs. 3 FamFG hat sich das Gutachten unter anderem auf die voraussichtliche Dauer der Maßnahme zu erstrecken3. Diese Anforderungen gelten ebenso – wenn auch in verkürzter Form – für das ärztliche Zeugnis4.
Die Aufgabe des Tatrichters, Gutachten sorgfältig und kritisch zu überprüfen, berechtigt ihn jedoch nicht, die sachverständigen Äußerungen ohne ausreichende Begründung beiseite zu schieben. Vielmehr muss das Gericht, wenn es einem Gutachten nicht folgen will, seine abweichende Überzeugung begründen. Die Begründung muss erkennen lassen, dass die Beurteilung nicht von einem Mangel an Sachkunde beeinflusst ist. Sie ist im Rechtsbeschwerdeverfahren darauf zu überprüfen, ob das Gericht sich mit der Aussage des Gutachters hinreichend auseinandergesetzt und seine dazu erforderliche Sachkunde ausreichend dargetan hat. Weil der Sachverständige gerade zu dem Zweck hinzugezogen wird, dem Gericht die ihm auf dem medizinischen Spezialgebiet fehlenden Kenntnisse zu vermitteln, muss das Gericht sorgfältig prüfen, ob es seine Zweifel an dem Gutachten ohne weitere sachkundige Hilfe zur Grundlage seiner Entscheidung machen kann, etwa weil es bereits durch die ihm vom Sachverständigen vermittelte sachliche Information dazu befähigt worden ist. Fehlt es hieran und verschließt sich das Gericht der Notwendigkeit, zur Klärung seiner Bedenken den Sachverständigen zu einer Ergänzung oder mündlichen Erläuterung seines Gutachtens zu veranlassen oder einen weiteren Sachverständigen zu beauftragen, so bewegt es sich bei seiner Überzeugungsbildung außerhalb des der tatrichterlichen Beweiswürdigung eingeräumten Bereichs5.
Nach dem ärztlichen Zeugnis soll die Betreuung nur um ein Jahr verlängert werden. Gleichwohl hat das Landgericht, ohne seine eigene Sachkunde darzulegen, die Überprüfungsfrist auf sieben Jahre festgelegt.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27. Oktober 2021 – XII ZB 114/21
- BGH, Beschluss vom 20.06.2018 XII ZB 99/18 FamRZ 2018, 1360 Rn. 6[↩]
- BGH, Beschluss vom 07.10.2020 XII ZB 349/20 , FamRZ 2021, 225 Rn. 7[↩]
- BGH, Beschluss vom 06.05.2020 XII ZB 6/20 FamRZ 2020, 1303 Rn. 11 mwN[↩]
- BGH, Beschluss vom 23.08.2017 XII ZB 187/17 FamRZ 2017, 1866 Rn. 9; vgl. auch BT-Drs. 11/4528, 174; Keidel/Giers FamFG 20. Aufl. § 281 Rn. 7[↩]
- BGH, Beschluss vom 27.04.2016 XII ZB 557/15 FamRZ 2016, 1352 Rn. 11 mwN[↩]
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