Die Zuwendung anläßlich der Trennung und das Kuckuckskind

Geschäftsgrundlage einer im Zuge der Trennung erfolgten Zuwendung (hier: Schenkung) unter Ehegatten kann auch die leibliche Abstammung eines Kindes vom Ehemann sein, wenn dessen Zuwendung auch dazu bestimmt war, entweder unmittelbar oder mittelbar den Unterhaltsbedarf des Kindes zu befriedigen. Das Verschweigen der möglichen Nichtvaterschaft des Ehemannes zum Kind durch die Ehefrau kann eine Anfechtung einer schenkweisen Zuwendung wegen arglistiger Täuschung begründen1.

Die Zuwendung anläßlich der Trennung und das Kuckuckskind

Rückforderung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Geschäftsgrundlage die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, bei Vertragsschluss aber zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien sowie die der einen Vertragspartei erkennbaren und von ihr nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut2.

Eine ehebezogene Zuwendung liegt vor, wenn ein Ehegatte dem anderen einen Vermögenswert um der Ehe willen und als Beitrag zur Verwirklichung und Ausgestaltung, Erhaltung oder Sicherung der ehelichen Lebensgemeinschaft zukommen lässt, wobei er die Vorstellung oder Erwartung hegt, dass die eheliche Lebensgemeinschaft Bestand haben und er innerhalb dieser Gemeinschaft am Vermögenswert und dessen Früchten weiter teilhaben werde. Darin liegt die Geschäftsgrundlage der Zuwendung3.

Im vorliegend vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall wurden beide Immobilien erst angeschafft, als die Ehe der Parteien bereits gescheitert („am Ende“) war. Die Immobilien dienten demnach nicht der Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft und sollten auch nicht mittelbar dem Ehemann zugute kommen. Demnach ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Zuwendungen gerade nicht vom Fortbestand der Ehe abhängig gemacht werden sollten, sondern dem Zweck dienten, die Ehefrau unabhängig von der Fortdauer der Ehe abzusichern.

Weiterlesen:
Der vermeintliche Wohnraum im Keller - und die arglistige Täuschung

Auch wenn eine Zuwendung im konkreten Fall nicht als ehebezogene Zuwendung, sondern, wie vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, als Schenkung zu werten ist, sind auf sie dennoch die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage anwendbar4. Daher ist es auch unter weiteren Gesichtspunkten als der Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft möglich, dass bestimmte Vorstellungen der Parteien von der Verwendung des zugewendeten Vermögensgegenstandes zur Geschäftsgrundlage erhoben werden. Voraussetzung ist hierfür allerdings, dass diese in den Geschäftswillen der Parteien aufgenommen werden und nicht bloß einseitige Erwartungen einer Partei darstellen5.

Die Vorstellung des Ehemanns, dass er der leibliche Vater sei, war insoweit nicht bloß einseitiges Motiv für seine Zuwendung. Vielmehr bestehen aufgrund der gewählten Vertragsgestaltung deutliche Hinweise darauf, dass die Zuwendung und der durch sie ermöglichte Immobilienkauf auch dem Sohn zugute kommen sollte. Anhaltspunkte dafür ergeben sich daraus, dass aufgrund des im Kaufvertrag zu Gunsten des Ehemanns vereinbarten Veräußerungs- und Belastungsverbots die Ehefrau über das Hausgrundstück zu Lebzeiten des Ehemanns nicht verfügen darf. Nicht zuletzt auch in Anbetracht der beabsichtigten Nutzung durch die Ehefrau und deren Sohn liegt es nahe, dass das Hausgrundstück wenigstens mittelbar auch dem Sohn zur Nutzung dienen sollte und die Ehefrau in ihrer Verfügung auch insoweit nicht frei war. Wenngleich die Ehefrau nach der Vertragsgestaltung mit dem Tod des Ehemanns keinen Verfügungsbeschränkungen mehr unterliegen und die Zuwendung daher vorwiegend deren Unterhalt sichern sollte, war der Sohn jedenfalls mittelbar Begünstigter. Außerdem liegt es nahe, dass im Hinblick auf den Wohnbedarf neben dem (Betreuungs-) Unterhalt der Ehefrau auch der Kindesunterhalt teilweise gedeckt werden sollte. Das war für die Ehefrau abgesehen von den sonstigen Absprachen der Parteien auch erkennbar.
Damit ist jedenfalls auf der Grundlage des insoweit in der Revisionsinstanz zu unterstellenden Vorbringens des Ehemanns dessen leibliche Vaterschaft zum Sohn der Ehefrau nicht lediglich ein einseitiges Motiv, sondern wegen des mit der Zuwendung ersichtlich verfolgten Unterhaltszwecks auch deren Geschäftsgrundlage. Dass sich damit die Geschäftsgrundlage gegebenenfalls aus mehreren Aspekten zusammensetzt und wie der Aspekt der leiblichen Vaterschaft zu gewichten ist, ist im Rahmen der Anpassung nach Treu und Glauben zu klären und zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts scheitert eine Rückforderung auch nicht daran, dass dem Ehemann ein Festhalten an der Zuwendung zumutbar wäre. Dass die Zuwendungen nur einen Anteil von 7 % seines anfänglichen ererbten Vermögens ausmachten, steht einer Unzumutbarkeit des Festhaltens an der Zuwendung nicht ohne weiteres entgegen. In die Zumutbarkeitsbetrachtung wäre schließlich ebenfalls einzubeziehen gewesen, dass auch die leibliche Abstammung des Sohnes Geschäftsgrundlage ist.

Weiterlesen:
Wahlgüterstand in deutsch-französischen Ehen

Hinsichtlich einer (hier: zweiten) Eigentumswohnung, die bezüglich ihrer Verwendung keinerlei Einschränkungen unterlag ist demgegenüber die leibliche Abstammung nicht als Geschäftsgrundlage der Zuwendung anzusehen. Denn insoweit mangelt es an einem auf den Sohn bezogenen beiderseitigen Geschäftswillen der Parteien. Es handelte sich auch nicht um eine einseitige Vorstellung des Ehemanns, die die Ehefrau als anderer Vertragsteil nach Treu und Glauben in ihren Geschäftswillen aufgenommen hat.

Dafür fehlt es bei einer solchen Wohnung an Anhaltspunkten, so dass die Ehefrau insoweit die Vaterschaft auch nicht konkludent in ihren Geschäftswillen aufgenommen hat. Für die widerrechtliche Einflussnahme auf die Willensbildung verbleibt insoweit nur die Möglichkeit einer Täuschungsanfechtung nach § 123 BGB.

Anfechtung wegen arglistiger Täuschung

Im Rahmen einer vom Ehemann erklärte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB) ist zu beachten, dass die Ehefrau hier eine Pflicht zur ungefragten Offenbarung der Möglichkeit traf, dass das Kind von einem anderen Mann abstammte.

Nach der zur Versagung des Unterhalts nach § 1579 BGB ergangenen Bundesgerichtshofsrechtsprechung trifft eine unterhaltsberechtigte Ehefrau ein über den – als solchen nicht offenbarungspflichtigen – Ehebruch hinausgehender Vorwurf, wenn ein während der Ehe geborenes Kind möglicherweise bei dem Ehebruch gezeugt wurde und sie ihren Ehemann in dem Glauben gelassen hat, dass allein er als Vater des Kindes in Frage kommt. Ein solches Verhalten stellt einen gravierenden Eingriff in die persönliche Lebensgestaltung des Ehemannes dar, dessen Verhältnis und Einstellung zu dem Kind und regelmäßig auch zu der Ehe wesentlich von dem Bestehen seiner – leiblichen – Vaterschaft abhängen. Das Verschweigen der möglichen Vaterschaft eines anderen Mannes stellt demnach ein offensichtlich schwerwiegendes Fehlverhalten dar6.

Weiterlesen:
Keine Anonymität für Samenspender

Aus diesen Gründen trifft den Ehegatten auch bei wesentlich von der familiären Verbundenheit der Beteiligten geprägten Zuwendungen eine Offenbarungspflicht. Zwar geht es bei der vorliegenden Fragestellung nicht um die Entscheidung des Ehegatten für die Fortsetzung der Ehe, sondern um dessen Willensentschluss, dem anderen Ehegatten bei gescheiterter Ehe einen Vermögenswert zukommen zu lassen. Dient dieser indessen dazu, dass durch den Gebrauch des zugewendeten Gegenstandes, seine Erträge oder die mit ihm verbundene Sicherheit eine Unterhalts- oder Vorsorgefunktion erfüllt werden soll, so ist die Frage der leiblichen Abstammung für den Ehemann im Zweifel von wesentlicher Bedeutung und die Möglichkeit einer anderweitigen Abstammung durch die Ehefrau, die allein über die nötige Kenntnis verfügt, offenbarungspflichtig.

Dass die Ehefrau damit rechnete oder darauf hoffte, dass der Ehemann der leibliche Vater sei, steht ihrem Vorsatz nicht entgegen, weil dieser sich nur auf die mögliche Nichtvaterschaft des Ehemanns beziehen muss. Des Weiteren muss die Ehefrau zumindest damit rechnen, dass die Tatsache der leiblichen Abstammung für den Entschluss des Ehemannes, ihr die Zuwendungen zu machen, nicht nur von untergeordneter Bedeutung war.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 27. Juni 2012 – XII ZR 47/09

  1. im Anschluss an BGH, Urteil vom 15.02.2012 – XII ZR 137/09, FamRZ 2012, 779[]
  2. BGH, Urteil vom 10.09.2009 – VII ZR 152/08 – NZBau 2009, 771, 774; BGH, Urteile vom 21.07.2010 – XII ZR 180/09, FamRZ 2010, 1626 Rn. 14; und vom 17.02.1993 – XII ZR 232/91, FamRZ 1993, 1047, 1048 jeweils mwN[]
  3. ständige BGH-Rechtsprechung, vgl. BGH, Urteil in BGHZ 142, 137 = FamRZ 1999, 1580, m.w.N.[]
  4. vgl. BGH, Urteil ín BGHZ 184, 190 = FamRZ 2010, 958 Rn. 25 ff.; BGH, Urteile vom 08.11.2002 – V ZR 398/01 FamRZ 2003, 223; und vom 19.01.1999 – X ZR 60/97, FamRZ 1999, 705, 707[]
  5. vgl. Palandt/Grüneberg BGB 71. Aufl. § 313 Rn. 9 mwN[]
  6. BGH, Urteil vom 15.02.2012 – XII ZR 137/09, FamRZ 2012, 779 Rn. 23 mwN[]
Weiterlesen:
Versorgungsausgleich im öffentlichen Dienst

Bildnachweis: