Ehegatten-GbR gehören vor das Familiengericht

Zur Zuständigkeit des Familiengerichts nach §§ 111 Nr. 10, 266 Abs. 1 Ziff. 3 FamFG und zu den Voraussetzungen eines Zusammenhangs von Ansprüchen zwischen ehemals miteinander verheirateten Personen wegen der Auflösung einer zwischen ihnen bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit Trennung oder Scheidung hat jetzt das Oberlandesgericht Stuttgart Stellung genommen:

Ehegatten-GbR gehören vor das Familiengericht

Maßgeblich für die Entscheidung über die Zuständigkeit des Familiengerichts nach §§ 111 Nr. 10, 266 Abs. 1 Ziff. 3 FamFG ist der Vortrag der Antragstellerin, auf das Verteidigungsvorbringen des Antragsgegners kommt es nicht an1.

§§ 111 Nr. 10, 266 Abs. 1 Ziff. 3 FamFG erfassen u.a. Ansprüche zwischen Ehegatten wegen Auflösung einer zwischen ihnen bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts2. Solche Ansprüche macht die Antragstellerin nach ihrem Vortrag geltend. Der erforderliche inhaltliche Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung der Ehe3 ist hier nach dem Vortrag der Antragstellerin gegeben:

Ein solcher Zusammenhang liegt vor, wenn das Verfahren die insbesondere wirtschaftliche Entflechtung der (vormaligen) Ehegatten, Dispositionen im Hinblick auf die Verbindung oder Vorgänge anlässlich ihrer Beendigung betrifft4. Schon weil mit § 266 FamFG die Zielvorstellung eines großen Familiengerichts weiterverfolgt wird5, ist der Begriff des Zusammenhangs mit der Beendigung der ehelichen Gemeinschaft in einem weiten Sinn zu verstehen6. 266 Abs. 1 FamFG ist schon dann anwendbar, wenn der Rechtsstreit durch die bezeichneten familienrechtlichen Verhältnisse nicht unwesentlich mitgeprägt ist; auszuscheiden sind lediglich Fälle, in denen der familienrechtliche Einschlag völlig untergeordnet ist, so dass eine Entscheidung durch das Familiengericht sachfremd erscheint7. Ein sachlicher Zusammenhang ist insbesondere nicht schon deshalb zu verneinen, weil sich die Auswirkungen von Trennung und Scheidung erst nach einer gewissen Zwischenzeit zeigen, etwa wenn Ehegatten den vormals gemeinsam geführten Betrieb für eine Übergangszeit auch nach Trennung und Scheidung weiter betreiben; solange die spätere Beendigung dieser Zusammenarbeit noch einen sachlichen Bezug zur Vermögensauseinandersetzung aufweist, ist nunmehr auch in solchen Fällen – anders als nach früher geltendem Recht8 – die Zuständigkeit des Familiengerichts gegeben9.

Weiterlesen:
Anfechtung isolierter Kostenentscheidungen in Familiensachen

Nach diesen Grundsätzen handelt es sich im hier vom Oberlandesgericht Stuttgart um eine Familiensache. Die Gründung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist nach dem Vortrag der Antragstellerin am 01.01.2005 und damit wenige Monate nach der Trennung und etwa eineinhalb Jahre vor der Scheidung der Parteien erfolgt. Sie geschah nach dem Vorbringen der Antragstellerin vor dem Hintergrund, dass die Hofstelle mit umfangreichem Grundbesitz, die die Parteien gemeinsam erworben und bis zur Trennung gemeinsam betrieben hatten, an den gemeinsamen volljährigen Sohn der Parteien übergeben werden sollte, was mit notariellem Vertrag vom 29.06.2007 mittlerweile auch geschehen ist, wodurch nach dem Vortrag der Antragstellerin die Gesellschaft beendet wurde.

Dass es sich bei der Übergabe der Hofstelle nebst Grundbesitz und damit auch bei der Auseinandersetzung der im Hinblick auf diese Übergabe nach dem Vortrag der Antragstellerin gegründeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts um einen Teil der Vermögensauseinandersetzung zwischen den Parteien handelte, liegt bei dieser Sachlage schon angesichts des zeitlichen Zusammenhangs mit Trennung und Scheidung der Parteien auf der Hand. Hierfür spricht zudem, dass die Parteien nach dem Vorbringen der Antragstellerin im Zuge der Übergabe zu gleichen Anteilen abgefunden worden sind. Eine Übergabe aus Altersgründen scheidet angesichts des jeweiligen Lebensalters der Parteien aus.

Die Antragstellerin hat auch in ihrem Beschwerdevorbringen keine Umstände vorgetragen, die erkennen ließen, für die Parteien seien andere Gründe für die Hofübergabe ausschlaggebend gewesen als die Absicht, ihr Vermögen zwischen ihnen angesichts von Trennung und Scheidung auseinanderzusetzen und zu diesem Zweck den Betrieb an den gemeinsamen Sohn weiterzugeben, um für eine geordnete Fortführung im Sinne der Parteien zu sorgen. Dass die Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach dem Vorbringen der Antragstellerin unabhängig vom Scheitern der Ehe zwischen den Parteien weitergeführt worden ist, schließt die Zuständigkeit des Familiengerichts nicht aus.

Weiterlesen:
Vergütung für den anwaltlichen Verfahrenspfleger in Unterbringungssachen

Der Zuständigkeit des Familiengerichts im Streitfall steht auch nicht der Gesichtspunkt eines etwa erforderlichen zeitlichen Zusammenhangs der geltend gemachten Ansprüche mit Trennung oder Scheidung der Ehe entgegen.

Nach Auffassung insbesondere eines Teils der Literatur10 setzt § 266 Abs. 1 Ziff. 3 FamFG zwar einen solchen zeitlichen Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung der Ehe voraus, an dem es fehle, wenn seit der Beendigung der Verbindung und dem Abschluss der wirtschaftlichen Auseinandersetzung ein längerer Zeitraum verstrichen ist. Nach der in Rechtsprechung und Literatur überwiegend vertretenen Auffassung ist jedoch allein ein inhaltlicher Zusammenhang mit der Trennung, Scheidung oder Auflösung der Ehe zu fordern11. Das Oberlandesgericht Stuttgart folgt der zuletzt genannten Auffassung. Zwar heißt es in den Gesetzesmaterialien, der Begriff des Zusammenhangs habe sowohl eine inhaltliche als auch eine zeitliche Komponente12; die zeitliche Komponente hat jedoch im Gegensatz zur inhaltlichen im Gesetzeswortlaut keinen Niederschlag gefunden. Das Kriterium eines „zeitlichen Zusammenhangs“ ist nicht hinreichend bestimmbar, eine hiervon abhängende Zuständigkeit des Familiengerichts würde zu praktisch erheblichen Unsicherheiten führen und hätte Auseinandersetzungen der Parteien über die Zuständigkeit des Familiengerichts zur Folge, die mit der gesetzlichen Regelung gerade vermieden werden sollten13.

Abgesehen davon dürfte ein zeitlicher Zusammenhang hier ohnehin vorliegen, ist doch seit dem – ohnehin fraglichen – zwischenzeitlichen Abschluss der wirtschaftlichen Auseinandersetzung zwischen den Parteien jedenfalls kein längerer Zeitraum verstrichen, zumal die Steuerbescheide, auf die sich die Antragstellerin zur Begründung ihres angeblichen Anspruchs maßgebend stützt, erst in den Jahren 2008 und 2009 ergangen sind.

Weiterlesen:
Der Austausch eines Vormunds durch das Familiengericht

Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 10. Januar 2011 – 13 W 69/10

  1. vgl. Zöller/Lorenz, ZPO, 28. Aufl., § 266 FamFG Rn. 7[]
  2. vgl. Zöller/Lorenz, a.a.O., § 266 FamFG Rn. 18[]
  3. vgl. BT-Drucks. 16/6308, S. 262 f.; ferner z. B. Zöller/Lorenz, a.a.O., § 266 FamFG Rn. 17; Meyer-Seitz/Kröger/Heiter, FamRZ 2005, 1430, 1437[]
  4. vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 03.05.2010 – 4 W 6/10 – Tz. 21; Zöller/Lorenz, a.a.O., § 266 FamFG Rn. 17; Meyer-Seitz/Kröger/Heiter, FamRZ 2005, 1430, 1437[]
  5. vgl. BT-Drucks. 16/6308, S. 262; Burger, FamRZ 2009, 1017[]
  6. vgl. Burger, FamRZ 2009, 1017, 1018 f.; auch Schulte-Bunert/Weinreich/Rehme, FamFG Kommentar, 1. Aufl., § 266 FamFG Rn. 1[]
  7. vgl. Schulte-Bunert/Weinreich/Rehme, a.a.O., § 266 FamFG Rn. 1[]
  8. vgl. OLG Stuttgart, FamRZ 1985, 83[]
  9. vgl. Burger, FamRZ 2009, 1017, 1019[]
  10. etwa Meyer-Seitz/Kröger/Heiter, FamRZ 2005, 1430, 1437; Prütting/Helms/Heiter, FamFG, 1. Aufl., § 266 FamFG Rn. 47, 50; wohl auch Burger, FamRZ 2009, 1017, 1019; ebenso AG Holzminden, Beschluss vom 13.05.2010 – 12 F 104/10[]
  11. OLG Hamm, Beschluss vom 15.10.2010 – 4 WF 123/10; OLG Frankfurt, Beschluss vom 03.05.2010 – 4 W 6/10; LG Osnabrück, Beschluss vom 16.07.2010 – 2 O 1807/09; Zöller/Lorenz, a.a.O., § 266 FamFG Rn. 17 m.w.N.; Schulte-Bunert/Weinreich/Rehme, a.a.O., § 266 FamFG Rn. 12; Kemper, FamRB 2009, 53, 56[]
  12. BT-Drucks. 16/6308, S. 262[]
  13. vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 15.10.2010 – 4 WF 123/10[]
Weiterlesen:
Kindesunterhalt - und die Geltendmachung durch einen Beistand bei getrennt lebenden Eltern