Im Rahmen der Bedarfsermittlung beim Ehegattenunterhalt gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB ist nach der seit dem 1. Januar 2008 geltenden Rechtslage auch ein vom Unterhaltspflichtigen geschuldeter Minderjährigenunterhalt nicht mehr mit dem sog. Tabellenbetrag, sondern mit dem sich nach Abzug des (hälftigen) Kindergelds gemäß § 1612 b Abs. 1 BGB ergebenden Zahlbetrag zu berücksichtigen. § 1612 b Abs. 1 BGB verstößt auch mit dieser Wirkung nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Das Oberlandesgericht Brandenburg1 hatte in seinem Berufungsurteil den Kindesunterhalt für die drei Kinder jeweils mit dem Zahlbetrag in Abzug gebracht. Der Bundesgerichtshof hat dies nun gebilligt.
Die Frage, mit welchem Betrag der Vorabzug des Kindesunterhalts bei der Ermittlung des Ehegattenunterhalts nach Einkommensquoten durchzuführen ist, entweder mit dem Bedarfsbetrag nach der Düsseldorfer Tabelle (Tabellenbetrag) oder mit dem um das (anteilige) Kindergeld nach § 1612 b BGB bereinigten Betrag (Zahlbetrag), ist allerdings umstritten. Der BGH hat zum Volljährigenunterhalt mehrfach im zuletzt genannten Sinne entschieden2.
Für den Minderjährigenunterhalt wird dagegen von Teilen der Rechtsprechung und Literatur die Ansicht vertreten, es müsse der Tabellenbetrag abgezogen werden3, während die überwiegende Auffassung davon ausgeht, dass auch hier der Zahlbetrag abzuziehen ist4.
Die Streitfrage ist, so der BGH in seiner jetzigen Entscheidung, im Sinne der überwiegenden Auffassung zu entscheiden. Dafür ist ausschlaggebend, dass sich seit dem 1. Januar 2008 die Methode der Kindergeldanrechnung gemäß § 1612 b Abs. 1 BGB geändert hat, was sich auch auf die Bedarfsermittlung nach § 1578 Abs. 1 BGB niederschlägt.
Bei der Ermittlung des Bedarfs nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB kommt es auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der – geschiedenen – Ehegatten an. Diese werden durch bestehende Unterhaltspflichten gegenüber Kindern beeinflusst, weil diese das für die Lebensführung der Ehegatten verfügbare Einkommen schmälern.
Die Bezifferung des Kindesunterhalts ist somit eine Vorfrage der Bedarfsermittlung nach § 1578 Abs. 1 BGB, die nach §§ 1601 ff. BGB zu beurteilen ist. Aus § 1612 b BGB ergibt sich, in welcher Weise das Kindergeld zu berücksichtigen ist. Nach § 1612 b Abs. 1 Satz 1 BGB in der seit dem 1. Januar 2008 durch das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz (UÄndG) vom 21. Dezember 20075 geänderten Gesetzesfassung ist das auf das Kind entfallende Kindergeld zur Deckung seines Barbedarfs zu verwenden, und zwar nach § 1612 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB zur Hälfte, wenn ein Elternteil seine Unterhaltspflicht durch Betreuung des Kindes erfüllt (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB). In diesem Umfang mindert es den Barbedarf des Kindes (§ 1612 b Abs. 1 Satz 2 BGB). Die bedarfsmindernde Wirkung stellt das (anteilige) Kindergeld damit im Gegensatz zur vorausgegangenen Rechtslage, nach der das Kindergeld „anzurechnen“ war (§ 1612 b Abs. 1 BGB a.F.), eigenem Einkommen des Kindes gleich (Wendl/Scholz Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 7. Aufl. § 2 Rdn. 510). Notwendige Folge dieser Gleichstellung ist, dass auch bei der Bemessung des Ehegattenunterhalts nur der nach bedarfsdeckender Anrechnung des Kindergelds verbleibende Unterhaltsanspruch, also der Zahlbetrag, vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen abzuziehen ist. Denn nur insoweit wird das für den Ehegattenunterhalt verfügbare Einkommen des Unterhaltspflichtigen geschmälert.
Der Vorwegabzug des Zahlbetrages entspricht nach dem Regierungsentwurf zum Unterhaltsänderungsgesetz, der im parlamentarischen Verfahren insoweit nicht in Frage gestellt worden ist, der Absicht des Gesetzgebers. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs sollte der bisherige § 1612 b BGB durch eine Neukonzeption der Vorschrift ersetzt werden. An die Stelle der bisherigen Anrechnung des Kindergelds auf den Barunterhaltsanspruch des Kindes sollte der bedarfsmindernde Vorwegabzug des Kindergelds treten6. Die Entwurfsbegründung weist darauf hin, dass nach § 1612 b Abs. 1 BGB n.F. von der zur Verteilung anstehenden Masse ein geringerer Anteil für den Kindesunterhalt erforderlich ist und ein entsprechend höherer Anteil für die nachrangigen Unterhaltsberechtigten, etwa für den betreuenden Elternteil zur Verfügung steht7. Dass sich die Gesetzesbegründung vorwiegend auf den (Mangel-)Fall bezieht, dass die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen zwar für den vorrangigen Kindesunterhalt, nicht aber für den Ehegattenunterhalt ausreicht, ist nicht ausschlaggebend. Denn auch die Bedarfsermittlung beim Ehegattenunterhalt orientiert sich an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Ehegatten, und die Unterhaltsberechnung nach Quoten geht davon aus, dass das gesamte Einkommen der Ehegatten für den Unterhalt zu verwenden ist. Eine gesteigerte Unterhaltspflicht, die wie nach § 1603 Abs. 2 BGB ansonsten eine unterschiedliche Heranziehung des Einkommens im Mangelfall begründen könnte, besteht beim Ehegattenunterhalt nicht.
Gegenüber der früheren Rechtslage8 hat sich demnach die Art und Weise der Kindergeldanrechnung grundlegend verändert. Da der Abzug des Zahlbetrages statt des Tabellenbetrages danach sowohl vom Wortlaut des Gesetzes als auch von der ausdrücklichen Absicht des Gesetzgebers gefordert wird, sind die Gerichte daran gebunden (zutreffend Wendl/Scholz Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 7. Aufl. § 2 Rdn. 510). Die Gerichte sind also auch nicht befugt, an die Stelle des verbindlichen Gesetzesrechts ihre eigenen Vorstellungen von einer gerechten Aufteilung des Kindergelds zu setzen.
Es kann daher insbesondere nicht damit argumentiert werden, durch den Abzug des Zahlbetrages werde der (steuer- und sozialrechtliche) Kindergeldausgleich gemäß § 1612 b BGB verfälscht, weil der Barunterhaltspflichtige einen Anteil der ihm zustehenden Kindergeldhälfte als Ehegattenunterhalt auskehren müsse9. Der vorliegende Fall verdeutlicht überdies, dass diese Auffassung zu Differenzierungen zwingen würde, die dem vom UÄndG verfolgten Vereinfachungsgedanken zuwiderliefen. Denn beim Unterhalt für den nicht aus der Ehe der Parteien stammenden Sohn F. wäre im Verhältnis der Parteien der Kindergeldausgleich nicht berührt. Die Folge wäre, dass bei den Kindern aus der Ehe der Parteien mit dem Tabellenbetrag, beim Sohn F. dagegen mit dem Zahlbetrag gerechnet werden müsste, wie es schon für die frühere Rechtslage vereinzelt vertreten wurde10. Die dagegen nach früherem Recht auch in diesem Fall konsequent praktizierte Berechnung mit dem Tabellenunterhalt11 entspräche wiederum nicht mehr der vom UÄndG ausdrücklich verfolgten Zielsetzung. Danach soll das infolge der nunmehr bedarfsdeckenden Anrechnung des Kindergelds freiwerdende Einkommen auch im Verhältnis von Erst- und Zweitfamilie für den Unterhalt nachrangig Berechtigter zur Verfügung stehen7. Somit kann auch abgesehen von der Kindergeldverteilung zwischen den Eltern nicht (mehr) allein aus dem mit dem Kindergeld verfolgten Zweck der Unterhaltsentlastung gefolgert werden, dass das durch die Kindergeldanrechnung freiwerdende Einkommen dem Unterhaltspflichtigen im Rahmen des Ehegattenunterhalts ungekürzt verbleiben müsse.
Die gesetzliche Regelung ist nicht wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig. Bereits nach der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Regelung in § 1612 b Abs. 5 BGB (a.F.) wurde der Kindergeldanteil des barunterhaltspflichtigen Elternteils zur Deckung des Existenzminimums des Kindes herangezogen, während der Anteil des betreuenden Elternteils davon verschont blieb. Das Bundesverfassungsgericht hat diese ungleiche Heranziehung der Kindergeldanteile in seinem Beschluss vom 9. April 200312 als sachlich gerechtfertigt gebilligt und einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG verneint. Zwar hatte sich das BVerfG nur mit der Vorschrift des § 1612 b Abs. 5 BGB (a.F.) zu befassen, deren Aufgabe (nur) die Sicherung des Existenzminimums war, während die Neuregelung des § 1612 b Abs. 1 BGB im Ergebnis zu einer weitergehenden Heranziehung des Kindergelds über den Ehegattenunterhalt führt. Aber auch die Anwendung des § 1612 b Abs. 5 BGB (a.F.) konnte schon zu dem Ergebnis führen, dass durch die Heranziehung des dem barunterhaltspflichtigen Elternteil zustehenden Kindergeldanteils das Existenzminimum des Kindes gesichert war, während dem betreuenden Elternteil sein ungekürzter Kindergeldanteil verblieb. Demnach stand es dem Gesetzgeber nach der Verfassung aber ebenfalls frei, das zu berücksichtigende Kindergeld generell als Einkommen des Kindes anzusehen und es zur Deckung des Unterhaltsbedarfs des Kindes heranzuziehen. Dass damit der nunmehr nachrangige Ehegattenunterhalt – als teilweise Kompensation des Nachrangs13 – teilweise erhöht worden ist, ist nicht sachwidrig.
Bei der verfassungsrechtlichen Bewertung der bewussten gesetzgeberischen Entscheidung kann schon nicht als Regelfall unterstellt werden, dass der betreuende Elternteil seinen Kindergeldanteil etwa vollständig für eigene Zwecke verbraucht. Die alltägliche Kindesbetreuung stellt bekanntlich vielfältige Anforderungen, die auch mit diversen Kosten verbunden sind (z.B. Eintrittsgelder, Fahrten zu Kindergarten, Schule und Sportveranstaltungen, gelegentlicher Reitunterricht, Karussell auf der Kirmes etc.), welche nicht – wie etwa Kindergartenkosten – als Mehr- oder Sonderbedarf des Kindes unterhaltsrechtlich geltend gemacht werden können. Für die Beurteilung, ob die gesetzliche Differenzierung sachgemäß ist, kann demnach jedenfalls nicht die praktische Erfahrung außer Acht gelassen werden, dass auch der betreuende Elternteil seinen Kindergeldanteil ganz oder teilweise zugunsten seines Kindes verwendet, wobei eine dies etwa verbindlich anordnende gesetzliche Regelung schon wegen der Verschiedenartigkeit von Bar- und Betreuungsbedarf nicht in Frage gekommen wäre.
Dass das Unterhaltsrecht insoweit das Kindergeld nicht in dem gleichen Umfang heranzieht wie das Sozialrecht (so zutreffend Schürmann FamRZ 2008, 313, 324), macht die gesetzliche Regelung noch nicht verfassungswidrig. Auch das Steuerrecht trifft schließlich nur eine Entscheidung darüber, wie das Einkommen zu besteuern ist und dass das Kindergeld den Eltern als Steuervergütung (oder Sozialleistung) hälftig zugute kommen muss, wobei sich schon die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG und die hälftige Kindergeldverteilung nicht entsprechen. Darüber hinaus regelt es ebenso wie bei der Einkommensentlastung durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG aber nicht die Verwendung des dadurch freigewordenen Einkommens14, so dass es dem Unterhaltsgesetzgeber unbenommen war, das freigewordene Einkommen als für den Ehegattenunterhalt einsetzbar zu erklären und dies durch die bedarfsdeckende Verwendung des Kindergelds in § 1612 b Abs. 1 BGB zum Ausdruck zu bringen.
Dass dem barunterhaltspflichtigen Elternteil infolge des teilweisen Verbrauchs des Kindergelds weniger Spielraum, etwa für Umgangskosten, verbleibt, ist anderweitig zu berücksichtigen, etwa durch einen – teilweisen – Abzug der Umgangskosten vom Einkommen oder eine Erhöhung des (Ehegatten-)Selbstbehalts15.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 27. Mai 2009 – XII ZR 78/08
- FamRZ 2008, 1952 – mit Anm. Ehinger FPR 2008, 393[↩]
- BGHZ 164, 375, 382 f. = FamRZ 2006, 99, 101 f., BGH, Urteile vom 5. März 2008 – XII ZR 22/06 – FamRZ 2008, 963 und vom 30. Juli 2008 – XII ZR 126/06 – FamRZ 2008, 2104, 2107[↩]
- OLG Düsseldorf – 7. FamS – FamRZ 2009, 338; Schürmann FamRZ 2008, 313, 324; Maurer FamRZ 2008, 1985, 1991; FamRZ 2008, 2157, 2161 jeweils m.w.N.; vgl. auch OLG Frankfurt NJW-RR 2009, 2[↩]
- OLG Düsseldorf – 2. FamS – FamRZ 2008, 1254 – zitiert nach JURIS Tz. 98; OLG Düsseldorf – 6. FamS – Urteil vom 18. April 2008 – II-6 UF 150/07 – zitiert nach JURIS; OLG Hamm – 2. FamS – FamRZ 2008, 893; OLG Hamm – 8. FamS – FamRZ 2008, 1446, 1448; OLG Celle FamRZ 2008, 997; OLG Bremen NJW 2009, 925; Scholz FamRZ 2007, 2021, 2028; ders. in: Wendl/Staudigl Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 7. Aufl. § 2 Rdn. 510; Büttner FamRZ 2008, 967; Borth Unterhaltsrechtsänderungsgesetz Rdn. 341 (mit verfassungsrechtlichen Bedenken); Dose FamRZ 2007, 1289, 1292 f.; Gerhardt FamRZ 2007, 945, 948; Klinkhammer FamRZ 2008, 193, 199; Düsseldorfer Tabelle Anm. B.III[↩]
- BGBl. I S. 3189[↩]
- BT-Drucks. 16/1830 S. 28[↩]
- BT-Drucks. 16/1830 S. 29[↩][↩]
- dazu BGH, Urteil vom 16. April 1997 – XII ZR 233/95 – FamRZ 1997, 806, 807; vom 19. Juli 2000 – XII ZR 161/98 – FamRZ 2000, 1492, 1494 und vom 23. April 1986 – IVb ZR 34/85 – FamRZ 1986, 783, 786[↩]
- so aber OLG Düsseldorf – 7. FamS – FamRZ 2009, 338[↩]
- Soyka Die Berechnung des Ehegattenunterhalts 2. Aufl. Rdn. 165[↩]
- BGH, Urteil vom 19. Juli 2000 – XII ZR 161/98 – FamRZ 2000, 1492, 1494[↩]
- FamRZ 2003, 1370, 1375 f.[↩]
- vgl. BT-Drucks. 16/1830 S. 29[↩]
- vgl. Borth Unterhaltsrechtsänderungsgesetz Rdn. 341[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 23. Februar 2005 – XII ZR 56/02 – FamRZ 2005, 706, 708 und vom 9. Januar 2008 – XII ZR 170/05 – FamRZ 2008, 594, 599 sowie Wendl/Klinkhammer Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 7. Aufl. § 2 Rdn. 169[↩]