Einvernehmliche Ehescheidungen vor dem italienischen Zivilstandsbeamten bedürfen auch unter Geltung der Brüssel IIa-Verordnung zu ihrer Eintragung im Eheregister keiner Anerkennung nach § 107 Abs. 1 Satz 1 FamFG1.

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hat die Ehefrau die deutsche und die italienische Staatsbürgerschaft, der Ehemann ist italienischer Staatsbürger. Die beiden schlossen am 20.09.2013 vor dem Standesamt Mitte von Berlin die Ehe, was im Eheregister beurkundet wurde. Am 30.03.2017 erschienen die Ehegatten vor dem Standesamt (Ufficio di Stato Civile) in Parma und erklärten, keine minderjährigen, pflegebedürftigen volljährigen, schwerbehinderten volljährigen oder wirtschaftlich unselbständigen volljährigen Kinder zu haben, untereinander keine Vereinbarungen zur Übertragung von Vermögen zu treffen und die einvernehmliche Trennung zu wollen. Diese Erklärung bestätigten sie am 11.05.2017 persönlich vor dem Standesamt. Am 15.02.2018 erschienen sie dort erneut, nahmen auf ihre Erklärungen vom 30.03.2017 Bezug und erklärten, sie wünschten die Auflösung ihrer Ehe. Ein Verfahren sei diesbezüglich nicht anhängig. Nachdem sie diese Erklärungen gegenüber dem Standesamt Parma am 26.04.2018 bestätigt hatten, stellte dieses der Ehefrau am 2.07.2018 eine Bescheinigung gemäß Art. 39 Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 aus, in der die Scheidung der Ehe mit Wirkung vom 15.02.2018 bestätigt wird.
Die Ehefrau hat das Standesamt Mitte von Berlin ersucht, diese Scheidung im deutschen Eheregister einzutragen. Das Standesamt hat die Sache wegen Zweifeln, ob die Beurkundung zunächst eine Anerkennung nach § 107 FamFG voraussetzt, über die Standesamtsaufsicht dem Amtsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Das Amtsgericht Schöneberg hat das Standesamt daraufhin angewiesen, „die am 15.02.2018 erfolgte außergerichtliche Privatscheidung (…) erst nach erfolgter Anerkennung durch die Bundesgerichtshofsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung gemäß § 107 Abs. 1 Satz 1 FamFG dem Eheregistereintrag (…) beizuschreiben.“ ((AG Schöneberg, Beschluss vom 01.07.2019 – 71a – III 15/19)). Den daraufhin gestellten Anerkennungsantrag der Ehefrau wies die Bundesgerichtshofsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung mit der Begründung zurück, es handele sich nicht um eine anerkennungsbedürftige Entscheidung. Über die hiergegen von der Ehefrau eingelegte Beschwerde wurde vom Kammergericht soweit ersichtlich noch nicht entschieden.
Auf die von der Ehefrau gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 01.07.2019 eingelegte Beschwerde hat das Kammergericht den amtsgerichtlichen Beschluss abgeändert und das Standesamt angewiesen, „die Fortführung des Eheregistereintrags (…) nicht von der vorherigen Anerkennung der in Italien erfolgten Scheidung der Ehe der Beteiligten durch die Bundesgerichtshofsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung abhängig zu machen.“2. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Standesamtsaufsicht, mit der diese die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses erstrebt.
Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren zunächst ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung von Art. 1 Abs. 1 lit. a, Art. 2 Nr. 4, Art. 21 Abs. 1, Art. 46 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (Brüssel IIa-VO) die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob es sich bei einer Eheauflösung auf der Grundlage von Art. 12 des italienischen Gesetzesdekrets (Decreto Legge) Nr. 132 vom 12.09.2014 („DL Nr. 132/2014“) um eine Entscheidung über die Scheidung einer Ehe im Sinne der Brüssel IIa-Verordnung handelt3. Der Unionsgerichtshof hat diese Frage bejaht4. In Umsetzung dieser Vorabentscheidung hat der Bundesgerichtshof nunmehr die Rechtsbeschwerde der Standesamtsaufsicht als unbegründet zurückgewiesen:
Die Eintragung der Ehescheidung der Beteiligten in das Eheregister ist nicht von einer Anerkennung durch die Landesjustizverwaltung gemäß § 107 Abs. 1 Satz 1 FamFG abhängig.
Gemäß § 5 Abs. 1 PStG sind Registereinträge fortzuführen, indem sie nach den Vorschriften des Personenstandsgesetzes durch Folgebeurkundungen und Hinweise ergänzt und berichtigt werden. Dies gilt auch für das Eheregister als einem der vom Standesamt geführten Personenstandsregister (§§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 16 PStG). In dieses ist nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PStG als Folgebeurkundung zum Eheeintrag auch eine spätere Aufhebung oder Scheidung der Ehe aufzunehmen. Lehnt das Standesamt die Vornahme einer Amtshandlung ab, so kann es gemäß § 49 Abs. 1 PStG auf Antrag der Beteiligten oder der Aufsichtsbehörde durch das Gericht dazu angewiesen werden. Als Ablehnung gilt dabei auch, wenn das Standesamt in Zweifelsfällen von sich aus die Entscheidung des Gerichts darüber herbeiführt, ob eine Amtshandlung vorzunehmen ist (§ 49 Abs. 2 PStG).
Grundlage für eine Folgebeurkundung im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PStG kann auch eine im Ausland ergangene rechtskräftige Entscheidung sein. Eine Entscheidung, durch die eine Ehe im Ausland für nichtig erklärt, aufgehoben, dem Ehebande nach oder unter Aufrechterhaltung des Ehebandes geschieden oder durch die das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe zwischen den Beteiligten festgestellt wird, wird nach § 107 Abs. 1 Satz 1 FamFG in Deutschland grundsätzlich allerdings nur anerkannt, wenn die zuständige Landesjustizverwaltung festgestellt hat, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung vorliegen (zu den Anerkennungshindernissen vgl. § 109 FamFG). Dieses Anerkennungsverfahren ist jedenfalls dann, wenn wie vorliegend eine ausländische Behörde entsprechend den von ihr zu beachtenden Normen in irgendeiner Form, und sei es auch nur registrierend, mitgewirkt hat, auch für sogenannte Privatscheidungen eröffnet5. Im Heimatstaat beider Ehegatten durchgeführte Auslandsscheidungen auch Privatscheidungen sind dabei zwar gemäß § 107 Abs. 1 Satz 2 FamFG vom obligatorischen Anerkennungsverfahren ausgenommen. Die Anwendung dieser Norm ist aber von vornherein ausgeschlossen, wenn wie hier wenigstens einer der beiden Ehegatten neben der gemeinsamen Staatsangehörigkeit des ausländischen Entscheidungsstaats auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt6.
Eines Anerkennungsverfahrens bedarf es hingegen nicht, wenn die betreffende Auslandsentscheidung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (außer Dänemark, vgl. Art. 2 Nr. 3 Brüssel IIa-VO) ergangen ist. Denn gemäß § 97 Abs. 1 Satz 2 FamFG bleiben Regelungen in Rechtsakten der Europäischen Union von den Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) unberührt. Liegt daher eine Entscheidung im Sinne von Art. 21 Abs. 1 Brüssel IIa-VO vor, wird sie in Deutschland anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. Zur Fortführung des Eheregisters genügt dann die Vorlage einer Bescheinigung nach Art. 39 Brüssel IIa-VO. Die Brüssel IIa-Verordnung ist vorliegend nach den Übergangsbestimmungen in Art. 100 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EU) 2019/1111 des Rates vom 25.06.2019 über die Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und über internationale Kindesentführungen7 (Brüssel IIb-Verordnung) anwendbar, weil die Bescheinigung nach Art. 39 Brüssel IIa-VO über die Vereinbarung der Ehescheidung der Beteiligten vor dem 1.08.2022 ausgestellt wurde.
Um eine Entscheidung im Sinne der Brüssel IIa-Verordnung handelt es sich bei der hier verfahrensgegenständlichen einvernehmlichen Ehescheidung vor dem italienischen Zivilstandsbeamten nach Maßgabe des Art. 12 des italienischen Gesetzesdekrets Nr. 132 vom 12.09.2014.
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat hierzu auf den Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 15.11.2022 ausgeführt, Art. 2 Nr. 4 der Brüssel IIa-Verordnung sei namentlich für die Anwendung von Art. 21 Abs. 1 dieser Verordnung dahin auszulegen, dass die von einem Standesbeamten eines Mitgliedstaats im Sinne von Art. 2 Nr. 3 der Verordnung errichtete Scheidungsurkunde über die Vereinbarung der Ehegatten über die Ehescheidung, die sie vor dem Standesbeamten gemäß der in diesem Mitgliedstaat geltenden Rechtsvorschriften bestätigt haben, eine „Entscheidung“ im Sinne der Verordnung darstelle, wenn dem Standesbeamten nicht nur die Aufgabe der Dokumentation der Erklärung zukomme, sondern er eine Prüfungspflicht hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen der Ehescheidung habe8.
Aus Art. 1 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Art. 2 Nr. 1, 3 und 4 Brüssel IIa-VO ergebe sich, dass auch die Entscheidung einer Behörde eines Mitgliedstaats im Sinne von Art. 2 Nr. 3 der Verordnung über eine Ehescheidung ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung eine Entscheidung in Ehescheidungssachen sein könne, sofern das Recht des Mitgliedstaats auch nicht gerichtlichen Behörden Zuständigkeiten in Ehescheidungssachen zuweise9.
Allerdings gelte die Brüssel IIa-Verordnung nur für Ehescheidungen, die entweder von einem staatlichen Gericht oder von einer öffentlichen Behörde oder unter deren Kontrolle ausgesprochen würden. Reine Privatscheidungen wie etwa solche, die durch einseitige Erklärung eines Ehegatten vor einem geistlichen Gericht erfolgten, seien hingegen nicht erfasst. Voraussetzung sei auch bei einvernehmlichen Ehescheidungen, dass die zuständige Behörde oder das Gericht nach dem nationalen Verfahrensrecht eine Prüfung der Scheidungsvoraussetzungen anhand des nationalen Rechts vornehme und feststelle, ob ein von freiem Willen der Ehegatten getragenes, wirksames Einvernehmen über die Scheidung gegeben sei8.
Diesen Anforderungen genüge das Verfahren der Eheauflösung nach Art. 12 des italienischen Gesetzesdekrets (Decreto Legge) Nr. 132 vom 12.09.2014 („DL Nr. 132/2014“). Denn der auf dieser Grundlage tätige Standesbeamte habe sich zu vergewissern, dass das von den Eheleuten erklärte Einvernehmen zur Scheidung gültig, von freiem Willen getragen und in Kenntnis der Sachlage erteilt worden sei. Er prüfe den Inhalt der Scheidungsvereinbarung anhand der geltenden Rechtsvorschriften auf das Vorliegen der Voraussetzungen für eine solche Privatscheidung. Aus Art. 12 des Gesetzesdekrets Nr. 132/2014 gehe auch hervor, dass der Standesbeamte die Ehescheidung nur aussprechen dürfe, wenn die Voraussetzungen hierfür zweifelsfrei vorlägen10.
Dem schließt sich der Bundesgerichtshof an. Die Fortschreibung des Eheregisters durch Eintragung der Ehescheidung der Beteiligten ist damit, wie das Kammergericht zutreffend entschieden hat, ohne vorherige Anerkennung nach § 107 Abs. 1 Satz 1 FamFG vorzunehmen.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26. April 2023 – XII ZB 187/20
- Anschluss an EuGH Urteil vom 15.11.2022 – C-646/20 FamRZ 2023, 21[↩]
- KG, Beschluss vom 30.03.2020 – 1 W 236/19, FamRZ 2020, 1215 ff.[↩]
- BGH, Beschluss vom 28.10.2020 – XII ZB 187/20[↩]
- EuGH, Urteil vom 15.11.2022 – C-646/20, FamRZ 2023, 21 ff.[↩]
- vgl. BGH, Beschluss BGHZ 226, 365 = FamRZ 2020, 1811 Rn. 17 mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschluss BGHZ 226, 365 = FamRZ 2020, 1811 Rn.19 mwN[↩]
- ABl. EU Nr. L 178 S. 1[↩]
- EuGH Urteil vom 15.11.2022 – C-646/20 FamRZ 2023, 21 Rn. 53 ff.[↩][↩]
- EuGH Urteil vom 15.11.2022 – C-646/20 FamRZ 2023, 21 Rn. 47 ff.[↩]
- EuGH Urteil vom 15.11.2022 – C-646/20 FamRZ 2023, 21 Rn. 63 ff.[↩]
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