Familiensachen – und das Zeugnisverweigerungsrecht des Kindes

Wird in einer Ehewohnugssache ein Kind angehört, ist dieses gemäß § 29 Abs. 2 FamFG, § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO entsprechend über das ihm zustehende Zeugnisverweigerungsrecht zu belehren.

Familiensachen – und das Zeugnisverweigerungsrecht des Kindes

Gemäß § 30 Abs. 1 FamFG entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen, ob es entscheidungserhebliche Tatsachen durch eine förmliche Beweisaufnahme oder im Freibeweisverfahren gemäß § 29 FamFG durch formlose Ermittlungen feststellt. Für die Vorgehensweise im Freibeweisverfahren besteht kein geschlossener Katalog an Beweismitteln1. So können u. a. im Wege einer Befragung Auskünfte von Personen eingeholt werden, die als Zeuge in Betracht kommen2.

Als Zeuge kommt nur derjenige in Betracht, der nicht Verfahrensbeteiligter ist3. Ungeachtet dessen, dass die Interessen minderjähriger Kinder eine wichtige Rolle bei der Billigkeitsabwägung gemäß § 1361 b BGB spielen und dass die Kinder durch das Verfahren betroffen sein können, sind minderjährige Kinder, die mit keinem Elternteil hinsichtlich der Ehewohnung in einer Rechtsgemeinschaft stehen, anders als in Kindschaftssachen, an einer Ehewohnungssache nicht formell beteiligt4.

Soweit § 163 Abs. 3 FamFG regelt, dass eine Vernehmung eines Kindes als Zeuge nicht stattfindet, bezieht sich diese Vorschrift ausweislich ihrer Stellung im FamFG (Abschnitt 3. Verfahren in Kindschaftssachen) nur auf Kindschaftssachen5 und nicht auf sonstige Familiensachen.

Auch im Freibeweisverfahren hat das Gericht gemäß § 29 Abs. 2 FamFG die Vorschriften über ein Zeugnisverweigerungsrecht in entsprechender Anwendung zu beachten6. Ein solches Zeugnisverweigerungsrecht stand dem Kind … gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO analog zu.

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Gemäß § 383 Abs. 2 ZPO entsprechend hätte das Kind vor seiner formlosen Anhörung/Befragung über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt werden müssen7.

Ist eine solche Belehrung unterblieben, darf die Aussage des Kindes nicht verwertet werden, soweit dieses nicht nachträglich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht verzichtet8.

Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 16. Dezember 2014 – 17 UF 142/14

  1. MünchKomm-FamFG/Ulrici, 2. Aufl.2013, § 29 Rn. 12[]
  2. Keidel/Sternal, FamFG, 18. Aufl.2014, § 29 Rn.19, 24; MünchKomm-FamFG/Ulrici, 2. Aufl.2013, § 29 Rn. 12; Brinkmann in Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 2. Aufl.2010, § 29 Rn. 36; Bohnert, NZFam 2014, 107, 108[]
  3. Köhler, NZFam 2014, 97, 98[]
  4. MünchKomm-FamFG/Erbarth, 2. Aufl.2013, § 204 Rn. 9; Keidel/Giers, FamFG, 18. Aufl.2014, § 204 Rn.19; Lorenz in: Zöller, ZPO, 30. Aufl.2014, § 204 FamFG Rn. 2; Neumann in: Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl.2014, § 204 Rn. 2[]
  5. MünchKomm-FamFG/Schumann, 2. Aufl.2013, § 163 Rn. 15; Musielak/Borth/Grandel, FamFG, 4. Aufl.2013, § 163 Rn. 5[]
  6. Keidel/Sternal, FamFG, 18. Aufl.2014, § 29 Rn. 24; MünchKomm-FamFG/Ulrici, 2. Aufl.2013, § 29 Rn.20; Bohnert, NZFam 2014, 107, 109[]
  7. Keidel/Sternal, FamFG, 18. Aufl.2014, § 29 Rn. 24; MünchKomm-FamFG/Ulrici, 2. Aufl.2013, § 29 Rn.20; Prütting in: Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl.2014, § 29 Rn. 12[]
  8. Keidel/Sternal, FamFG, 18. Aufl.2014, § 29 Rn. 61; MünchKomm-FamFG/Ulrici, 2. Aufl.2013, § 29 Rn. 24; Brinkmann in Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 2. Aufl.2010, § 29 Rn. 43[]
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