Großeltern, die das minderjährige Kind nach dem Tod der allein sorgeberechtigten Mutter betreut haben und betreuen, sind gegen eine familiengerichtliche Entscheidung, die das Sorgerecht dem Vater und wichtige Einzelbefugnisse einem Pfleger überträgt, grundsätzlich nicht beschwerdeberechtigt.

Dass die Beschwerdeführerin die Großmutter des betroffenen Kindes ist und sie zudem ein berechtigtes Interesse an der Entscheidung hat, begründet für sich genommen kein subjektives Recht, aus dem sich ihre Beschwerdebe-rechtigung ergeben könnte. Eine Beschwerdeberechtigung ergibt sich entgegen der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Auffassung auch nicht aus § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG.
Die Beschwerdeberechtigung nach § 57 Abs. 1 Nr. 8 FGG gilt nicht für Endentscheidungen in Sorgerechtsverfahren gilt (§§ 64 Abs. 3 Satz 3, 57 Abs. 2 FGG1) und auch die Beschwerdeberechtigung nach § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG ist gemäß § 64 Abs. 3 Satz 3 in Verbindung mit § 57 Abs. 2 FGG für Familiensachen ausdrücklich ausgeschlossen2. Die allgemeine Beschwerdeberechtigung von Verwandten und Verschwägerten nach § 57 Abs. 1 Nr. 8 FGG ist vom Gesetzgeber für Familiensachen bewusst ausgeschlossen worden, um den Kreis der Beschwerdeberechtigten überschaubar zu halten und um die formelle Rechtskraft von mit befristeten Rechtsmitteln anfechtbaren Endentscheidungen nicht zu gefährden3. Gleichzeitig ist die Zuständigkeit für Verfahren nach § 1666 BGB neu geordnet worden. Zuständig ist anstelle des (damaligen) Vormundschaftsgerichts seitdem das Familiengericht. Da die Einschränkung der Beschwerdeberechtigung nach § 57 Abs. 2 FGG aufgrund § 64 Abs. 3 Satz 4 FGG auch für das familiengerichtliche Verfahren galt und für die Anfechtung von Endentscheidungen nur die befristete Beschwerde nach § 621 e ZPO vorgesehen war, wurden die in Vormundschaftssachen früher bestehenden erweiterten Beschwerdeberechtigungen somit erheblich eingeschränkt und teilweise gegenstandslos4. Eine Beschwerdeberechtigung der Großeltern kann sich also nur ergeben, wenn diese durch die Entscheidung gemäß § 20 FGG in eigenem Recht beeinträchtigt worden ist.
Nach § 20 Abs. 1 FGG (entsprechend nunmehr § 59 Abs. 1 FamFG) steht die Beschwerde jedem zu, „dessen Recht“ durch die Verfügung beeinträchtigt ist. Aus einem Vergleich mit § 57 Abs. 1 Nr. 8 FGG ergibt sich, dass allein aus der Stellung als Verwandter oder Verschwägerter ein die Beschwerdeberechtigung begründendes subjektives Recht noch nicht folgt. Wie ein Vergleich mit § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG zeigt, der „unbeschadet der Vorschrift des § 20 (FGG)“ für Vormundschaftssachen eine weitergehende Beschwerdeberechtigung festlegt, genügt auch ein berechtigtes Interesse an der Änderung oder Beseitigung der Entscheidung nicht5.
Der Beschwerdeführerin steht kein subjektives Recht zur Seite, das durch die Übertragung des Sorgerechts auf den Vater und die Übertragung einzelner Sorgerechtsbefugnisse auf den Ergänzungspfleger beeinträchtigt wäre.
Aus dem Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 GG ergibt sich ein Beschwerderecht der Beschwerdeführerin nicht. Unabhängig von der Frage, ob aus Art. 6 Abs. 2 GG eine Beschwerdeberechtigung hergeleitet werden kann, sind die Großeltern grundsätzlich nicht Träger des Elternrechts. Denn die Verfassung sieht keine Grundrechte der Großeltern vor, die den Rechten der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 GG entgegengesetzt werden könnten6. Etwas anderes gilt, wenn Großeltern – etwa als Vormund – anstelle der Eltern für die Erziehung und Pflege des Kindes verantwortlich sind. In diesem Fall steht auch ihnen in diesem Bereich der Schutz des Art. 6 Abs. 2 GG zu7. Ob die Großeltern in diesem Fall generell beschwerdeberechtigt sind, kann im vorliegenden Fall offenbleiben. Denn in die den Großeltern vorläufig eingeräumten Befugnisse (Vermögenssorge und Nachlassregelung nach der Mutter) hat das Familiengericht durch den angefochtenen Beschluss nicht eingegriffen, sondern hat sie der Beschwerdeführerin vielmehr dauerhaft übertragen.
Auch wenn die Beschwerdeführerin in diesem Rahmen an die Stelle der Eltern getreten ist und sich demnach auf das Elternrecht berufen kann, fehlt es an der Rechtsbeeinträchtigung, weil der übertragene Bereich der Beschwerde-führerin unverändert zusteht. Dementsprechend kann sie sich auch nicht gegen die Übertragung von Sorgerechtsbefugnissen auf den Beteiligten zu 5 als Ergänzungspfleger wenden. Denn die dem Beteiligten zu 5 übertragenen Befugnisse haben ihr nie zugestanden. Die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin unterscheidet sich insofern im Übrigen nicht von derjenigen der am Verfahren nicht beteiligten Großeltern väterlicherseits, die allein im Hinblick auf die Verwandtschaft dem Kind gleich nahe stehen.
Eine Beschwerdeberechtigung ergibt sich auch nicht aus der von der Beschwerdeführerin und dem Großvater übernommenen tatsächlichen Verantwortung für das Kind. Zu beachten ist allerdings, dass die Großeltern mütterlicherseits das Kind seit dem Tod seiner Mutter betreuen und versorgen. Insofern ist der Schutz der Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG berührt. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht in der staatlichen Schutzpflicht für die aus Eltern und Kindern bestehende Familiengemeinschaft (Art. 6 Abs. 1 GG) sowie aus dem Vorrang der Eltern bei der Verantwortung für das Kind (Art. 6 Abs. 2 GG) Verfassungsgrundsätze gesehen, die eine grundsätzlich bevorzugte Berücksichtigung der Familienangehörigen bei der Auswahl von Pflegern und Vormündern gebieten8. Zugleich hat es hervorgehoben, dass nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte das von Art. 8 EMRK gewährleistete Familienleben zumindest auch nahe Verwandte – zum Beispiel Großeltern und Enkel – umfasse.
Auch auf diese Grundsätze kann indessen jedenfalls unter den Umständen des vorliegenden Falls eine Beschwerdeberechtigung der Großeltern nicht gestützt werden. Zwar gebietet § 1779 Abs. 2 Satz 2 BGB, dass bei der Auswahl des Vormunds unter anderem die Verwandtschaft oder Schwägerschaft mit dem Mündel berücksichtigt werden muss. Entsprechendes gilt gemäß § 1915 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 1779 Abs. 2 Satz 2 BGB für die Auswahl des Pflegers. Dieser materiellen Rechtslage entsprach die ursprüngliche Beschwerdeberechtigung in Vormundschaftssachen gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 1, 3, 8, 9 FGG9. Im Zuge der gesetzlichen Neuordnung und der Zuordnung dieser Angelegenheiten zu den Familiengerichten ist allerdings – wie oben ausgeführt – der Kreis der Beschwerdeberechtigten verkleinert worden. Der Gesetzgeber hat diese Folge bereits durch die Einführung des § 57 Abs. 2 FGG bezweckt, um im Interesse der Rechtssicherheit den Kreis der Beschwerdeberechtigten bei mit befristeten Rechtsmitteln anfechtbaren Entscheidungen überschaubar zu halten. Dass der Gesetzgeber sich dieser Folgen bewusst war, zeigt sich in der bereits in Bezug genommenen Gesetzesbegründung10, nach welcher gerade der Fall eines nach §§ 1671 Abs. 3, 1666 BGB angeordneten Sorgerechtsentzugs erfasst werden sollte, obwohl für diesen das sogenannte Verwandtenprivileg nach § 1779 Abs. 2 Satz 2 BGB regelmäßig greift. Dass der Ausschluss der Beschwerdeberechtigung auch naher Verwandter vielmehr stets gewollt war, zeigt sich auch an der im Rahmen der Neuregelung durch das FGG-Reformgesetz vom 17. Dezember 200811 getroffenen Regelung. Aus § 59 FamFG ergibt sich, dass die Beschwerdeberechtigung nach der gesetzlichen Konzeption grundsätzlich von einer Rechtsbeeinträchtigung abhängt. Wie zum Vergleich die gesetzliche Regelung für Betreuungssachen in § 303 Abs. 2 FamFG belegt, bedarf eine weitergehende Beschwerdeberechtigung der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung. Gleichzeitig stellt das Gesetz in der Ausnahmevorschrift klar, dass den Angehörigen und Vertrauenspersonen das Beschwerderecht, das ebenso vor dem Hintergrund bestehender Auswahlvorschriften (§ 1897 Abs. 5 BGB) steht wie die Vormundschaft (§ 1779 Abs. 2 Satz 2 BGB) und die Pflegschaft (§ 1915 Abs. 1 Satz 1 BGB iVm § 1779 Abs. 2 Satz 2 BGB), nicht aus eigenem Recht, sondern nur „im Interesse des Betroffenen“ eingeräumt worden ist (ebenso § 335 Abs. 1 FamFG für Unterbringungssachen und § 429 Abs. 2 FamFG für Freiheitsentziehungssachen).
Die Fachgerichte haben den nach den vorbeschriebenen gesetzlichen Änderungen seit 1998 vom Gesetzgeber gewollten Ausschluss des allgemeinen Beschwerderechts Verwandter zu respektieren und sind auch im Wege einer verfassungskonformen Auslegung nicht dazu befugt, den unmissverständlichen Willen des Gesetzgebers zu korrigieren12.
Eine Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses der Beschwerdeführerin aus dem Kreis der Beschwerdeberechtigten vermag der Bundesgerichtshof nicht zu erkennen.
Im Hinblick auf Art. 6 Abs. 2 GG ist bereits ausgeführt worden, dass die Großeltern grundsätzlich nicht Träger des Elternrechts sind. Sind die Großeltern teilweise in die Rechtsstellung der Eltern eingerückt, so ist der ihnen zukommende verfassungsrechtliche Schutz auf die ihnen übertragenen Rechtszuständigkeiten begrenzt. Das Elternrecht der Beschwerdeführerin kann durch den Beschluss des Amtsgerichts demnach nicht verletzt worden sein.
Soweit die Beschwerdeführerin sich auf den Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG berufen kann, ist darin ebenfalls nicht eingegriffen worden. Dass das Kind seinen Aufenthalt weiterhin bei den Großeltern haben soll, ist Grundlage der amtsgerichtlichen Entscheidung und wird weder vom Vater noch von den sonstigen Beteiligten in Frage gestellt. Das Familienleben zwischen Großeltern und dem betroffenen Kind bleibt bestehen. Die Großeltern sind insoweit durch § 1632 Abs. 4 BGB geschützt13. Soweit die Beschwerdeführerin befürchtet, das Familiengericht könne zumindest mittel- oder langfristig das Aufenthaltsbestimmungsrecht in Zukunft dem Vater übertragen, und der Meinung ist, auch eine vorbereitende Entscheidung stelle eine Rechtsverletzung der Großeltern dar, ist dem nicht zu folgen. Erforderlich ist vielmehr eine aktuelle und unmittelbare Rechtsverletzung. Demnach liegt schließlich auch kein Eingriff in das Recht auf Familienleben nach Art. 8 EMRK vor.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 2. Februar 2011 – XII ZB 241/09
- vgl. Keidel/Engelhardt Freiwillige Gerichtsbarkeit 15. Aufl. § 57 Rdn. 31[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 16.06.2010 – XII ZB 35/10, FamRZ 2010, 1242 Rn. 7; vom 26.11.2008 – XII ZB 103/08, FamRZ 2009, 220 Rn. 12; und vom 13.04.2005 – XII ZB 54/03, FamRZ 2005, 975, 976 mwN[↩]
- vgl. BT-Drs. 13/11035 S. 26 f.[↩]
- vgl. OLG Hamm FamRZ 2004, 887 und nunmehr § 59 FamFG[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 26.11.2008 – XII ZB 103/08, FamRZ 2009, 220 Rn. 13; und vom 13.04.2005 – XII ZB 54/03, FamRZ 2005, 975, 976 mwN; vgl. auch BayObLG FamRZ 2004, 1817 mwN[↩]
- BVerfGE 19, 323, 329 = FamRZ 1966, 89, 90; Badura in Maunz/Dürig GG Art. 6 Rn. 99[↩]
- BVerfGE 34, 165, 200[↩]
- BVerfG FamRZ 2009, 291 Rn. 21[↩]
- vgl. § 69 g Abs. 1 FGG für Betreuungssachen[↩]
- BT-Drs. 13/11035 S. 26[↩]
- BGBl I S. 2586[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 24.06.2009 – XII ZR 161/09, FamRZ 2009, 1477 Rn. 28 mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 25.08.1999 – XII ZB 109/98, FamRZ 2000, 219 f.; und vom 11.09.2003 – XII ZB 30/01, FamRZ 2004, 102; sowie vom 13.04.2005 – XII ZB 54/03, FamRZ 2005, 975; jeweils zu vergleichbaren Fragen bei Pflegeeltern[↩]