Eine im Rahmen eines Steuersparmodells („Wiesbadener Modell“) getroffene vertragliche Vereinbarung zwischen Eheleuten, in denen sich der eine Ehegatte verpflichtet, über ein in seinem Eigentum stehendes Grundstück nicht ohne Zustimmung des anderen zu verfügen und das Grundstück dem anderen Ehegatten u.a. bei Stellung eines Scheidungsantrags durch eine der Parteien ohne weitere Gegenleistung außer der Übernahme bestehender Belastungen zu übereignen, ist nicht generell sittenwidrig.

Allerdings wäre ein derartiger Vertrag schon bei Fehlen jeglicher kompensatorischer schuldrechtlicher Verpflichtungen des begünstigten Ehegatten (hier: des Ehemannes) wegen sittenwidriger Übervorteilung1 des anderen Ehegatten (hier: der Ehefrau) nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
Da bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Vornahme der Rechtsgeschäfte abzustellen ist2, ist die Möglichkeit in die Betrachtung einzubeziehen, dass der Übertragungsfall schon kurz nach Vertragsschluss eintreten würde. Dies wiederum hätte im vorliegenden Fall dazu geführt, dass die Ehefrau trotz Wegfalls der Möglichkeit, aus der Vermietung des Grundstücks Einnahmen zu erzielen, zumindest im Außenverhältnis weiterhin die von ihr zur Finanzierung des Grundstücks aufgenommenen Darlehen in nahezu voller Höhe hätte bedienen müssen. Eine solche vertragliche Gestaltung stellte – da für die Annahme einer schenkweisen Eigentumsübertragung zumal im Lichte der vorgetragenen steuerrechtlichen Gestaltung nach dem sog. Wiesbadener Modell3 nichts ersichtlich ist – eine krasse Übervorteilung der Ehefrau dar, die von der Rechtsordnung nicht hingenommen werden könnte4.
Jedoch hält die Auslegung, wonach die Ehefrau im Falle eines Übertragungsverlangens nur Zug um Zug entweder gegen Befreiung von den restlichen Darlehensverbindlichkeiten im Außenverhältnis (§ 415 Abs. 1 BGB) oder aber gegen Stellung einer entsprechenden (werthaltigen) Sicherheit (§ 273 Abs. 3 BGB) zur Eigentumsübertragung verpflichtet ist, einer rechtlichen Überprüfung durch den Bundesgerichtshof stand.
Der Ehemann ist nach dem dem Wortlaut des Vertrages „im Falle des Übereignungsverlangens“ verpflichtet, sämtliche im Grundbuch in Abteilung – II und – III vor seiner Vormerkung eingetragenen Belastungen zu übernehmen; nur „ansonsten“ hat er keine „weiteren Gegenleistungen“ zu erbringen. Insbesondere die Bezeichnung der Übernahmeverpflichtung als „Gegenleistung“ legt es zumindest nahe, dass der Ehemann selbst eine Leistung zu erbringen hat und er es nicht nur hinnehmen muss, dass er keine lastenfreien Grundstücke übereignet bekommt. Untermauert wird dies zudem dadurch, dass die Ehefrau vor Eintritt des Übergabefalls zwar die Darlehen bedienen muss, sie die Grundstücke aber auch durch Vermietung nutzen kann. Da diese Möglichkeit mit der Grundstücksübertragung entfällt, wäre es nicht interessengerecht, die Belastung der Klägerin mit den noch offenen Darlehensverbindlichkeiten aufrechtzuerhalten.
Dass auch die Stellung eines Scheidungsantrages den Übertragungsfall auslöst, ist unter dem Blickwinkel von § 138 Abs. 1 BGB unbedenklich. Da es für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit – wie bereits dargelegt – auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankommt, wäre die Vereinbarung nur dann zu beanstanden, wenn die Finanzierung nach den Vereinbarungen der Parteien nicht zumindest im Wesentlichen aus den Mieteinnahmen hätte bedient werden sollen, sondern in einem nicht unerheblichen Maß aus Eigenmitteln der Ehemann. Dem stünde es gleich, wenn es für die Parteien aufgrund greifbarer Anhaltspunkte bereits absehbar gewesen wäre, dass es zu einem Einsatz von Eigenmitteln kommen würde.
Die Erwägung, bei Abschluss der Verträge habe nichts dagegen gesprochen, dass die für den Erwerb und die Bebauung aufgenommenen (bzw. noch aufzunehmenden) Darlehen aus den laufenden Erträgen hätten zurückgeführt werden können, wird durch die Tatsache, dass die Darlehn von der Ehefrau mit eigenen Mitteln bedient wurden, nicht entkräftet, soweit dies nicht bereits den bei Vertragsschluss getroffenen Abreden entsprach oder aufgrund greifbarer Anhaltspunkte bei Vertragsschluss bereits absehbar war.
Gingen die Parteien bei Vertragsschluss aber davon aus, dass die Ehefrau entsprechend dem von den Parteien verfolgten Steuersparmodell zumindest keine wesentlichen Eigenmittel aufbringen sollte und im Übertragungsfall die schuldrechtliche Verpflichtung des Ehemanns eingreifen sollte, die Ehefrau von den Darlehensverbindlichkeiten zu befreien, hat die Vertragsgestaltung auch nicht zur Folge, dass eine verständige Vertragspartei allein oder überwiegend aus wirtschaftlichen Erwägungen einen Scheidungsantrag stellt oder von der Stellung eines solchen Antrags abgehalten wird5.
Vor diesem Hintergrund führt auch die Gesamtwürdigung aller Abreden unter Berücksichtigung insbesondere des Umstandes, dass die Ehefrau den Ehemann unter Befreiung der Beschränkungen nach § 181 BGB die unwiderrufliche Vollmacht zur Erklärung der Auflassung(en) erteilt hat, nicht zur Nichtigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB6. Dass die Ehefrau bei dem von den Parteien verfolgten Vertragsmodell den Risiken ausgesetzt ist, die jeder Grundstückseigentümer zu tragen hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Zwar steht der Ehefrau im Falle des Übertragungsverlangens – anders als mit Blick auf die Darlehensverbindlichkeit – insoweit kein schuldrechtlicher Anspruch gegen den Ehemann zu, wenn sich solche Risiken realisieren. Diese – im Übrigen nur schwer quantifizierbaren – Risiken werden jedoch zumindest zu einem erheblichen Teil durch die von den Parteien mit der vertraglichen Gestaltung bezweckte steuerliche Besserstellung kompensiert. Eine ggf. verbleibende Disparität hat jedenfalls kein derartiges Gewicht, dass die Verträge bei der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände mit dem Verdikt der Sittenwidrigkeit zu belegen wären.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 30. Januar 2015 – V ZR 171/13
- dazu etwa BGH, Urteil vom 10.12 2013 – XI ZR 508/12, WM 2014, 124 Rn. 15 mwN[↩]
- vgl. nur BGH, Urteil vom 21.02.2014 – – V ZR 176/12, NJW 2014, 2177 Rn. 10; Urteil vom 10.02.2012 – V ZR 51/11, NJW 2012, 1579 Rn. 13 mwN[↩]
- dazu BFHE 145, 129, 132 f.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 21.02.2014 – – V ZR 176/12, NJW 2014, 2177 Rn. 10[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 21.02.2014 – – V ZR 176/12, NJW 2014, 2177 Rn. 18 mwN.[↩]
- vgl. auch BGH, Urteil vom 21.02.2014 – – V ZR 176/12, NJW 2014, 2177 Rn. 18[↩]