Immunität eines Diplomaten und seine Ehescheidung

Die Immunität im Sinne des Art. 31 Abs. 1 WÜD hindert einen Diplomaten nicht, als Antragsteller oder Kläger gerichtlichen Rechtsschutz vor den Gerichten des Empfangsstaates in Anspruch zu nehmen. Sie steht deswegen einer Anerkennung des ausländischen Scheidungsurteils in einem von ihm eingeleiteten Verfahren nach §§ 107, 109 FamFG nicht entgegen.

Immunität eines Diplomaten und seine Ehescheidung

Die Immunität des Antragstellers hindert nicht die Anerkennung der – im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Streitfall mit Urteil des Amtsgerichts des Kreises Tirana (Republik Albanien) ausgesprochenen – Ehescheidung in Deutschland nicht hindert. Zwar steht das Völkerrecht der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung in Deutschland gemäß § 107 FamFG entgegen, wenn der Entscheidungsstaat diplomatische Immunitäten missachtet hat1. Vorliegend musste das Gericht in Albanien die Immunität des Antragstellers aber nicht berücksichtigen.

Gemäß Art. 31 Abs. 1 Satz 2 WÜD genießt der Diplomat grundsätzlich Immunität von der Zivilgerichtsbarkeit des Empfangsstaats. In Albanien ist das WÜD am 09.03.1988 in Kraft getreten2.

Der Begriff „Diplomat“ bezeichnet nach Art. 1 e WÜD den Missionschef und die Mitglieder des diplomatischen Personals der Mission. Nach der Auskunft des Auswärtigen Amts vom 25.01.2010 war der Antragsteller in Albanien als Mitglied des diplomatischen Personals zur Diplomatenliste angemeldet. Daher wird er grundsätzlich von dem Schutzbereich des Art. 31 WÜD erfasst.

Immunität ist Diplomaten nicht in ihrem persönlichen Interesse zuerkannt, sondern soll der Repräsentanz des fremden Staates dienen und die internationalen Beziehungen erleichtern und vor allem schützen3. Zur ungestörten Wahrnehmung seiner Aufgaben, wie sie sich aus Art. 3 WÜD ergeben, ist es notwendig, dass der Diplomat frei und unbeeinflusst im Empfangsstaat arbeiten und frei mit dem Entsendestaat kommunizieren kann4. Die Immunität dient somit nicht dem Zweck einzelner geschützter Personen. Auch aus diesem Verständnis von Immunität kann aber keine generelle Kontrollbefugnis des Entsendestaats hergeleitet werden.

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Damit der Diplomat (und damit der Entsendestaat) nicht einer Kontrolle durch den Empfangsstaat unterliegt bzw. an der Erfüllung der dienstlichen Aufgaben gehindert ist, besteht gegenüber der Zivilgerichtsbarkeit des Empfangsstaates – zu der auch das Familienrecht zählt – eine eingeschränkte Immunität. Aufgrund der Immunität ist es, außer in den in Art. 31 Abs. 1 a bis c, 32 Abs. 3 WÜD besonders aufgeführten Fällen, nicht zulässig, Zivilverfahren gegen den Diplomaten durchzuführen und Entscheidungen gegen ihn ergehen zu lassen5. Diplomaten dürfen also grundsätzlich nicht zivilrechtlich verklagt bzw. verurteilt werden6.

Die Immunität hindert den Diplomaten indessen nicht, als Antragsteller oder Kläger gerichtlichen Rechtsschutz vor den Gerichten des Empfangsstaates in Anspruch zu nehmen. Sowohl nach dem Wortlaut des Art. 31 Abs. 1 Satz 2 WÜD, wonach dem Diplomaten Immunität „von“ der Zivilgerichtsbarkeit des Empfangsstaats zusteht, als auch nach dem Sinn und Zweck der diplomatischen Immunität im Völkerrecht erstreckt sich diese nicht auf Verfahren, in denen er selbst Gerichtsschutz begehrt. Es handelt sich dabei gerade nicht um gegen ihn gerichtete Maßnahmen, vor denen er aufgrund seiner Position besonders geschützt werden muss bzw. die ihn in der freien, unbeeinflussten Arbeit im Empfangsstaat hindern. Die Immunität greift also nicht, soweit der die Immunität Genießende selbst Klagen vor den Gerichten des Empfangsstaates erhebt bzw. Verfahren anstrengt7.

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Auch aus Art. 32 Abs. 3 WÜD kann kein Argument dafür hergeleitet werden, dass der Diplomat durch seine Immunität an Klageerhebungen gehindert sein könnte. Nach dieser Vorschrift kann sich der Diplomat in Bezug auf eine Widerklage, die mit einem von ihm angestrengten Gerichtsverfahren in unmittelbarem Zusammenhang steht, nicht auf Immunität berufen.

Die Regelung ist folgerichtig, denn es wäre aus rechtsstaatlichen Gründen nicht gerechtfertigt, wenn der Gegenseite im Rahmen der Klage eines Diplomaten die Geltendmachung von Ansprüchen, die mit der Klage in unmittelbarem Zusammenhang stehen, aufgrund der Immunität des Diplomaten unmöglich wäre8. Einschränkende Voraussetzungen für das Führen des Hauptverfahrens, wie etwa einen Immunitätsverzicht, benennt die Vorschrift nicht. Aus dem Umstand, dass das Gesetz von der Möglichkeit einer von einem Diplomaten vor einem Gericht des Empfangsstaates erhobenen Klage ausgeht, kann vielmehr der gegenteilige Schluss gezogen werden, dass die Immunität der Klageerhebung gerade nicht entgegen steht9.

Die Ansicht, dass Klagen eines Diplomaten im Empfangsstaat, und somit auch Anträge in Familienrechtsangelegenheiten, ohne vorherigen ausdrücklichen Immunitätsverzicht des Entsendestaates nicht möglich seien10 verkennt somit bereits, dass die eigenen Anträge auf gerichtlichen Rechtsschutz nicht von der Immunität erfasst werden11. Ein Verzicht auf die Immunität durch den Entsendestaat ist somit ebenso wenig erforderlich12, wie eine Genehmigung der Prozessführung13. Die Auffassung, Art. 32 Abs. 3 WÜD unterstelle einen Immunitätsverzicht des Entsendestaats, weil der Diplomat über seine Privilegien nicht selbst disponieren könne14, kann aus den genannten Gründen nicht überzeugen.

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Weil die Immunität des Antragstellers die Durchführung des von ihm eingeleiteten Scheidungsverfahrens in Albanien nicht hinderte, kann die Frage dahinstehen, ob ein Diplomat selbst wirksam auf die Immunität verzichten kann. Auch ist nicht entscheidungserheblich, dass die Bundesrepublik Deutschland ausdrücklich keinen Immunitätsverzicht erklärt hat.

Das Fehlen von sonstigen Anerkennungshindernissen ist mit Ausnahme von § 109 Abs. 1 Nr. 2 FamFG von Amts wegen zu prüfen15. Zutreffend hat das Kammergericht die Zuständigkeit des Amtsgerichts des Kreises Tirana für das Scheidungsverfahren nach dem sogenannten „Spiegelbildprinzip“ des § 109 Abs. 1 Nr. 1 FamFG bejaht, weil beide Beteiligte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Tirana hatten (§ 98 Abs. 1 Ziff. 2 FamFG).

Soweit die Antragsgegnerin im Ausgangsverfahren eingewandt hat, sie sei nicht ordnungsgemäß am Verfahren in Albanien beteiligt worden, steht dies einer Anerkennung ebenfalls nicht entgegen. Die Antragsgegnerin hat sich mit ihrer Rechtsbeschwerde nicht auf § 109 Abs. 1 Nr. 2 FamFG berufen und auch nicht vorgetragen, dass sie sich zur Hauptsache nicht geäußert habe. Im Hinblick auf die Feststellungen des Kammergerichts liegt dies auch fern. Denkbar wäre insoweit allenfalls ein – von Amts wegen zu berücksichtigender – Verstoß gegen den deutschen ordre public, was zu einem Anerkenntnishindernis nach § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG führen würde (MünchKomm-ZPO/Rauscher § 109 FamFG Rn. 22). § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG ist restriktiv auszulegen und die Anwendung auf Ausnahmesituationen zu begrenzen, wobei insbesondere nicht jeder Verfahrensunterschied einen Verstoß gegen die inländische öffentliche Ordnung bewirkt16. In dem Scheidungsurteil des Amtsgerichts wird ausdrücklich ausgeführt, dass (auch) die Antragsgegnerin an einer Vorverhandlung Anfang 2009 teilgenommen hat, dabei angehört wurde und sie somit von dem Verfahren Kenntnis hatte. Weiter ergibt sich aus dem Urteil, dass das Gericht mit einem Zwischenbeschluss seine Zuständigkeit festgestellt und die Parteien über diesen Beschluss in Kenntnis gesetzt hatte. Dagegen hat die Antragsgegnerin keinen Widerspruch erhoben. Schließlich hat sich die Antragsgegnerin geweigert, Ladungen zu unterzeichnen. Daraus folgt, dass die Antragsgegnerin die Möglichkeit hatte, sich in dem Verfahren zu äußern und Einfluss zu nehmen. Eine offensichtliche Unvereinbarkeit des Verfahrens mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts liegt somit nicht vor17.

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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30. März 2011 – XII ZB 300/10

  1. vgl. SchulteBunert/Weinreich/Baetge FamFG 02. Aufl. § 109 Rn. 2[]
  2. BGBl. II 1988 S. 516[]
  3. Doehring Völkerrecht 02. Aufl. Rn. 675; vgl. auch die Präambel zum WÜD[]
  4. vgl. z.B. Hailbronner, in: Graf Vitzthum, Völkerrecht, 4. Aufl. Rn. 57 f.[]
  5. Ipsen Völkerrecht 05. Aufl. § 35 Rn. 45[]
  6. vgl. Kissel/Mayer GVG 06. Aufl. § 18 Rn. 3; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, 6. Aufl. § 2 Rn. 52, 70[]
  7. vgl. BVerwG NJW 1996, 2744; OVG Münster NJW 1992, 2043; Kissel/Mayer, GVG, 6. Aufl. § 18 Rn. 24; MünchKomm-ZPO/Zimmermann, 3. Aufl. vor §§ 18 ff. GVG Rn. 10; Nagel/Gottwald Internationales Zivilprozessrecht, 6. Aufl. § 2 Rn. 57; das Reichsgericht hatte diese Frage ausdrücklich offen gelassen: RGZ 111, 149, 150[]
  8. vgl. auch RGZ 111, 149, 150 f.; Kissel/Mayer, GVG, 6. Aufl. § 18 Rn. 24; MünchKomm-ZPO/Zimmermann, 3. Aufl., § 18 GVG Rn. 8[]
  9. vgl. OVG Münster NJW 1992, 2043[]
  10. Wagner/Raasch/Pröpstl, WÜD, 2007, Art. 32 Anm. 3[]
  11. vgl. Ipsen Völkerrecht 05. Aufl. § 35 Rn. 49[]
  12. MünchKomm-ZPO/Zimmermann, 3. Aufl., vor §§ 18 ff. GVG Rn. 10[]
  13. Geimer Internationales Zivilprozessrecht, 6. Aufl., Rn. 772 Fn. 679[]
  14. Richtsteig, Wiener Übereinkommen über diplomatische und konsularische Beziehungen, 2. Aufl., Art. 32 Anm. 2[]
  15. MünchKommZPO/Rauscher § 109 FamFG Rn. 9; SchulteBunert/Weinreich/Baetge, FamFG, 2. Aufl., § 109 Rn. 1[]
  16. SchulteBunert/Weinreich/Baetge FamFG 02. Aufl. § 109 Rn. 18, 23; vgl. auch BGH, Urteil in BGHZ 182, 204 = FamRZ 2009, 2069 Rn. 22 ff.[]
  17. vgl. BGH, Urteil BGHZ 182, 204 = FamRZ 2009, 2069 Rn. 22 ff.[]
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