Rechtsmittelbelehrung in selbständigen Familiensachen

Aus der Formulierung „Alle Beteiligten müssen sich in selbständigen Familienstreitsachen durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, der die Beschwerdeschrift zu unterzeichnen hat“ wird für den Rechtsunkundigen, der nicht wissen kann, ob es sich bei dem Rechtsstreit um eine Familienstreitsache handelt, nicht klar, ob er für die Einlegung des Rechtsmittels eines Rechtsanwaltes bedarf.

Rechtsmittelbelehrung in selbständigen Familiensachen

Gemäß § 113 Abs. 1 FamFG, § 233 ZPO ist einem Beteiligten, der ohne sein Verschulden verhindert ist, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde, der Rechtsbeschwerde oder die Frist nach § 234 Abs. 1 ZPO einzuhalten, auf seinen Antrag hin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Verschulden der Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten an der Fristversäumung wirkt sich dann nicht mehr aus, wenn es dem Gericht durch entsprechende Hinweise noch möglich gewesen wäre, die Fristversäumung zu vermeiden und eine entsprechende Hinweispflicht seitens des Gerichts bestand1.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Die fehlende Kenntnis des Antragsgegners über die erforderliche Form der Beschwerdeeinlegung ist vorliegend nicht ursächlich für die Versäumung des Beschwerdefrist nach § 63 FamFG gewesen.

Nachdem die persönlich eingelegte Beschwerde des Antragsgegners bereits vierzehn Tage vor Ablauf der Beschwerdefrist beim Amtsgericht eingegangen war, wäre es von Seiten des Gerichts noch möglich gewesen, rechtzeitig auf den Anwaltszwang hinzuweisen, so dass die fehlerhafte Form der Beschwerdeeinlegung nicht mehr ursächlich dafür war, dass der Antragsgegner nicht innerhalb der Beschwerdefrist formgerecht Beschwerde eingelegt hat.

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Vorliegend bestand auch eine Hinweispflicht seitens des Familiengerichts auf den Anwaltszwang. Zwar besteht keine generelle Fürsorgepflicht des Gerichts, durch Hinweise oder andere geeignete Maßnahmen eine Fristversäumung des Rechtsmittelführers zu verhindern2. In Familiensachen lässt sich eine Pflicht zum Hinweis auf den Anwaltszwang für das Rechtsmittel aber aus § 39 FamFG ableiten. Nach § 39 FamFG hat jeder Beschluss eine Belehrung über das statthafte Rechtsmittel, den Einspruch, den Widerspruch oder die Erinnerung sowie das Gericht, bei dem diese Rechtsbehelfe einzulegen sind, dessen Sitz und die einzuhaltende Form und Frist zu enthalten. Über einen Anwaltszwang ist zu belehren3. Die Beteiligten sollen durch die Rechtsbehelfsbelehrung in die Lage versetzt werden, ohne die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes den zulässigen Rechtsbehelf gegen die ergangene Entscheidung einzulegen4.

Erforderlich ist daher eine Belehrung, die nicht abstrakt alle denkbaren Rechtsbehelfe anführt, sondern über den gegen die konkrete Entscheidung statthaften Rechtsbehelf belehrt5. Dem wird vorliegend die in dem angefochtenen Beschluss enthaltene Rechtsbehelfsbelehrung jedenfalls insoweit nicht gerecht, als es um die Belehrung über den Anwaltszwang geht. Aus dem Wortlaut der Rechtsbehelfsbelehrung lässt sich für einen Laien nicht eindeutig ableiten, ob im vorliegenden Fall ein Anwaltszwang für die Beschwerdeeinlegung besteht. Aus der Formulierung „Alle Beteiligten müssen sich in selbständigen Familienstreitsachen durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, der die Beschwerdeschrift zu unterzeichnen hat“ ist im konkreten Einzelfall für den Rechtsunkundigen, der nicht wissen kann, ob es sich vorliegend um eine Familienstreitsache handelt, nicht klar, ob er nun eines Rechtsanwaltes bedarf. Da in der Rechtsbehelfsbelehrung kein ausreichender Hinweis auf den Anwaltszwang vorhanden ist, war das Gericht, nachdem der Antragsgegner die Beschwerde persönlich eingelegt und in seiner Beschwerde mitgeteilt hatte, dass er seinem Rechtsanwalt das Mandat gekündigt habe, zu einem zeitnahen Hinweis auf den Anwaltszwang gehalten.

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Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 25. Mai 2011 – 5 UF 76/11

  1. BGH, Beschluss vom 20.04.2011, VII ZB 78/09; Zöller/Feskorn, 28. Aufl., § 39 FamFG, Rn. 22 b[]
  2. BGH, a.a.O., BGH, MDR 2006,286[]
  3. Zöller/Feskorn, a.a.O, § 39 FamFG, Rn. 14[]
  4. Begr. RegE BTDrs 16/6308, S. 196[]
  5. Zöller/Feskorn, a.a.O., Rn. 11[]