§ 280 Abs. 1 Satz 1 FamFG sieht für das Betreuungsverfahren eine förmliche Beweisaufnahme vor. Nach § 30 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 FamFG ist diese entsprechend der Zivilprozessordnung durchzuführen.

Danach bedarf es zwar nicht zwingend eines förmlichen Beweisbeschlusses (vgl. § 358 ZPO), jedoch ist die Ernennung des Sachverständigen dem Betroffenen wenn nicht förmlich zuzustellen, so doch zumindest formlos mitzuteilen1.
Ferner hat der Sachverständige gemäß § 280 Abs. 2 Satz 1 FamFG vor der Erstattung des Gutachtens den Betroffenen persönlich zu untersuchen oder zu befragen. Dabei muss er schon vor der Untersuchung des Betroffenen zum Sachverständigen bestellt worden sein und ihm den Zweck der Untersuchung eröffnen. Andernfalls kann der Betroffene sein Recht, an der Beweisaufnahme teilzunehmen, nicht sinnvoll ausüben2.
Die Verwertung eines Sachverständigengutachtens als Entscheidungsgrundlage setzt schließlich gemäß § 37 Abs. 2 FamFG voraus, dass das Gericht den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat. Insoweit ist das Gutachten mit seinem vollen Wortlaut grundsätzlich auch dem Betroffenen persönlich im Hinblick auf dessen Verfahrensfähigkeit (§ 275 FamFG) zur Verfügung zu stellen. Davon kann nur unter den Voraussetzungen des § 288 Abs. 1 FamFG abgesehen werden3.
Dem wurde in dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall das instanzgerichtliche Verfahren4 nicht gerecht:
Zu Recht rügen die Rechtsbeschwerden, es sei weder aus den Akten noch sonst ersichtlich, dass der Betroffenen die Bestellung des Sachverständigen vor Beginn der Begutachtung bekannt gegeben worden ist. Auch sonst lassen sich keine Anhaltspunkte dafür finden, dass die von dem Sachverständigen durchgeführten Erhebungen einer späteren Begutachtung dienen sollten und dies der Betroffenen bekannt war5.
Schließlich kann den Akten nicht entnommen werden, dass das Sachverständigengutachten der Betroffenen oder auch nur den anderen Beteiligten vor Erlass der Entscheidung bekannt gegeben worden ist. Vielmehr ergibt sich aus der Verfügung, mit der das Amtsgericht die Bekanntgabe seiner Entscheidung veranlasst hat, dass allen Beteiligten mit Ausnahme der Betroffenen eine Abschrift des Gutachtens erst mit der Beschlussausfertigung übersandt worden ist.
Die vorstehenden Verfahrensfehler sind auch nicht durch das Beschwerdeverfahren geheilt worden, zumal das Beschwerdegericht die Betroffene nicht selbst angehört hat.
Zwar räumt § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG auch in einem Betreuungsverfahren dem Beschwerdegericht die Möglichkeit ein, von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abzusehen. Im Beschwerdeverfahren kann allerdings nicht von einer Wiederholung solcher Verfahrenshandlungen abgesehen werden, bei denen das Gericht des ersten Rechtszuges zwingende Verfahrensvor- schriften verletzt hat. In diesem Fall muss das Beschwerdegericht den betreffenden Teil des Verfahrens nachholen6.
Solche Verfahrensvorschriften sind hier – wie ausgeführt – bezogen auf die Begutachtung verletzt worden.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19. August 2015 – XII ZB 610/14
- vgl. BGH, Beschluss vom 15.09.2010 – XII ZB 383/10 , FamRZ 2010, 1726 Rn.19 für das Unterbringungsverfahren[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 15.09.2010 – XII ZB 383/10 , FamRZ 2010, 1726 Rn.20 mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 07.08.2013 – XII ZB 691/12 , FamRZ 2013, 1725 Rn. 11 mwN[↩]
- AG Hannover, Beschluss vom 08.10.2014 – 661 XVII B 8681; LG Hannover, Beschluss vom 16.10.2014 – 3 T 84/14[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 15.09.2010 – XII ZB 383/10 , FamRZ 2010, 1726 Rn. 23[↩]
- BGH, Beschluss vom 17.10.2012 XII ZB 181/12 , FamRZ 2013, 31 Rn. 10 mwN[↩]