Scheidungsantrag vor Ablauf des Trennungsjahres – und die Verfahrenskostenhilfe

Für ein Scheidungsverfahren, in dem Härtegründe nicht geltend gemacht werden, kommt vor Ablauf des Trennungsjahres eine Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nicht in Betracht.

Scheidungsantrag vor Ablauf des Trennungsjahres – und die Verfahrenskostenhilfe

Ein Antrag auf – wie vorliegend nach dem ausdrücklichen Widerspruch der Antragsgegnerin gegeben – streitige Scheidung hat nur Erfolgsaussicht, wenn feststeht, daß die Ehe im Sinne von § 1566 BGB unheilbar gescheitert ist. Dies ist selbst im Falle einer einvernehmlichen Scheidung allein nach Ablauf des Trennungsjahres gemäß § 1566 Abs. 1 BGB der Fall.

Nach herrschender Auffassung der (neueren) obergerichtlichen Rechtsprechung, der sich das Oberlandesgericht Celle vorliegend ausdrücklich anschließt, kommt – soweit nicht ausnahmsweise die Voraussetzungen für eine sog. „Härtefallscheidung“ substantiiert dargetan sind – eine Bewilligung von VKH erst nach Ablauf des gesetzlich ausdrücklich vorgeschriebenen Trennungsjahres in Betracht,1.

Das OLG Celle vermag auch weder eine vermeintliche „Gerichtspraxis“ festzustellen, nach der bereits nach einer neunmonatigen Trennung ein Scheidungsantrag eingereicht werden dürfte, noch wäre eine tatsächliche derartige „Praxis“ überhaupt geeignet, die ausdrückliche gesetzliche Regelung außer Kraft zu setzen.

Der Gesetzgeber hat das Erfordernis einer einjährigen Trennung selbst für eine einvernehmliche Scheidung bewußt eingeführt, um damit übereilten Scheidungen vorzubeugen2. Der Gesetzgeber geht damit ersichtlich davon aus, daß einem nicht bereits über die Dauer eines Jahres bestehenden Scheidungswillen rechtlich keine erhebliche Bedeutung zukommt. Deswegen darf eine – für die Bewilligung von VKH erforderliche – hinreichende Erfolgsaussicht (selbst für eine – im Streitfall nicht einmal gegebene – einvernehmliche Scheidung) erst dann angenommen werden, wenn die vom Gesetzgeber ausdrücklich angeordnete Jahresfrist bereits tatsächlich abgelaufen ist.

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Nachdem der Antragsteller im Streitfall ausdrücklich auf einer unmittelbaren Entscheidung über sein VKH-Gesuch bestand, blieb für das Amtsgericht auch keine Möglichkeit, wie in der Literatur3 angeregt wird und grundsätzlich sachgerecht sein dürfte, die Entscheidung über das VKH-Gesuch bis zu einem Zeitpunkt nach Ablauf des Trennungsjahres zurückzustellen.

Oberlandesgericht Celle – Beschluss vom 17. Januar 2014 – 10 WF 4/14

  1. vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 15.06.2006 – 11 WF 103/06, NJW 2006, 3648 f. = OLGR Rostock 2007, 12 f.; OLG Köln, Beschluss vom 05.11.2003 – 26 WF 258/02, FamRZ 2004, 1117; OLG Dresden, Beschluss vom 05.12 2001 – 20 WF 794/01, FamRZ 2002, 890 f.; OLG Hamm, Beschluss vom 20.12 1995 – 12 WF 440/95, OLGR Hamm 1996, 154 f.; etwas weiter noch OLG Hamm – Beschluss vom 18.04.1980 – 2 WF 121/80, für den Fall des „unmittelbar bevorstehenden“ Ablaufs[]
  2. BT-Drs. 7/650 S. 112 und 7/4362 S. 11[]
  3. vgl. Zimmermann, Prozeßkosten- und Verfahrenskostenhilfe4, Rz. 188[]