Umgangskontakte – und die aus Kindeswohlgründen unterbliebene Vollstreckung

Nach den fachrechtlichen Vorgaben findet im Vollstreckungsverfahren eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der zu vollstreckenden Entscheidung und mithin eine (erneute) Kindeswohlprüfung grundsätzlich nicht statt1.

Umgangskontakte – und die aus Kindeswohlgründen unterbliebene Vollstreckung

Dieser Grundsatz kennt aber fachrechtlich Ausnahmen. Eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der zu vollstreckenden Entscheidung erfolgt in Ausnahmefällen, beispielsweise, wenn der titulierte Umgang offenkundig mit einer Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes im Sinne des § 1666 Abs. 1 BGB verbunden wäre2.

Im hier entschiedenen Fall haben Familiengericht und Oberlandesgericht aufgrund des Einnässens des Sohnes nach einzelnen Umgangskontakten mit dem Vater und nach Einholung eines Sachverständigengutachtens nachvollziehbar angenommen, dass Umgangskontakte des Vaters mit dem Sohn dessen Wohl gefährden, weshalb fachrechtlich ausnahmsweise eine Kindeswohlprüfung im Vollstreckungsverfahren stattfinden durfte und diese Prüfung nachvollziehbar zu Ungunsten der Durchsetzung der angeordneten Umgangskontakte des Vaters ausging.

Dass die Fachgerichte dabei davon ausgegangen sind, durch den Beschluss des Oberlandesgerichts zum Umgangsausschluss vom 07.12.2020 sei die Grundlage für eine Vollstreckung der amtsgerichtlichen Entscheidung entfallen3, dürfte zwar fachrechtlich zweifelhaft sein4. Es lässt sich jedoch nicht erkennen, dass die vertretene Rechtsauffassung auf einer grundlegenden Verkennung des Elternrechts des Vaters beruht. Denn das fachgerichtlich erzielte Ergebnis, aus der familiengerichtlichen Umgangsregelung vom 20.05.2020 nicht mehr zu vollstrecken, nachdem eine aus den Umgängen resultierende Kindeswohlgefährdung im Raum stand, hätte fachrechtlich ohnehin herbeigeführt werden dürfen oder gar zum Schutz des Kindes herbeigeführt werden müssen. Das Oberlandesgericht hätte die Vollstreckung aus dem Beschluss vom 20.05.2020 wegen der Anhaltspunkte für eine umgangsbedingte Kindeswohlgefährdung bereits zuvor auf der Grundlage von § 64 Abs. 3 FamFG oder § 93 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 FamFG einstellen können oder müssen.

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Soweit der Vater mit der Verfassungsbeschwerde auch die Verletzung von Grundrechten seines Sohnes geltend machen möchte, ist er dazu prozessual mangels Vertretungsbefugnis nicht berechtigt.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 10. November 2022 – 1 BvR 1496/22

  1. vgl. BGH, Beschluss vom 01.02.2012 – XII ZB 188/11 22[]
  2. vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.09.2012 – 4 WF 196/12 21[]
  3. AG Lüdenscheid, Beschlüsse vom 06.07.2021 – 5 F  194/16; OLG Hamm, Beschlüsse vom 17.05.2022 – II4 WF 284/21 und II4 WF 285/21; vom 20.06.2022 – II4 WF 284/21; und vom 30.08.2022 – II4 WF 285/21[]
  4. vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.09.2012 – 4 WF 196/12 23[]

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