Welche Begründungsanforderungen bestehen, wenn eine Unterbringung von einem Jahr angeordnet oder genehmigt werden soll? Mit dieser Frage hatte sich jetzt der Bundesgerichtshof erneut1 zu befassen.

Im hier entschiedenen Fall hatte das Landgericht Saarbrücken in seiner Beschwerdeentscheidung2 die Voraussetzungen für die Genehmigung der Unterbringung des Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung für die festgesetzte Dauer von insgesamt einem Jahr (§ 329 Abs. 1 Satz 1 FamFG) nicht ausreichend dargelegt:
Zwar ist das Landgericht noch zutreffend davon ausgegangen, dass sich der Fristablauf für die erforderliche Dauer einer Unterbringung grundsätzlich an dem Zeitpunkt der Erstellung des Sachverständigengutachtens orientieren muss und die Frist daher nicht erst mit der gerichtlichen Entscheidung beginnt3.
Das Landgericht hat bei seiner Entscheidung jedoch nicht berücksichtigt, dass die Jahresfrist des § 329 Abs. 1 Satz 1 FamFG eine Höchstgrenze darstellt, die nicht als Regelfrist verstanden werden darf4. Die Dauer der Unterbringungsmaßnahme ist daher stets für den konkreten Einzelfall und unter strikter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes festzusetzen und kann auch für einen kürzeren Zeitraum festgelegt werden5. Deshalb muss das Gericht auch dann, wenn es die Höchstfrist von einem Jahr nach § 329 Abs. 1 Satz 1 FamFG festsetzen möchte, begründen, warum es genau diese Dauer wählt. Die Begründung darf sich dabei nicht darauf beschränken, der festgesetzte Zeitraum entspreche der gesetzlich vorgesehenen Jahresfrist6.
Diesen Anforderungen wird die erneute Entscheidung des Landgerichts nicht gerecht. Denn es fehlt weiter an einer tragfähigen tatrichterlichen Würdigung der für die Unterbringungsdauer maßgeblichen Umstände. Die Begründung des Landgerichts erschöpft sich darin, die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in dessen Entscheidung vom 21.04.20217 zu den Anforderungen an die Begründung bei Festsetzung einer Unterbringungsdauer von mehr als einem Jahr wortgetreu zu wiederholen und daraus den Schluss zu ziehen, dass damit die Unterbringung auf längstens ein Jahr festzusetzen sei. Ob möglicherweise eine kürzere Unterbringungsdauer in Betracht zu ziehen ist, erörtert das Landgericht nicht, obwohl es der Sachverständige für denkbar gehalten hat, dass bereits nach sechs Monaten der Unterbringung abhängig vom klinischen Verlauf und nach Absprache mit dem Klinikpersonal „Lockerungsbestrebungen“ vorgenommen werden könnten. Das Landgericht hat sich ersichtlich auch nicht die Frage vorgelegt, ob im Hinblick auf die bereits verstrichene Zeit, in der der Betroffene zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung bereits in einer geschlossenen Einrichtung behandelt worden ist, eine Verbesserung seines Gesundheitszustands erreicht wurde, der die Festsetzung einer kürzeren Unterbringungsdauer hätte rechtfertigen können.
Ebenso wird der Betroffene durch die erstinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts Merzig8 in seinen Rechten verletzt, weil auch diese keine ausreichende Begründung für die festgesetzte Unterbringungsdauer enthält.
Der Betroffene ist durch die nicht ausreichend begründete Unterbringungsdauer in seinem Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt worden. Das nach § 62 Abs. 1 FamFG erforderliche berechtigte Interesse des Betroffenen daran, die Rechtswidrigkeit der hier durch Zeitablauf erledigten Unterbringungsmaßnahme feststellen zu lassen, liegt vor. Die gerichtliche Anordnung oder Genehmigung einer freiheitsentziehenden Maßnahme bedeutet stets einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff im Sinne des § 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG9.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29. September 2021 – XII ZB 300/21
- im Anschluss an BGH, Beschluss vom 21.04.2021 – XII ZB 520/20 FamRZ 2021, 1242[↩]
- LG Saarbrücken, Beschluss vom 31.05.2021 – 5 T 185/21[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 13.04.2016 XII ZB 236/15 FamRZ 2016, 1065 Rn. 23 mwN[↩]
- vgl. MünchKomm-FamFG/Schmidt-Recla 3. Aufl. § 329 Rn. 4[↩]
- vgl. BeckOK FamFG/Günter [Stand: 1.07.2021] § 329 Rn. 2[↩]
- MünchKomm-FamFG/Schmidt-Recla 3. Aufl. § 329 Rn. 4; BayObLG FamRZ 1995, 695, 696[↩]
- XII ZB 520/20 FamRZ 2021, 1242[↩]
- AG Merzig, Beschluss vom 14.07.2020 – 4 XVII (R) 209/19[↩]
- ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, vgl. BGH, Beschluss vom 02.12.2020 XII ZB 291/20 FamRZ 2021, 462 Rn. 21 mwN[↩]