Die Beschwerdefrist gegen eine nicht dem erklärten Willen des Betroffenen entsprechende Unterbringungsgenehmigung wird nicht in Gang gesetzt, wenn der Beschluss dem Betroffenen lediglich durch Aufgabe zur Post bekanntgegeben wird. Eine Heilung der fehlerhaften Zustellung durch tatsächlichen Zugang ist in diesem Fall wegen fehlenden Zustellungswillens des Gerichts nicht möglich1.

Dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs liegt ein Fall aus Hannover zugrunde: Das Amtsgericht Hannover hat mit Beschluss vom 23.01.2020 die geschlossene Unterbringung der Betroffenen längstens bis zum 23.01.2021 und zwei ärztliche Zwangsmaßnahmen genehmigt2. Der Beschluss ist der Betroffenen, die mit der Unterbringung nicht einverstanden ist, am 30.01.2020 durch Aufgabe zur Post übersandt worden. Die von der Betroffenen eingelegte Beschwerde ist am 3.03.2020 beim Amtsgericht eingegangen. Das Landgericht Hannover hat das von ihm unzutreffend als „sofortige Beschwerde“ bezeichnete Rechtsmittel wegen Ablaufs der Beschwerdefrist verworfen3. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Betroffenen, auf die der Bundesgerichtshof nun die Beschwerdeentscheidung aufhob und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Hannover zurückverwies, da die Beschwerdefrist nach § 63 Abs. 1 FamFG entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht abgelaufen war:
Nach § 63 Abs. 1 FamFG ist die Beschwerde innerhalb einer Frist von einem Monat einzulegen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten (§ 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG). Die Bekanntgabe kann durch Zustellung nach den §§ 166 bis 195 ZPO oder dadurch bewirkt werden, dass das Schriftstück unter der Anschrift des Adressaten zur Post gegeben wird (§ 15 Abs. 2 Satz 1 FamFG). Welche der beiden Möglichkeiten der Bekanntgabe das Gericht wählt, liegt grundsätzlich in dessen pflichtgemäßem Ermessen. Eine Wahlmöglichkeit besteht allerdings nicht, wenn spezielle gesetzliche Regelungen eine bestimmte Form vorschreiben. So ist nach § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG ein anfechtbarer Beschluss demjenigen zuzustellen, dessen erklärtem Willen er nicht entspricht.
Die Entscheidung in einer Betreuungs- oder Unterbringungssache ist dem Betroffenen dabei persönlich und unter Ausschluss der Ersatzzustellung an den Betreuer zuzustellen4.
Das Unterbleiben einer gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG erforderlichen förmlichen Zustellung führt zur Unwirksamkeit der Bekanntgabe, weshalb die einmonatige Beschwerdefrist (§ 63 Abs. 1 FamFG) nicht nach § 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG in Lauf gesetzt wird5.
Eine Heilung der fehlerhaften Zustellung entsprechend § 189 ZPO kommt nur bei vorliegendem Zustellungswillen in Betracht. Die formgerechte Zustellung muss hierfür vom Gericht wenigstens angestrebt worden sein6. Am erforderlichen Zustellungswillen fehlt es indessen, wenn das Gericht von vornherein bewusst von einer förmlichen Zustellung der Entscheidung absieht und eine schriftliche Bekanntgabe durch Aufgabe zur Post anordnet7.
Die Beschwerdefrist ist danach im vorliegenden Fall nicht in Gang gesetzt worden, weil das Amtsgericht lediglich die Bekanntgabe durch Aufgabe zur Post angeordnet hat. Eine Heilung scheidet wegen des fehlenden Zustellungswillens aus. Auf die vom Landgericht an die Betroffene gerichtete Frage, wann ihr der Beschluss zugegangen sei, kam es ebensowenig an wie auf die von ihm angenommene Fiktion des Zugangs. Die von der Betroffenen persönlich eingelegte Beschwerde war somit rechtzeitig.
Der angefochtene Beschluss war daher vom Bundesgerichtshof aufzuheben. Da das Landgericht noch nicht in der Sache entschieden hatte, war das Verfahren an dieses zur erneuten Behandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Dass inzwischen sowohl die Unterbringungsgenehmigung als auch die Genehmigung der ärztlichen Zwangsmaßnahmen durch Zeitablauf erledigt sind, steht dem nicht entgegen. Der Betroffenen wird in der Beschwerdeinstanz vielmehr Gelegenheit zu geben sein, ihren Antrag auf einen Feststellungsantrag nach § 62 FamFG umzustellen, den sie in der Rechtsbeschwerdebegründung bereits angekündigt hat.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16. Juni 2021 – XII ZB 358/20
- Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 19.02.2020 XII ZB 291/19 FamRZ 2020, 770; und vom 24.10.2018 XII ZB 188/18 FamRZ 2019, 477[↩]
- AG Hannover, Beschluss vom 23.01.2020 – 668 XVII S 6040[↩]
- LG Hannover, Beschluss vom 06.04.2020 – 2 T 19/20[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 26.06.2019 XII ZB 35/19 FamRZ 2019, 1636 Rn. 13 ff.[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 24.10.2018 XII ZB 188/18 FamRZ 2019, 477 Rn. 11 mwN[↩]
- vgl. BGHZ 214, 294 = NJW 2017, 2472 Rn. 35[↩]
- BGH, Beschluss vom 19.02.2020 XII ZB 291/19 FamRZ 2020, 770 Rn.19[↩]