Unterbringungsverfahren – und die Anhörung des Betroffenen ohne Verfahrenspfleger

Eine Anhörung des Betroffenen im Unterbringungsverfahren, die stattgefunden hat, ohne dass der Verfahrenspfleger Gelegenheit hatte, an ihr teilzunehmen, ist verfahrensfehlerhaft1.

Unterbringungsverfahren – und die Anhörung des Betroffenen ohne Verfahrenspfleger

Insbesondere auch die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts ist in einem solchen Fall verfahrensfehlerhaft ergangen. Das Landgericht hätte die Betroffene selbst anhören müssen, nachdem der Verfahrenspfleger an der erstinstanzlichen Anhörung nicht teilgenommen hatte, weil er ersichtlich nicht geladen worden ist. Nach § 319 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat das Gericht den Betroffenen vor einer Unterbringungsmaßnahme persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen. Diese Pflicht zur persönlichen Anhörung des Betroffenen besteht nach § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren. Zwar räumt § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG auch in einem Unterbringungsverfahren dem Beschwerdegericht die Möglichkeit ein, von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abzusehen. Dies setzt jedoch unter anderem voraus, dass die Anhörung bereits im ersten Rechtszug ohne Verletzung von zwingenden Verfahrensvorschriften vorgenommen worden ist2.

Das war vorliegend indes nicht der Fall, da das Amtsgericht die Betroffene nicht in Anwesenheit ihres Verfahrenspflegers angehört hat.

Die Bestellung eines Verfahrenspflegers in einer Unterbringungssache gemäß § 317 Abs. 1 Satz 1 FamFG soll die Wahrung der Belange des Betroffenen in dem Verfahren gewährleisten. Er soll bei den besonders schwerwiegenden Eingriffen in das Grundrecht der Freiheit der Person nicht allein stehen, sondern fachkundig beraten und begleitet werden. Der Verfahrenspfleger ist daher vom Gericht im selben Umfang wie der Betroffene an den Verfahrenshandlungen zu beteiligen. Dies gebietet es zumindest dann, wenn das Betreuungsgericht bereits vor der Anhörung des Betroffenen die Erforderlichkeit einer Verfahrenspflegerbestellung erkennen kann, in Unterbringungssachen also regelmäßig, den Verfahrenspfleger schon vor der abschließenden Anhörung des Betroffenen zu bestellen. Das Betreuungsgericht muss durch die rechtzeitige Bestellung eines Verfahrenspflegers und dessen Benachrichtigung vom Anhörungstermin sicherstellen, dass dieser an der Anhörung des Betroffenen teilnehmen kann. Außerdem steht dem Verfahrenspfleger ein eigenes Anhörungsrecht zu. Erfolgt die Anhörung dennoch ohne die Möglichkeit einer Beteiligung des Verfahrenspflegers, ist sie verfahrensfehlerhaft und verletzt den Betroffenen in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG3.

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Das Amtsgericht, das ersichtlich die Bestellung eines Verfahrenspflegers für erforderlich gehalten hat, wie dem Verlängerungsbeschluss zu entnehmen ist, hat ihn nicht zu dem Anhörungstermin geladen. Im Termin anwesend war neben dem Richter nur die Betroffene.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13. April 2022 – XII ZB 267/21

  1. im Anschluss an BGH, Beschluss vom 30.09.2020 XII ZB 327/20 FamRZ 2021, 144[]
  2. vgl. BGH, Beschluss vom 02.12.2020 XII ZB 291/20 FamRZ 2021, 462 Rn. 15 mwN[]
  3. BGH, Beschluss vom 30.09.2020 XII ZB 327/20 , FamRZ 2021, 144 Rn. 8 mwN[]