Schuldet der Unterhaltspflichtige neben dem unterhaltsberechtigten geschiedenen Ehegatten auch nachehelich geborenen Kindern oder einem neuen Ehegatten Unterhalt, sind die neu hinzugekommenen Unterhaltspflichten regelmäßig auch bei der Bemessung der ehelichen Lebensverhältnisse (§ 1578 Abs. 1 BGB) der geschiedenen Ehe zu berücksichtigen. Soweit ein nachehelicher Karrieresprung lediglich einen neu hinzugetretenen Unterhaltsbedarf auffängt, ist das daraus resultierende Einkommen in die Unterhaltsbemessung einzubeziehen [1].

Nach der neueren Rechtsprechung des Senats sind im Rahmen der Bemessung der ehelichen Lebensverhältnisse auch spätere Änderungen des verfügbaren Einkommens grundsätzlich zu berücksichtigen, und zwar unabhängig davon, wann sie eingetreten sind und ob es sich um Minderungen oder Verbesserungen handelt. Die in § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB vorgegebene Anknüpfung an die ehelichen Lebensverhältnisse kann deren grundsätzliche Wandelbarkeit lediglich nach dem Zweck des nachehelichen Unterhalts einerseits und der fortwirkenden ehelichen Solidarität andererseits begrenzen [2].
Ein Unterhaltsberechtigter, der seinen Unterhaltsanspruch von dem höheren Einkommen des Unterhaltspflichtigen ableitet, kann nicht auf einen unveränderten Unterhalt vertrauen, wenn das relevante Einkommen des Unterhaltspflichtigen zurückgeht. Die Berücksichtigung einer nachehelichen Verringerung des verfügbaren Einkommens findet ihre Grenzen somit erst bei einer Verletzung der nachehelichen Solidarität. Die nacheheliche Solidarität findet ihren Niederschlag insbesondere in den gesetzlichen Unterhaltstatbeständen der §§ 1570 ff. BGB, die trotz des Grundsatzes der Eigenverantwortung gemäß § 1569 BGB aus verschiedenen Gründen zu nachehelichen Unterhaltsansprüchen führen können. Aus der nachehelichen Solidarität der geschiedenen Ehegatten folgt nicht nur die Pflicht zum Einsatz eines vorhandenen Einkommens im Rahmen der nachehelichen Unterhaltsansprüche, sondern auch die Verpflichtung zu einer angemessenen Erwerbstätigkeit. Nur wenn diese nacheheliche Solidarität in unterhaltsrechtlich vorwerfbarer Weise verletzt wird, etwa durch Aufgabe einer Berufstätigkeit, kann abweichend von den tatsächlich gegebenen Verhältnissen ein fiktives Einkommen berücksichtigt werden [3].
In konsequenter Fortführung dieser Rechtsprechung zu den wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen hat der Senat entschieden, dass es sich ebenso auf den Unterhaltsbedarf eines geschiedenen Ehegatten nach den ehelichen Lebensverhältnissen auswirkt, wenn später weitere Unterhaltsberechtigte hinzutreten. Auf den Rang dieser Unterhaltsansprüche kommt es bei der Bedarfsbemessung grundsätzlich nicht an.
Das dem Unterhaltspflichtigen für ihn selbst verbleibende Einkommen wird nicht nur in Fällen eines unverschuldeten Einkommensrückgangs, sondern auch durch die Unterhaltsansprüche später geborener Kinder gemindert. Auch dann erfordert der Halbteilungsgrundsatz eine Berücksichtigung der später entstandenen Unterhaltsansprüche bei der Bemessung der ehelichen Lebensverhältnisse. Weil auch die Berücksichtigung dieser nachehelichen Veränderungen erst dort ihre Grenze findet, wo sie auf einem unterhaltsrechtlich vorwerfbaren Verhalten beruht und dies grundsätzlich im Falle einer Unterhaltspflicht für neu hinzutretende Kinder nicht der Fall ist, sind die Unterhaltsansprüche für nachehelich geborene eigene Kinder des Unterhaltspflichtigen [4] und für die in seinem Haushalt lebenden adoptierten Kinder [5] bei der Bedarfsermittlung nach den ehelichen Lebensverhältnissen regelmäßig zu berücksichtigen.
Nichts anderes gilt nach der Rechtsprechung des BGH, wenn der Unterhaltspflichtige eine neue Ehe eingeht. Auch dann ist für die Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen grundsätzlich auf die geänderten tatsächlichen Verhältnisse während des Unterhaltszeitraums abzustellen, soweit dies nicht unterhaltsrechtlich vorwerfbar ist. Wie bei der Geburt eines weiteren Kindes kann dem Unterhaltspflichtigen auch seine weitere Unterhaltspflicht für einen neuen Ehegatten nicht vorgeworfen werden.
Weil sich die Unterhaltsansprüche eines geschiedenen und eines neuen Ehegatten somit wechselseitig beeinflussen, ist der Unterhaltsbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen in solchen Fällen regelmäßig im Wege der Dreiteilung des tatsächlich vorhandenen Einkommens unter Einschluss des Splittingvorteils aus der neuen Ehe zu bemessen. Lediglich als Obergrenze ist der Betrag zu beachten, der sich ohne die neue Ehe und den sich daraus ergebenden Splittingvorteil als Unterhalt im Wege der Halbteilung ergeben würde [6].
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH bleibt bei der Bemessung der ehelichen Lebensverhältnisse eine unerwartete Einkommenssteigerung in Form eines Karrieresprungs unberücksichtigt. Denn wie sich insbesondere aus den §§ 1569, 1574 und 1578 b BGB ergibt, will das Unterhaltsrecht einen geschiedenen Ehegatten nicht besser stellen, als er während der Ehe stand oder aufgrund einer absehbaren Entwicklung ohne die Scheidung stehen würde. Im Ausgangspunkt will das Recht des nachehelichen Unterhalts dem unterhaltsberechtigten Ehegatten jedenfalls seinen eigenen angemessenen Unterhalt sichern (§§ 1569, 1574, 1581 BGB). Indem § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB für das Maß des nachehelichen Unterhalts – mit der Begrenzungsmöglichkeit des § 1578 b BGB – darüber hinausgeht und dem Unterhaltsberechtigten einen Unterhaltsanspruch nach den ehelichen Lebensverhältnissen einräumt, schafft die Vorschrift einen vom Einkommen des besser verdienenden Ehegatten abgeleiteten Maßstab des nachehelichen Unterhalts. Die während der Ehe gelebten Verhältnisse bilden dann aber auch die Obergrenze eines insoweit entstandenen Vertrauens und damit auch des nachehelichen Unterhalts. Weitere Steige-rungen des verfügbaren Einkommens sind deswegen grundsätzlich nur dann zu berücksichtigen, wenn sie schon aus der Sicht des ehelichen Zusammenlebens absehbar waren, nicht aber, wenn der Einkommenszuwachs nach der Trennung der Parteien auf einen Karrieresprung zurückzuführen ist [7].
Die Nichtberücksichtigung nachehelicher Einkommensentwicklungen verliert allerdings dann ihre Rechtfertigung, wenn zugleich nachehelich weitere Unterhaltsberechtigte hinzutreten, die – mit entgegengesetzter Wirkung – den Unterhaltsbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen mindern. Die beiden Umstände dürfen bei der Bemessung des Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen deswegen nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Soweit also ein nachehelicher Karrieresprung lediglich eine neu hinzugetretene Unterhaltspflicht auffängt, ist das daraus resultierende Einkommen nach der neueren Rechtsprechung des Senats grundsätzlich in die Unterhaltsbemessung einzubeziehen. Der Unterhaltsanspruch nach den ehelichen Lebensverhältnissen ist in solchen Fällen deswegen auf der Grundlage des nach dem Karrieresprung aktuell erzielten Einkommens unter Berücksichtigung der später hinzugekommenen Unterhaltspflichten – im Falle einer Unterhaltspflicht gegenüber einem neuen Ehegatten im Wege der Dreiteilung [8] – zu bemessen [9].
Nur soweit die Einkommensentwicklung infolge des Karrieresprungs darüber hinausgeht und zu einem höheren Unterhalt führen würde, als er sich ohne Karrieresprung und ohne Abzug des Unterhalts für später hinzugetretene Unterhaltsberechtigte ergäbe, kann der Einkommenszuwachs die ehelichen Lebensverhältnisse nicht beeinflussen und muss deswegen unberücksichtigt bleiben. Das entspricht der Rechtsprechung des BGH zur Behandlung des Splittingvorteils aus einer neuen Ehe. Auch insoweit hat der BGH entschieden, dass der Splittingvorteil aus einer neuen Ehe im Rahmen der Dreiteilung bei der Bemessung des Unterhaltsanspruchs eines geschiedenen Ehegatten grundsätzlich zu berücksichtigen ist, zumal die Unterhaltsbemessung im Wege der Dreiteilung regelmäßig zu einer Verringerung des Unterhaltsanspruchs des geschiedenen Ehegatten führt. Dort wie hier ist als Obergrenze allerdings der Unterhalt zu beachten, der sich ohne den Einkommenszuwachs und ohne die Unterhaltspflicht gegenüber neu hinzugekommenen Unterhaltsberechtigten ergibt [10].
Bundesgerichtshof, Urteil vom 28. Januar 2009 – XII ZR 119/07
- im Anschluss an das BGH-Urteil vom 17. Dezember 2008 – XII ZR 9/07 – zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt[↩]
- BGH, Urteile vom 17. Dezember 2008 – XII ZR 9/07 – zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, vom 1. Oktober 2008 – XII ZR 62/07 – FamRZ 2009, 23, 24 f. und BGHZ 175, 182, 185 ff. = FamRZ 2008, 968, 971 f.[↩]
- BGH, Urteil vom 6. Februar 2008 – XII ZR 14/06 – FamRZ 2008, 968, 972[↩]
- BGH, Urteil vom 6. Februar 2008 – XII ZR 14/06 – FamRZ 2008, 968, 973[↩]
- BGH, Urteil vom 1. Oktober 2008 – XII ZR 62/07 – FamRZ 2009, 23, 25[↩]
- BGH, Urteile vom 17. Dezember 2008 – XII ZR 9/07 – zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt und vom 30. Juli 2008 – XII ZR 177/06 – FamRZ 2008, 1911, 1914 ff.[↩]
- BGHZ 171, 206, 214 ff. = FamRZ 2007, 793, 795[↩]
- vgl. Senatsurteil vom 30. Juli 2008 – XII ZR 177/06 – FamRZ 2008, 1911, 1914 ff.[↩]
- BGH, Urteil vom 17. Dezember 2008 – XII ZR 9/07 – zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt[↩]
- BGH, Urteile vom 17. Dezember 2008 – XII ZR 9/07 – zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt und vom 30. Juli 2008 – XII ZR 177/06 – FamRZ 2008, 1911, 1916[↩]
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