Verletzt der Unterhaltspflichtige die Obliegenheit, Vermögenswerte zu realisieren, ist er unterhaltsrechtlich so zu behandeln, als habe er die Obliegenheit erfüllt. Ein einklagbarer Anspruch auf Rückforderung einer Schenkung oder Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs besteht dagegen nicht.

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall besassen die Kläger zwar bereits Unterhaltstitel gegen den Beklagten, ihren Vater, aus denen sie die Zwangsvollstreckung betreiben könnten. Aufgrund der langjährigen Inhaftierung des Beklagten verfügte dieser aber nur über die Pflichtteilsansprüche gemäß § 2303 Abs. 1 BGB nach dem Tod seiner Eltern als einzigen Vermögenswert, mit dem er die Unterhaltsansprüche jedenfalls teilweise hätte erfüllen können. Nachdem er auf die Ansprüche zugunsten seiner Schwester als testamentarischer Alleinerbin verzichtet und diese den Verzicht nach den getroffenen Feststellungen angenommen hat, besteht jedoch allenfalls ein Anspruch auf Rückforderung einer Schenkung gemäß § 528 BGB gegen die Schwester. Erst nach dessen erfolgreicher Geltendmachung kommen die Pflichtteilsansprüche zur Befriedigung der Unterhaltsansprüche in Betracht. Ein solcher Anspruch ist der Pfändung indessen nur unterworfen, wenn er durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig geworden ist (§ 852 Abs. 1 und 2 ZPO). Denn mit Rücksicht auf die familiäre Verbundenheit von Erblasser und Pflichtteilsberechtigtem soll allein Letzterem die Entscheidung überlassen werden, ob der Anspruch gegen den Erben durchgesetzt werden soll [1].
Trotz des Wortlauts des § 852 Abs. 1 ZPO ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Zugriff der Gläubiger auf den Pflichtteilsanspruch möglich, bevor die Voraussetzungen der Norm vorliegen. Gepfändet wird dann der in seiner zwangsweisen Verwertbarkeit durch die Erfüllung der Voraussetzungen des § 852 Abs. 1 ZPO aufschiebend bedingte Anspruch [2]. Der gepfändete Anspruch darf jedoch nur unter den Voraussetzungen des § 852 Abs. 1 ZPO verwertet werden. Damit hängt nicht die Pfändbarkeit, sondern erst die Verwertbarkeit von einem vertraglichen Anerkenntnis bzw. von der Rechtshängigkeit ab [3].
In Rechtsprechung und Schrifttum wird vertreten, die Voraussetzungen des § 852 Abs. 1 ZPO seien ebenso zu beachten, wenn die Pfändung wegen Unterhaltsansprüchen erfolge [4]. Für diese Auffassung spricht, dass eine Lücke im Gesetz oder ein Versehen des Gesetzgebers, die Voraussetzung für eine dem Wortlaut der Norm zuwiderlaufende einschränkende Auslegung sind, nicht ersichtlich sind. Dem Gesetzgeber war die Möglichkeit der Privilegierung von Unterhaltsgläubigern gegenüber anderen Gläubigern bewusst, wie sich aus der Bestimmung des § 850 d Abs. 1 ZPO ergibt. Gleichwohl hat er von einer solchen Privilegierung im Rahmen des § 852 ZPO abgesehen [5]. Deshalb ist am Wortlaut des § 852 ZPO auch für Unterhaltsansprüche festzuhalten, so dass ein Rechtsschutzbedürfnis der Kläger für ihr Begehren, eine Verurteilung des Beklagten zur Geltendmachung eines Anspruchs aus § 528 BGB sowie im Weiteren zur Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche zu erreichen, zu bejahen ist.
Allerdings sah der Bundesgerichtshof für das Klagebegehren keine Anspruchsgrundlage. Insbesondere aus den §§ 1601 ff. BGB lassen sich die Ansprüche nicht herleiten. Dabei kann dahinstehen, ob der vom Berufungsgericht festgestellte Verzicht des Beklagten auf die Pflichtteilsansprüche nach dem Tod seiner Eltern eine Schenkung an seine Schwester darstellt und dem Beklagten gemäß § 528 BGB ein Rückforderungsanspruch zusteht.
Der Beklagte ist den minderjährigen Klägern gegenüber dem Grunde nach gemäß §§ 1601 ff. BGB unterhaltspflichtig. Unter der Voraussetzung, dass kein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist, der den Unterhalt der Kinder ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Bedarfs aufbringen könnte, trifft den Beklagten sogar eine gesteigerte Unterhaltspflicht. Er hat in diesem Fall alle verfügbaren Mittel zu seinem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden (§ 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB). Ob die vorgenannte Voraussetzung erfüllt ist, steht nicht fest. Aber selbst wenn eine gesteigerte Unterhaltspflicht zugrunde gelegt wird, kann dem Klagebegehren nicht entsprochen werden.
Der beklagte unterhaltspflichtige Vater schuldet nach dem Tod der Mutter der Kinder diesen sowohl Bar- als auch Betreuungsunterhalt, weil der Unterhalt den gesamten Lebensbedarf der Kinder umfasst (§ 1610 Abs. 2 BGB). Dabei ist der Betreuungsunterhalt wegen der Gleichwertigkeit mit dem Barunterhalt (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB) grundsätzlich pauschal in dessen Höhe zu monetarisieren [6].
Der Unterhalt ist grundsätzlich durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren (§ 1612 Abs. 1 Satz 1 BGB). Im Rahmen der Unterhaltspflicht treffen den Unterhaltspflichtigen indessen verschiedene Obliegenheiten, die dazu führen sollen, dass er finanziell in der Lage ist, den Unterhalt zu gewähren. Für die Eltern besteht insbesondere eine Obliegenheit zur gesteigerten Ausnutzung ihrer Arbeitskraft. Insoweit haben sie alle zumutbaren Erwerbsmöglichkeiten auszuschöpfen [7], müssen sich besonders intensiv um eine Erwerbstätigkeit bemühen und dabei auch Gelegenheitsarbeiten oder berufsfremde Tätigkeiten unterhalb ihrer gewohnten Lebensstellung übernehmen [8]. Darüber hinaus obliegt es dem Unterhaltspflichtigen, vorhandenes Vermögen in zumutbarem Rahmen so ertragreich wie möglich anzulegen, gegebenenfalls umzuschichten oder erforderlichenfalls zu verwerten [9].
Verletzt der Unterhaltspflichtige die ihn treffenden Obliegenheiten, hat dies zur Folge, dass er so behandelt wird, als habe er die Obliegenheit erfüllt. Im Fall eines Verstoßes gegen die Erwerbsobliegenheit muss der Unterhaltsschuldner sich deshalb fiktiv das erzielbare Einkommen anrechnen lassen. Er kann zwar nicht zur Aufnahme einer Tätigkeit verpflichtet werden, muss aber als Sanktion unterhaltsrechtlich die Folgen seines Unterlassens tragen [10]. Darin erschöpfen sich allerdings die Auswirkungen einer Obliegenheitsverletzung. Den Unterhaltspflichtigen trifft – außer der Verpflichtung zur Unterhaltszahlung – keine einklagbare Pflicht zu einem bestimmten Handeln oder Unterlassen [11].
Dem entspricht auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, soweit er mit der unterhaltsrechtlichen Obliegenheit zur Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs befasst war. In diesen Fällen ist der Frage nachzugehen, ob trotz der grundsätzlich freien Entscheidung des Pflichtteilsberechtigten, ob er einen ihm zustehenden Pflichtteil verlangen will, unterhaltsrechtlich eine anderweitige Obliegenheit, nämlich eine solche zur Durchsetzung des Anspruchs, besteht [12]. Ist das der Fall, so ist der Pflichtteilsberechtigte lediglich fiktiv so zu behandeln, als habe er den Anspruch geltend gemacht. Dementsprechend hatte schon das Reichsgericht es nicht beanstandet, dass ein für seine minderjährigen Kinder unterhaltspflichtiger Vater mit Rücksicht auf einen Pflichtteilsanspruch als leistungsfähig behandelt und zur Zahlung von Kindesunterhalt verurteilt worden ist [13].
Bundesgerichtshof, Urteil vom 28. November 2012 – XII ZR 19/10
- BGHZ 123, 183 = FamRZ 1993, 1307, 1308 und BGH, Urteil vom 07.07.1982 IVb ZR 738/80, FamRZ 1982, 996, 997[↩]
- BGHZ 123, 183 = FamRZ 1993, 1307, 1308 und BGH Beschluss vom 26.02.2009 VII ZB 30/08, FamRZ 2009, 869 Rn. 7[↩]
- BGH Urteil vom 26.02.2009 – VII ZB 30/08, FamRZ 2009, 869 Rn. 7[↩]
- OLG Celle OLGR 2004, 414, 415; Musielak/Becker ZPO 9. Aufl. § 852 Rn. 1[↩]
- ebenso OLG Celle OLGR 2004, 414, 415[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 30.08.2006 – XII ZR 138/04, FamRZ 2006, 1597 Rn. 11, 15[↩]
- BGH, Urteil vom 03.12.2008 – XII ZR 182/06, FamRZ 2009, 314 Rn.20[↩]
- BGH, Urteil vom 15.12.1993 – XII ZR 172/92, FamRZ 1994, 372, 373[↩]
- vgl. etwa BGH, Urteile vom 19.12.1989 – IVb ZR 9/89, FamRZ 1990, 269, 271 und vom 21.04.1993 XII ZR 248/91, FamRZ 1993, 1065, 1066 zur Obliegenheit des Unterhaltsberechtigten, einen Pflichtteilsanspruch geltend zu machen[↩]
- st.Rspr., vgl. etwa BGH, Urteile vom 20.01.1982 IVb ZR 651/80, FamRZ 1992, 365, 366 und vom 08.04.1981 – IVb ZR 566/80, FamRZ 1981, 539, 540; Wendl/Gutdeutsch Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 4 Rn. 605; Staudinger/Engler/Kaiser BGB [2000] § 1603 Rn. 148; MünchKomm-BGB/Maurer 5. Aufl. § 1581 Rn. 4 für den Unterhaltsberechtigten[↩]
- vgl. auch BVerfG FamRZ 1985, 143, 145: mittelbarer Zwang zur Berufstätigkeit[↩]
- BGH, Urteile vom 21.04.1993 – XII ZR 248/91, FamRZ 1993, 1065, 1066 und vom 07.07.1982 – IVb ZR 738/80, FamRZ 1982, 996, 997 f.[↩]
- RG Warn 1919 Nr. 88, 151 f.[↩]