Mit der Anwendung von § 27 VersAusglG bei während der Ehezeit erfolgter Abfindung von seitens des ausgleichspflichtigen und berechtigten Ehegatten aus der Tätigkeit in überstaatlichen Einrichtungen erworbenen Versorgungsanrechten hatte sich aktuell der Bundesgerichtshof zu befassen:

In dem hier entschiedenen Fall waren beide Ehegatten zu Beginn ihrer Ehe bis einschließlich März 1998 für das Europäische Patentamt in den Niederlanden tätig gewesen und haben dort im April 1998 zur Abgeltung ihrer Versorgungsanrechte jeweils eine Abfindung i.H.v. 135.612, 91 NLG (Ehemann) bzw. 110.968, 23 NLG (Ehefrau) erhalten.
Nach § 27 VersAusglG findet ein Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre, was nur der Fall ist, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen1.
In Bezug auf die vorliegende Fallgestaltung ist eine teilweise Nichtdurchführung des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG dann in Betracht zu ziehen, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte über den Ausgleich der ungekürzten Versorgung hinaus an der vom Ausgleichspflichtigen bezogenen Abfindung bereits (hälftig) partizipiert hat. In diesem Fall profitiert der Ausgleichsberechtigte bereits von dem zur Kürzung der Versorgung führenden Renten- oder Abfindungsbetrag, so dass er auch die Folge der Kürzung der Versorgung mitzutragen hat, ohne dass dadurch die Halbteilung verletzt ist. Würde der Ausgleichsberechtigte hingegen neben einer Teilhabe an der ausländischen oder überstaatlichen Rente oder an dem Abfindungsbetrag Anrechte aus dem ungekürzten Stammrecht der Beamtenversorgung erhalten, bekäme er unter Verletzung der Halbteilung mehr als die Hälfte des vom anderen Ehegatten ehezeitlich erworbenen Altersvorsorgevermögens2.
Ferner kommt eine grobe Unbilligkeit des Versorgungsausgleichs in Betracht, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte an einem vom ausgleichsberechtigten ehezeitlich erworbenen, aber seinerseits aufgelösten Anrecht nicht teilhaben kann und davon auch nicht anderweitig profitiert hat. Dieser Fall ist der durch Ausübung des Kapitalwahlrechts dem Versorgungsausgleich entzogenen Versorgung vergleichbar3.
Das Familiengericht hat in beiden genannten Fällen festzustellen, in welchem Umfang unter Einbeziehung der jeweiligen Abfindung und deren Verwendung eine Abweichung von der Halbteilung vorliegt. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Versorgungsausgleich nicht stattfindet, ist sodann unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen.
Dem ausgleichsberechtigten Ehegatten kann eine Teilhabe an der Kürzung der inländischen Versorgungsanwartschaften seines Ehegatten nach § 56 BeamtVG insoweit zugemutet werden, als dessen Dienstzeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung in die Ehezeit fällt. Dementsprechend ist im Rahmen der Berechnungen der (Gesamt)Kürzungsbetrag für das Ruhegehalt des ausgleichsverpflichteten Ehegatten ins Verhältnis seiner ehebezogenen Dienstzeit bei der zwischen- bzw. überstaatlichen Einrichtung zu deren Gesamtzeit zu setzen4 und der auf diese Weise ermittelte eheanteilige Kürzungsbetrag vom zuvor errechneten Ehezeitanteil seiner Versorgungsanwartschaften in Abzug zu bringen (vgl. zu § 55 BeamtVG BGH, Beschlüsse vom 19.01.2000 XII ZB 16/96 FamRZ 2000, 746, 747; vom 15.12 2004 XII ZB 179/03 FamRZ 2005, 511, 512; und vom 18.01.2006 XII ZB 206/01 FamRZ 2006, 397, 399).
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21. September 2016 – XII ZB 453/14
- vgl. zuletzt BGH, Beschlüsse vom 11.05.2016 XII ZB 480/13 FamRZ 2016, 1343 Rn. 16 ff.; und vom 16.12 2015 XII ZB 450/13 FamRZ 2016, 697 Rn. 15 mwN[↩]
- vgl. schon BGH, Beschluss vom 11.10.1995 XII ZB 137/91 FamRZ 1996, 98, 102[↩]
- vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 16.12 2015 XII ZB 450/13 FamRZ 2016, 697 Rn. 15 ff.; und vom 01.04.2015 XII ZB 701/13 FamRZ 2015, 998 Rn.19 ff.[↩]
- BGH, Beschluss vom 11.10.1995 XII ZB 137/91 FamRZ 1996, 98, 103[↩]