Die Beiträge zu einer privaten Kranken- und Pflegeversicherung sind im Rahmen des § 20 Abs. 1 S. 2 VersAusglG auch dann zu berücksichtigen, wenn das Renteneinkommen des Ausgleichspflichtigen die Beitragsbemessungsgrenzen überschreitet (entgegen OLG Stuttgart, FamRZ 2011, 1870, 1871f).

Nach § 20 Abs. 1 S. 1 VersAusglG kann die im Versorgungsausgleich ausgleichsberechtigte Person, die eine Altersversorgung erhält, eine schuldrechtliche Ausgleichsrente verlangen, wenn die ausgleichspflichtige Person ihrerseits eine laufende Versorgung aus einem noch nicht ausgeglichenen Recht bezieht.
Nach § 20 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG sind die auf den Ausgleichswert entfallenden Sozialversicherungsbeiträge oder vergleichbaren Aufwendungen abzuziehen1. Zu den Aufwendungen, die den Sozialversicherungsbeiträgen in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung entsprechen, gehören insbesondere die Beiträge für eine private Kranken- und Pflegeversicherung2. Maßgeblich ist dabei der Anteil des privaten Versicherungsbeitrages, der auf einem der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung entsprechenden Leistungsumfang beruht; dabei kann auf die nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG berücksichtigungsfähigen Vorsorgeaufwendungen zurückgegriffen werden3. Streitig ist, ob die Sozialversicherungsbeiträge bzw. die Aufwendungen für eine private Kranken- und Pflegeversicherung auch dann – ganz oder teilweise – abzuziehen sind, wenn die Versorgungsbezüge auch nach Abzug des Ausgleichswertes die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 6, 7 SGB V überschreiten und sich der für den Ausgleichspflichtigen zu zahlende Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung ohne Berücksichtigung des Ausgleichswertes rechnerisch nicht reduzieren würde4.
Eine Selbstbeteiligung des Ausgleichspflichtigen in der Krankenversicherung führt nicht zur Berücksichtigung von höheren Kosten im Rahmen des § 20 Abs. 1 S. 2 VersAusglG. Derartige Aufwendungen zur Krankenversicherung können nicht als Sozialversicherungsbeiträge oder vergleichbare Aufwendungen im Sinne des § 20 Abs. 1 S. 2 VersAusglG angesehen werden, weil sie abhängig von dem Umfang der Inanspruchnahme der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sind5. Ein Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung seitens des gesetzlichen Rentenversicherungsträgers ist allenfalls zu berücksichtigen, soweit dieser Zuschuss den auf die gesetzliche Rente entfallenden Teil der Versicherungsprämie übersteigt3.
Entgegen der vom Oberlandesgericht Stuttgart6 vertretenen Auffassung sind die Sozialversicherungsbeiträge unabhängig von dem Überschreiten der Einkommensgrenzen anteilig auf den Ausgleichswert anzurechnen. Das Oberlandesgericht Hamm schließt sich dieser überwiegend in der Rechtsprechung und in der Literatur vertretenen Ansicht an. Der Wortlaut des § 20 Abs. 1 S. 2 VersAusglG enthält keine Einschränkung für den Abzug der Sozialversicherungsbeiträge bzw. der entsprechenden Aufwendungen. Danach ist stets der Ausgleichswert nach Abzug entsprechender Aufwendungen maßgeblich. Entgegen der Ansicht des OLG Stuttgart ist eine anteilige Zuordnung der Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung auf den Ausgleichswert und die verbleibende Versorgung zwanglos möglich. Mit der Einführung des sog. Nettoprinzips sollte zudem dem Halbteilungsgrundsatz in besonderer Weise genüge getan werden, indem zukünftig nicht allein der ausgleichspflichtige Ehegatte die Lasten der Sozialversicherung zu tragen hat. Dieser Grundsatz gilt auch dann unverändert, sofern die Höhe des Beitrags – wie hier – für den ausgleichspflichtigen Ehegatten auch nach Abzug des Ausgleichswerts unverändert bleibt.
Die Selbstbeteiligung des Ausgleichspflichtigen im Rahmen der Krankenversicherung ist dagegen nicht zu berücksichtigen. Es handelt sich schon nicht um mit Sozialversicherungsbeiträgen vergleichbare Aufwendungen. Die Selbstbeteiligung hat bei einer Abrechnung auf der Grundlage des sog. Nettoprinzips weder bei der Einkommensberechnung noch bei der Berechnung des (Netto-) Ausgleichsbetrages nach § 20 Abs. 1 VersAusglG Bedeutung. Es kann ferner nicht festgestellt werden, dass der an den Antragsgegner gezahlte Zuschuss zur privaten Krankenversicherung den auf die gesetzliche Rente entfallenden Teil der Versicherungsprämie übersteigt.
Die auf den (Brutto-) Ausgleichswert entfallenden Sozialversicherungsbeiträge werden bei Bestehen einer gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung dadurch ermittelt, dass von dem genannten Wert die jeweilige Beitragslast in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung abgezogen wird7. Im Falle von Beiträgen zu einer privaten Kranken- und Pflegeversicherung ergibt sich der auf die Ausgleichsrente entfallende Anteil der Krankenversicherungsbeiträge, indem die zu zahlenden Beiträge mit dem Quotienten aus Ausgleichswert und Gesamtrenteneinkommen multipliziert werden8.
Für einen Abzug des Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrags in voller Höhe, wie er von dem Antragsgegner geltend gemacht wird, besteht danach schon nach dem Gesetzeswortlaut kein Grund. Die Anrechnung beschränkt sich auf den auf den Ausgleichswert entfallenden Anteil (vgl. nur: § 20 Abs. 1 S. 2 VersAusglG).
Der Ausgleich ist ferner auf die Leistungen zu beschränken, die der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung entsprechen.
Schließlich ist der vorstehend berücksichtigungsfähige Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag im Verhältnis der Gesamtrenteneinkünfte des Antragsgegners einschließlich seiner Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der Anrechte aus der betrieblichen Altersversorgung zu kürzen.
Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 22. April 2013 – 10 UF 159/12
- vgl. auch: BGH, FamRZ 2011, 706, 709f Rn 48ff zu § 1587g BGB a.F., unter Aufgabe des früher vertretenen Bruttoprinzips[↩]
- vgl. BT-Drucks. 16/11903, S. 55; vgl. auch: OLG Frankfurt, FamRZ 2012, 1727; OLG Bremen, FamRZ 2012, 1723, 1724f; OLG Stuttgart, FamRZ 2011, 1870, 1871[↩]
- vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 2012, 1727[↩][↩]
- für einen anteiligen Abzug: OLG Oldenburg, FamRZ 2012, 1718; Borth, a.a.O., Rn 763; ders., in: FamRZ 2011, 1872; Gutdeutsch, in: Bamberger/Roth, Beck’scher Online-Kommentar zum BGB, Stand: 01.08.2012, § 20 VersAusglG Rn 5a; Roggatz, in: jurisPK-BGB, 6. Aufl.2012, § 20 VersAusglG Rn 21; gegen einen Abzug der Beiträge: OLG Stuttgart, FamRZ 2011, 1870, 1871f[↩]
- vgl. zum Vorstehenden: OLG Frankfurt, FamRZ 2012, 1727[↩]
- OLG Stuttgart, FamRZ 2011, 1870, 1871f[↩]
- vgl. OLG Zweibrücken, NJW-Spezial 2012, 550; OLG Celle, FamRZ 2011, 728, 730; Holzwarth, in: Johannsen/Henrich, a.a.O., § 20 VersAusglG Rn 33; vgl. auch: OLG Oldenburg, FamRZ 2012, 1718[↩]
- vgl. OLG Köln, FamRZ 2012, 1808f; OLG Frankfurt, FamRZ 2012, 1727; OLG Bremen, FamRZ 2012, 1723, 1725[↩]