Versorgungsausgleich – und die bereits laufende Betriebsrente

Der Umstand, dass ein Ausgleichspflichtiger zum Ehezeitende bereits regelmäßige Rentenzahlungen aus einer betrieblichen Altersversorgung erhält, führt zu keiner Verringerung der zum Ehezeitende errechneten Ausgleichswerte. Im Falle der externen Teilung ist aber von einer Verzinsung abzusehen, weil dieser die gegenläufige Entwicklung der Auszahlung der laufenden Renten entgegensteht.

Versorgungsausgleich – und die bereits laufende Betriebsrente

Der Umstand, dass der Ausgleichspflichtige bereits seit einem Zeitpunkt vor Ehezeitende fortlaufend Rentenzahlungen aus den ungekürzten Anrechten seiner betrieblichen Versorgungen bezieht, führt zu keiner Verringerung der Ausgleichswerte. Dem Ausgleich sind die zum Ehezeitende ermittelten Ausgleichswerte zugrunde zu legen.

Es ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten, in welcher Weise die Höhe des Ausgleichswertes im Versorgungsausgleich bei laufenden Rentenzahlungen aus deckungskapitalbezogenen Anrechten zu bestimmen ist.

Grundsätzlich sind kapitalgedeckte Anrechte unmittelbar und bezogen auf den Stichtag Ehezeitende zu bewerten, §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 2 S. 1 VersAusglG. Die Vollziehung der Teilung erfolgt aber erst später, nämlich mit Rechtskraft der Entscheidung, § 224 FamFG. Wird während des Zeitraumes zwischen Ehezeitende und Rechtskraft der Entscheidung laufend Rente bezogen, so stellt sich das Problem, dass bei einem kapitalgedeckten Anrecht auf diese Weise ein Kapitalverzehr eintritt.

Nach § 1 Abs. 2 S. 2 VersAusglG steht der ausgleichsberechtigten Person die Hälfte des Wertes des jeweiligen Ehezeitanteils als Ausgleichswert zu. Der Ehezeitanteil eines auszugleichenden Anrechts ist nach §§ 39 ff. VersAusglG zu ermitteln. Bei betrieblichen Anrechten erfolgt die Bewertung nach § 45 Abs. 1 VersAusglG i.V.m. § 4 V BetrAVG.

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Die nach § 1 Abs. 2 S. 2 VersAusglG gebotene Halbteilung der Ehezeitanteile ist gemäß § 5 Abs. 2 VersAusglG stichtagsbezogen durchzuführen. Maßgeblicher Stichtag für die Bewertung ist das Ehezeitende. Gemäß § 5 Abs. 2 S. 1 VersAusglG sind rechtliche oder tatsächliche Veränderungen, die auf das Ehezeitende zurückwirken, allerdings zu berücksichtigen. Davon wiederum sind Änderungen, die auf neu hinzugetretenen individuellen Umständen beruhen, etwa einem späteren beruflichen Aufstieg, ausgenommen1. Nach einer Auffassung ist auf die Verringerung des Kapitalwertes zwischen Ehezeitende und dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung § 5 Abs. 2 S. 2 VersAusglG anzuwenden2. Nach dieser Ansicht ist der Ehezeitanteil schon bei Ehezeitende mit dem Nachteil der bereits laufenden Rente belastet gewesen. Da nur der Anteil der Versorgung zu teilen ist, der zum Zeitpunkt der Entscheidung noch vorhanden ist3, ist der zwischen Ehezeitende und Rechtskraft der Entscheidung eingetretene Werteverlust zu berücksichtigen. Nach dieser Ansicht ist der Ausgleichswert zeitnah zum Zeitpunkt der Entscheidung4 oder zum Zeitpunkt der voraussichtlichen Rechtskraft der Entscheidung5 zu ermitteln, teilweise wird auch eine offene Tenorierung verwendet6.

Nach einer anderen Auffassung findet § 5 Abs. 2 S. 2 VersAusglG keine Anwendung, da der Rentenbezug keine rückwirkende Veränderung tatsächlicher oder rechtlicher Umstände darstellt7. Das Oberlandesgericht schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an. Der Rentenbezug ist sicher vorhersehbar und hat den zum Stichtag vorhandenen Wert nicht verändert. Anders als bei einem Wertverlust eines Fondsguthabens8 wird durch den Leistungsbezug der Ehezeitanteil nicht entwertet, vielmehr verwirklicht sich gerade der dem Ehezeitanteil innewohnende Wert9. Hinzu kommt, dass der Ausgleichspflichtige von der zukünftigen Kürzung seines Anrechts aufgrund des Scheidungsverfahrens Kenntnis hat und sich mithin während des Bezugs der ungekürzten Rente auf diese Kürzung einstellen kann10. Mit der Ermittlung des Wertes zum Stichtag Ehezeitende wird nicht gegen den Halbteilungsgrundsatz verstoßen, da der Ausgleichspflichtige in dem Zeitraum zwischen Ehezeitende und Vollziehung der Teilung eine ungekürzte Rente bezogen hat. Soweit zwischen dem Ehezeitende und der tatsächlichen Entscheidung ein langer Zeitraum liegt, während dessen der ausgleichspflichtige Ehegatte Rente aus dem Anrecht bezogen hat, und daher ein erheblicher Werteverzehr erfolgt ist oder aber wenn der andere Ehegatte an dieser ausbezahlten Rente über Unterhaltsleistungen teil hatte, können vorhandene individuelle Härten über die Regelung des § 27 VersAusglG korrigiert werden. Vorliegend sind seit dem Ehezeitende 19 Monate vergangen. Damit liegt keine außergewöhnlich lange Zeit zwischen dem Ehezeitende und dieser Entscheidung. Die Antragstellerin hat keine Unterhaltsleistungen bezogen, also auch nicht an der ungekürzten Rente partizipiert. Deneingeholten Auskünfte lassen sich entsprechend der eher kurzen Zeit zwischen Ehezeitende und diesem Zeitpunkt nur geringfügige Verringerungen der auszugleichenden Werte entnehmen. Eine Korrektur über § 27 VersAusglG kommt daher in vorliegendem Verfahren nicht in Betracht.

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Allerdings ist bei der externen Teilung des Anrechts des Ausgleichpflichtigen von der Verzinsung abzusehen. Bei laufendem Rentenbezug ist im Fall der externen Teilung eines Anrechts von einer Verzinsung abzusehen, weil einer Verzinsung des bezogen auf das Ehezeitende ermittelten Ausgleichswertes die gegenläufige Entwicklung der Auszahlung der laufenden Rente entgegensteht11. Auf diese Weise wird die Leistung der Rente in ungekürzter Höhe zum Teil wieder ausgeglichen. Insoweit ist der Tenor der Entscheidung wie erfolgt abzuändern.

Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 20. August 2015 – 11 UF 13/15

  1. vgl. BGH FamRZ 2012, 509 Rz. 24[]
  2. OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.03.2015 – 1 UF 437/12- juris; OLG Köln FamRZ 2013, 1578; OLG Schleswig FamRZ 2014, 128; OLG München FamRZ 2015, 670; OLG Hamm FamRZ 2013, 1305; OLG Celle FamRZ 2014, 665; Borth, Versorgungsausgleich, 7. Aufl., Rn. 646; Gutdeutsch/Hoenes/Norpoth FamRZ 2012, 73 ff.; Kemper FamFR 2013, 51 ff.; Bergner FamRZ 2015, 296 ff.[]
  3. BGH FamRZ 2012, 694 Rn. 29[]
  4. OLG München FamRZ 2015, 670 Rn. 10 in Bezug auf externe Teilung; OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.03.2015 – 1 UF 437/12- juris; OLG Köln FamRZ 2013, 1578; OLG Schleswig FamRZ 2014, 128[]
  5. Bergner FamRZ 296/297[]
  6. OLG Celle FamRZ 2014, 665; OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.03.2015 – 1 UF 437/12 []
  7. OLG Köln FamRZ 2014, 668; OLG Frankfurt FamRZ 2015, 754; Holzwarth FamRZ 2013, 420 ff.[]
  8. vgl. BGH FamRZ 2012, 694 Rn. 28[]
  9. Holzwarth, FamRZ 2013, 420[]
  10. OLG Frankfurt FamRZ 2015, 754 Rn. 11[]
  11. BGH FamRZ 2011, 1785 Rn. 25; OLG Köln FamRZ 2014, 668 Rn.20; OLG Frankfurt FamRZ 2012, 1717 Rn. 25; OLG Nürnberg FamRZ 2013, 791 Rn. 6 f.[]
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