Verwertung eines Sachverständigengutachtens

Die Verwertung eines Sachverständigengutachtens als Entscheidungsgrundlage setzt gemäß § 37 Abs. 2 FamFG voraus, dass das Gericht den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat1.

Verwertung eines Sachverständigengutachtens

Insoweit ist das Gutachten mit seinem vollen Wortlaut grundsätzlich auch dem Betroffenen persönlich im Hinblick auf dessen Verfahrensfähigkeit (§ 275 FamFG) zur Verfügung zu stellen. Davon kann nur unter den Voraussetzungen des § 288 Abs. 1 FamFG abgesehen werden2.

Diesen Anforderungen wird ein Verfahren nicht gerecht, in dem das Gutachten mündlich in Abwesenheit der Betroffenen erstattet wurde. Im hier entschiedenen Fall lässt sich darüber hinaus aus der Gerichtsakte nicht ersehen, dass sein Inhalt der Betroffenen in vollem Umfang bekannt gegeben worden ist, so dass diese zu den getroffenen Indikationen und möglichen Behandlungsalternativen keine Nachfragen stellen konnte und keine Möglichkeit hatte, durch die Erhebung von Einwendungen und Vorhalte an die Sachverständige eine andere Einschätzung der Sachverständigen zu erreichen. Ebenso wenig enthält das Sachverständigengutachten einen Hinweis darauf, dass die Betroffene durch dessen Bekanntgabe an sie Gesundheitsnachteile entsprechend § 288 Abs. 1 FamFG zu befürchten hätte.

Die Betroffene ist durch diesen Verfahrensmangel in ihrem Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt worden3.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16. September 2015 – XII ZB 250/15

  1. im Anschluss an BGH, Beschluss vom 29.01.2014 – XII ZB 330/13 FamRZ 2014, 649[]
  2. BGH, Beschluss vom 29.01.2014 – XII ZB 330/13 FamRZ 2014, 649 Rn. 16 mwN[]
  3. vgl. BGH, Beschluss vom 29.01.2014 – XII ZB 330/13 FamRZ 2014, 649 Rn. 22 ff.[]
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