Der Ausgleichswert einer schuldrechtlichen Ausgleichsrente bemisst sich nach dem Ehezeitanteil der tatsächlich ausgezahlten Rente.

Die Höhe der schuldrechtlichen Ausgleichsrente entspricht dem Ausgleichswert, das heißt der Hälfte des Ehezeitanteils der laufenden Bruttoversorgung, abzüglich der hierauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge oder vergleichbarer Aufwendungen1.
Die Auswirkungen der vorgezogenen Inanspruchnahme einer Altersrente auf die Teilung des Anrechts sind für den Wertausgleich bei der Scheidung und den Wertausgleich nach der Scheidung nicht einheitlich geregelt.
Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung werden bei der Scheidung in der Bezugsgröße Entgeltpunkte geteilt. Diese Bezugsgröße bestimmt einheitlich den Ausgleichswert und den Kürzungsbetrag im Versorgungsausgleich und ist für jeden Ehegatten wirkungsneutral hinsichtlich des Zeitpunkts der Inanspruchnahme der Altersrente. Nimmt ein Ehegatte die Altersrente vorzeitig in Anspruch, berechnet sich der Rentenabschlag für ihn persönlich nach dem für jeden Kalendermonat um 0, 003 niedrigeren Zugangsfaktor (§ 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. a SGB VI). Nimmt er die Rente nach Erreichen der Regelaltersgrenze nicht in Anspruch, erhöht sich für ihn persönlich der Zugangsfaktor um 0, 005 je Kalendermonat (§ 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b SGB VI). Der Zugangsfaktor wirkt für jeden Ehegatten persönlich auf das ihm nach der Teilung verbleibende Anrecht.
Befindet sich das Anrecht bei der Teilung in der Leistungsphase und hat der ausgleichspflichtige Ehegatte bereits Altersrente vorzeitig in Anspruch genommen, bleibt der Zugangsfaktor bei der Anrechtsteilung unberücksichtigt. Zwar hatte der Bundesgerichtshof für das bis zum 30.09.2009 geltende Versorgungsausgleichsrecht angenommen, dass eine noch während der Ehezeit erfolgte vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente zu einer Verkürzung des Ausgleichswerts führe. Denn soweit die bereits zurückgelegten Kalendermonate vorzeitigen Rentenbezugs in die Ehezeit fielen, stehe bereits fest, dass der Versicherte eine gesetzliche Altersrente mit dem Zugangsfaktor 1, 0 nicht mehr erreichen kann, sodass eine fiktive Berechnung des Altersruhegeldes mit diesem Zugangsfaktor dem wirklichen Wert seiner Versorgung am Ende der Ehezeit nicht entspreche. Es sei dann mit dem Halbteilungsgrundsatz nicht in Einklang zu bringen, wenn der Zugangsfaktor auch insoweit unberücksichtigt bleibe, als die für seine Veränderung maßgeblichen Zeiten vorzeitigen Rentenbezugs in die Ehezeit fallen2.
Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Gesetzgeber jedoch im Rahmen der Strukturreform des Versorgungsausgleichs ausdrücklich nicht aufgreifen und in das neue Recht übertragen wollen3. Weil der ehezeitliche Versorgungserwerb nach neuem Versorgungsausgleichsrecht auf der Basis der jeweiligen Bezugsgröße auszugleichen ist, bleibt eine Berücksichtigung des Zugangsfaktors im Versorgungsausgleich vielmehr ausgeschlossen4.
Wie bei der gesetzlichen Rente handelt es sich auch bei der berufsständischen Versorgung des Beteiligten um ein unmittelbar zu bewertendes Anrecht, denn für die Höhe der laufenden Versorgung ist die Summe der entrichteten Beiträge bestimmend (§ 39 Abs. 2 Nr. 4 VersAusglG).
Wird ein bei dem Beteiligten bestehendes Anrecht bei der Scheidung geteilt, werden nach § 30 Abs. 3 Satz 2 und 3 der Satzung des Beteiligten in der hier anwendbaren Fassung die auf die Ehezeit entfallenden Versorgungsbeiträge des Mitglieds um die Hälfte gekürzt und diese Hälfte dem Ausgleichsberechtigten zugeteilt. Nach vollzogener Teilung sind die Rentenansprüche beider Ehegatten aufgrund der gekürzten bzw. zugefallenen Versorgungsbeiträge neu zu berechnen (§ 30 Abs. 4 der Satzung). Auch diese Teilung ist grundsätzlich wirkungsneutral hinsichtlich des Zeitpunkts der Inanspruchnahme der Altersrente. Denn die Höhe der Altersrente bestimmt sich nach den Beiträgen des einzelnen Mitglieds (§ 34 Abs. 1 der Satzung), vermindert oder erhöht im Falle vorgezogener oder hinausgeschobener Inanspruchnahme der Altersrente durch das Mitglied (§ 27 Abs. 3 und 5 der Satzung). Damit wirken diese Zu- und Abschläge für jeden Ehegatten wie in der gesetzlichen Rentenversicherung persönlich auf das ihm nach der Teilung verbleibende bzw. zugefallene Anrecht.
Beim Versorgungsausgleich nach der Scheidung bemisst sich die schuldrechtliche Ausgleichsrente zwar ebenfalls nach dem Ausgleichswert zum Stichtag Ehezeitende5, wobei rechtliche und tatsächliche Veränderungen, die auf den Ehezeitanteil zurückwirken, ebenso zu berücksichtigen sind wie allgemeine Wertanpassungen (§ 5 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 Satz 2 VersAusglG).
Allerdings besteht beim Versorgungsausgleich nach der Scheidung die Besonderheit, dass der Ausgleichswert nicht wie bei der Scheidung in der für das Versorgungssystem maßgeblichen Bezugsgröße anzugeben (§ 5 Abs. 1 VersAusglG), sondern stattdessen der Rentenbetrag zu berechnen ist (§ 5 Abs. 4 Satz 1 VersAusglG). Da im Falle eines Ausgleichs nach der Scheidung kein eigenständiges Versorgungsanrecht für den Ausgleichsberechtigten begründet wird, bemisst sich die Höhe seiner Versorgung von vornherein nicht nach seinen auf die Bezugsgröße wirkenden persönlichen Verhältnissen etwa nach seinen biometrischen Faktoren , sondern nur nach den Verhältnissen der ausgleichspflichtigen Person. Der Ausgleichsberechtigte partizipiert hälftig an dem Ehezeitanteil der vom Ausgleichspflichtigen tatsächlich bezogenen Versorgung6.
Die abweichende Anknüpfung des Ausgleichswerts an den Rentenbetrag einer tatsächlich bezogenen Versorgung anstatt an die Bezugsgröße des Versorgungssystems bedingt auch eine eigenständige Qualifizierung derjenigen rechtlichen oder tatsächlichen Veränderungen nach dem Ende der Ehezeit, die auf den Ehezeitanteil zurückwirken (§ 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG). Denn der vorgezogene oder hinausgeschobene Bezug des Altersruhegeldes ist hier kein Bemessungsfaktor, der wie im Falle einer Teilung bei der Scheidung unabhängig von der Bezugsgröße des Versorgungssystems individuell für beide Ehegatten auf das ihnen jeweils verbleibende und verselbständigte Teilanrecht angewendet werden könnte. Er wirkt vielmehr unmittelbar und einheitlich auf die vom Ausgleichspflichtigen tatsächlich bezogene Versorgung und damit auf den Rentenbetrag als Ausgleichswert im Sinne des § 5 Abs. 4 Satz 1 VersAusglG7.
Gleichzeitig ergibt sich bei vorgezogenem Altersrentenbezug aus einem nach der Scheidung zu teilenden Anrecht grundsätzlich von Beginn an auch für den ausgleichsberechtigten Ehegatten die Möglichkeit einer vorgezogenen Teilhabe daran durch schuldrechtliche Ausgleichsrente, sobald er selbst die persönlichen Voraussetzungen nach § 20 Abs. 2 VersAusglG erfüllt. Kann aber der Ausgleichsberechtigte in einem solchen Fall grundsätzlich auch bereits vorgezogen an einer Altersrente zu Lasten des Ausgleichspflichtigen teilhaben, ergibt sich kein Grund, seine Teilhabe nicht auch an den damit einhergehenden Abschlägen auszurichten. Umgekehrt bestünde kein Anlass, dem Ausgleichsberechtigten eine Teilhabe an den Zuschlägen zu verwehren, die die ausgleichspflichtige Person erwirbt, wenn sie den Beginn des Altersrentenbezugs und damit zugleich den Einsatz der schuldrechtlichen Ausgleichsrente hinausschiebt.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Ausgleichsberechtigte im konkreten Einzelfall tatsächlich ab dem Beginn des Rentenbezugs durch den Ausgleichspflichtigen entweder im Unterhaltswege oder im Wege der schuldrechtlichen Ausgleichsrente daran teilhat8. Vielmehr teilt der Ausgleichsberechtigte das Schicksal der auszugleichenden Versorgung allein wegen der Möglichkeit seiner Teilhabe daran, und zwar nicht nur hinsichtlich der anzuwendenden Rechnungsgrundlagen, sondern ebenso hinsichtlich des Rentenbeginns und der sich daraus ergebenden Zu- und Abschläge.
Dieses Verständnis steht auch im Einklang mit der Versorgungssituation nach dem Versterben des Ausgleichspflichtigen. Nach § 25 Abs. 1 VersAusglG kann, wenn die ausgleichspflichtige Person stirbt und ein noch nicht ausgeglichenes Anrecht besteht, die ausgleichsberechtigte Person vom Versorgungsträger die Hinterbliebenenversorgung verlangen, die sie erhielte, wenn die Ehe bis zum Tod der ausgleichspflichtigen Person fortbestanden hätte. Auch dieser verlängerte Anspruch leitet sich, nach näherer Maßgabe der jeweiligen Versorgungsordnung, grundsätzlich von den Rechnungsgrundlagen des auszugleichenden Anrechts und denjenigen Zu- und Abschlägen ab, wie sie für den Ausgleichspflichtigen anzuwenden waren.
Unberücksichtigt beim Wertausgleich nach der Scheidung bleiben danach im Wesentlichen nur solche nachehezeitlichen Veränderungen, die auf neu hinzugetretenen individuellen Umständen beruhen, wie einem späteren beruflichen Aufstieg des Versicherten oder einem zusätzlichen persönlichen Einsatz9.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10. Mai 2023 – XII ZB 30/23
- BGH, Beschluss vom 09.12.2015 XII ZB 586/13 FamRZ 2016, 442 Rn. 14[↩]
- BGH, Beschluss vom 14.12.2011 XII ZB 23/08 FamRZ 2012, 769 Rn. 15 mwN[↩]
- vgl. BT-Drs. 16/10144 S. 80[↩]
- BGH, Beschluss vom 11.05.2016 XII ZB 480/13 FamRZ 2016, 1343 Rn. 12[↩]
- Erman/Norpoth/Sasse BGB 16. Aufl. § 20 VersAusglG Rn. 13[↩]
- Wick Der Versorgungsausgleich 4. Aufl. Rn. 660; Götsche in Götsche/Rehbein/Breuers Versorgungsausgleichsrecht 3. Aufl. § 20 VersAusglG Rn. 25; MünchKomm-BGB/Ackermann-Sprenger 9. Aufl. § 20 VersAusglG Rn. 46[↩]
- vgl. Wick Der Versorgungsausgleich 4. Aufl. Rn. 663; Erman/Norpoth/Sasse BGB 16. Aufl. § 20 VersAusglG Rn. 13 sowie zum früheren Recht bereits BGH, Beschluss vom 11.06.2008 XII ZB 154/07 FamRZ 2008, 1512 Rn. 21[↩]
- aA Johannsen/Henrich/Althammer/Holzwarth Familienrecht 7. Aufl. § 20 VersAusglG Rn. 43[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 09.12.2015 XII ZB 586/13 FamRZ 2016, 442 Rn.19 mwN[↩]
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