Die medizinische Behandlung gegen den natürlichen Willen (Zwangsbehandlung) einer Betroffenen greift in deren Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein, das die körperliche Integrität der Grundrechtsträgerin und damit auch das diesbezügliche Selbstbestimmungsrecht schützt1.

Die Zwangsbehandlung ist, wie jeder andere Grundrechtseingriff, nur auf der Grundlage eines Gesetzes zulässig, das die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Eingriffs bestimmt2. Dies gilt nicht nur für die materiellen, sondern auch für die formellen Eingriffsvoraussetzungen. Gesetzlicher Regelung bedürfen sowohl in verfahrensrechtlicher als auch in materieller Hinsicht die für die Verwirklichung der Grundrechte wesentlichen Fragen3.
Mit den vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts4 und des Bundesgerichtshofs5 zum 26.02.2013 in Kraft getretenen Neuregelungen der § 1906 Abs. 3 und 3a BGB sowie der §§ 312, 323, 329 und 333 FamFG hat der Gesetzgeber materielle und formelle Eingriffsvoraussetzungen für die Veranlassung einer ärztlichen Zwangsmaßnahme unter geschlossenen stationären Bedingungen durch den Betreuer neu geschaffen6.
Auch wenn die Genehmigung der Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme im Wege der einstweiligen Anordnung erteilt wird, müssen für deren Zulässigkeit die Voraussetzungen des § 1906 Abs. 3 BGB erfüllt sein7. Das Verfahren der einstweiligen Anordnung richtet sich weiterhin gemäß § 51 Abs. 2 Satz 1 FamFG nach den Vorschriften, die für eine entsprechende Hauptsache gelten, soweit sich nicht aus den §§ 331 bis 334 FamFG etwas anderes ergibt.
Gemäß § 1906 Abs. 3 Nr. 1 BGB kann der Betreuer in eine dem natürlichen Willen des Betreuten widersprechende ärztliche Maßnahme nur einwilligen, wenn der Betreute aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann8. Die Betroffene hat, was auch nach den Feststellungen des landgerichtlichen Beschlusses feststehen dürfte, seit Jahrzehnten aufgrund der medikamentösen Behandlung ihrer Erkrankung ein Leben ohne Betreuer geführt und nach den Feststellungen des Beschlusses des Amtsgerichts Eilenburg in diesem Zustand den Entschluss gefasst, in Zukunft keine Psychopharmaka mehr einnehmen zu wollen.
Auch soweit feststehen dürfte, dass die Betroffene zum Zeitpunkt des Erlasses des gerichtlichen Beschlusses krankheitsbedingt die Notwendigkeit der Behandlung nicht (mehr) einsehen konnte, hätte das Gericht überprüfen müssen, ob nicht möglicherweise ein nach § 1901a Abs. 1 oder 2 BGB beachtlicher Wille der Betroffenen der Zulässigkeit einer Zwangsbehandlung entgegenstand9.
Die Ausführungen des Landgerichts10 zum Vorliegen eines die Zwangsmedikation ausschließenden freien Willens dder Betroffenen im Beschluss selbst11 sind demgegenüber nicht geeignet, nachvollziehbar zu begründen, dass sich die Betorffene nicht – wie zuvor vom Amtsgericht festgestellt – bereits zu einem früheren Zeitpunkt in einem Zustand der Einsichtsfähigkeit wegen der Nebenwirkungen bewusst gegen die weitere Einnahme von Psychopharmaka entschieden hat. Vielmehr lassen sie vermuten, dass das Landgericht daraus, dass die Entscheidung dder Betroffenen zur Absetzung der Medikamente von durchschnittlichen Präferenzen abweicht und aus der Außenansicht unvernünftig erscheinen dürfte, auf die (eingriffslegitimierende) Unfähigkeit dder Betroffenen zu freier Selbstbestimmung geschlossen hat. Damit verkennt es, dass das Recht auf körperliche Unversehrtheit als Freiheitsgrundrecht das Recht einschließt, von der Freiheit einen Gebrauch zu machen, der – jedenfalls in den Augen Dritter – den wohlverstandenen Interessen des Grundrechtsträgers zuwiderläuft. Die grundrechtlich geschützte Freiheit schließt gerade auch die „Freiheit zur Krankheit“ und damit das Recht ein, auf Heilung zielende Eingriffe abzulehnen, selbst wenn diese nach dem Stand des medizinischen Wissens dringend angezeigt sind12.
Gemäß § 1906 Abs. 3 Nr. 2 BGB kann der Betreuer weiterhin nur einwilligen, wenn zuvor versucht wurde, die Betreute von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen13. Dieser Versuch muss ernsthaft, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung unzulässigen Drucks erfolgen14 und durch eine überzeugungsfähige und ‑bereite Person unternommen werden, was das Gericht in jedem Einzelfall festzustellen hat15. Auch bei diesem Merkmal handelt es sich um eine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Wirksamkeit der Einwilligung durch den Betreuer. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert, dass die Durchführung der ärztlichen Zwangsmaßnahme gegen den natürlichen Willen der Betroffenen nicht dadurch vermieden werden kann, dass sie von ihrer Notwendigkeit überzeugt und eine Änderung ihres Willens herbeigeführt wird16.
Vorliegend erwähnt zwar die ärztliche Stellungnahme, dass versucht worden sei, die Betroffene von der Notwendigkeit der Heilbehandlung zu überzeugen. Wie genau sich dieser lediglich in einem Satz erwähnte Überzeugungsversuch der Ärzte hinsichtlich Zeitpunkt, äußerem Rahmen, Beteiligten, Umfang und Inhalt dargestellt hat und ob er den gesetzlichen Anforderungen entsprechend vorgenommen wurde17, ist der ärztlichen Stellungnahme jedoch nicht zu entnehmen. Dies wiegt umso schwerer, als der Beschluss des Landgerichts diesen Satz lediglich wiederholt, ohne nähere Feststellungen hierzu zu treffen.
Gemäß § 1906 Abs. 3 Nr. 3 BGB muss die ärztliche Zwangsmaßnahme zum Wohl der Betreuten erforderlich sein, um einen drohenden erheblichen gesundheitlichen Schaden abzuwenden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert, dass der drohende gesundheitliche Schaden einen erheblichen Schweregrad erreichen muss, damit ein Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht hinsichtlich der körperlichen Integrität gerechtfertigt erscheint18. Worin der drohende erhebliche gesundheitliche Schaden bei einer unterbleibenden Behandlung dder Betroffenen liegen könnte, ergibt sich aus den Feststellungen des landgerichtlichen Beschlusses nicht. Dieser stellt lediglich fest, dass die Betroffene seit langem an einer „schizoaffektiven Störung“ leide, die ohne Unterbringung und Behandlung zu erheblichen gesundheitlichen Schäden führen würde, und verweist diesbezüglich ohne nähere Konkretisierung auf die Ausführungen der behandelnden Ärzte. Welche Angaben diese zum gesundheitlichen Zustand dder Betroffenen während der Anhörung vor dem Landgericht gemacht haben, ist dem Anhörungsprotokoll wiederum nicht zu entnehmen. Die weiteren Ausführungen, nach denen bei dder Betroffenen „aufgrund von wahnhafter Verkennung der Realität, psychotisch motivierten Fehlhandlungen und massiver Verwahrlosung ohne eine medikamentöse Behandlung Eigen- und Fremdgefährdung“ sowie „die Gefahr einer Chronifizierung der psychischen Erkrankung, die Entgleisung des Diabetes Mellitus und der ateriellen Hypertonie mit allen erdenklichen medizinischen Folgeerscheinungen“ bestehe, wiederholen lediglich Formulierungen aus der ärztlichen Stellungnahme vom 10.04.2014 und gehen auf den konkreten Gesundheitszustand dder Betroffenen nicht ein. Sie benennen überdies keine konkreten gesundheitlichen Schäden, die den erforderlichen Grad der Erheblichkeit erreichen würden. Der bloß formelhafte Hinweis auf „alle erdenklichen medizinischen Folgeerscheinungen“ genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht.
Gemäß § 1906 Abs. 3 Nr. 4 BGB darf der erhebliche gesundheitliche Schaden durch keine andere dem Betreuten zumutbare Maßnahme abgewendet werden können19. Zu diesem Erforderlichkeitsmerkmal verhält sich der Beschluss bis auf die anfängliche Wiedergabe des Wortlauts des § 1906 Abs. 3 BGB überhaupt nicht, so dass nicht zu erkennen ist, ob die Möglichkeit einer weniger in das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit eingreifenden Behandlung, für deren Beurteilung allein die Sicht der Betreuten maßgeblich ist, überhaupt in Betracht gezogen wurde20.
Ebenso wenig ergibt sich aus dem Beschluss, dass – wie von § 1906 Abs. 3 Nr. 5 BGB gefordert – der zu erwartende Nutzen der ärztlichen Zwangsmaßnahme die zu erwartenden Beeinträchtigungen deutlich überwiegt21. Das Landgericht stellt diesbezüglich – wiederum formelhaft – lediglich fest, dass es die durch die Medikation bedingten unangenehmen Nebenwirkungen nicht verkenne, diese jedoch in keinem Verhältnis zu dem derzeit bestehenden Krankheitszustand dder Betroffenen stünden. Weder zu dem konkreten Krankheitszustand noch zu dem Eintreten konkreter Nebenwirkungen enthält der Beschluss Ausführungen, die den gesetzlichen Anforderungen genügen.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht hat der Gesetzgeber durch die Neufassung des § 312 Satz 1 Nr. 1 FamFG die Genehmigung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme den Unterbringungssachen im Sinne des § 312 FamFG zugeordnet. Den sich aus diesem Verfahren ergebenden Anforderungen wird der Beschluss ebenfalls nicht gerecht.
Es ist bereits zweifelhaft, ob dem Gericht vor Genehmigung der Einwilligung des vorläufigen Betreuers in die Zwangsbehandlung ein den Anforderungen des § 331 Satz 1 Nr. 2 FamFG genügendes ärztliches Zeugnis vorgelegen hat. Zwar ist im Verfahren der einstweiligen Anordnung einer Zwangsbehandlungsmaßnahme nach § 312 Satz 1 Nr. 1 FamFG nicht erforderlich, dass zuvor ein von einem die Betroffene nicht behandelnden Arzt zu erstellendes Sachverständigengutachten (vgl. § 321 Abs. 1 Satz 5 FamFG) eingeholt worden ist22. Die Zeitersparnis der einstweiligen Anordnung gegenüber dem Hauptsacheverfahren besteht gerade darin, statt eines Gutachtens nach § 321 FamFG auf ein ärztliches Zeugnis zurückgreifen zu können23. Aus dem Beschluss geht jedoch nicht hervor, dass dem Landgericht ein den Anforderungen des § 331 Satz 1 Nr. 2 FamFG genügendes ärztliches Zeugnis über den Zustand dder Betroffenen und die Notwendigkeit der Maßnahme vorgelegen hat. In den Akten des fachgerichtlichen Verfahrens findet sich lediglich die ärztliche Stellungnahme vom 10.04.2014, die zum Zeitpunkt der Verhandlung über die Beschwerde am 20.05.2014 bereits über einen Monat alt war, für die Beschreibung des Gesundheitszustandes dder Betroffenen auf deren Zustand bei Einweisung in die Psychiatrie am 24.03.2014 zurückgriff und sich hinsichtlich der aktuellen Beschreibung ihres Gesundheitszustandes auf dieselben formelhaften Formulierungen beschränkte, die der Beschluss des Landgerichts verwendet. Hinsichtlich der beschriebenen Gefahr einer Entgleisung des Diabetes Mellitus und der Blutdruckerkrankung bestehen zudem Zweifel an der Richtigkeit der ärztlichen Stellungnahme, da sich aus den Akten konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Betroffene ihre diese Erkrankungen betreffenden Medikamente freiwillig eingenommen hatte24.
Hinzu kommt, dass in dem landgerichtlichen Beschluss die zulässige Höchstdauer der einstweilig angeordneten Zwangsmedikation deutlich überschritten worden ist. Gemäß § 333 Abs. 2 Satz 1 FamFG darf die einstweilige Anordnung bei der Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme die Dauer von zwei Wochen nicht überschreiten. Diese Regelung soll gerade sicherstellen, dass bei einer so einschneidenden Maßnahme wie der Zwangsbehandlung die Gesamthöchstdauer von sechs Wochen nicht überschritten wird und damit die Verfahrensgarantie der Begutachtung durch einen unabhängigen Sachverständigen nicht umgangen werden kann25. Der die Maßnahme für eine – lediglich im Hauptsacheverfahren zulässige (§ 329 Abs. 1 Satz 2 FamFG) – Höchstdauer von sechs Wochen anordnende Beschluss genügt somit auch den Anforderungen für die Zulässigkeit einer im einstweiligen Anordnungsverfahren genehmigten Zwangsbehandlung offensichtlich nicht.
Soweit der Beschluss des Landgerichts die vorläufige Unterbringung dder Betroffenen genehmigt, verletzt er sie in ihrem Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.
Die Freiheit der Person ist unverletzlich (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG). In diese Freiheit darf gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 3 und Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes eingegriffen werden. Inhalt und Reichweite eines freiheitsbeschränkenden Gesetzes sind von den Fachgerichten so auszulegen, dass sie eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Wirkung entfalten. Ungeachtet des hohen Ranges des hier geschützten Grundrechts ist es allerdings auch in diesem Bereich in erster Linie Aufgabe der Fachgerichte, den Sinn des Gesetzesrechts mit Hilfe der anerkannten Methoden der Rechtsfindung zu ergründen und den Anwendungsbereich des Gesetzes zu bestimmen. Das Bundesverfassungsgericht kann erst korrigierend tätig werden, wenn das fachgerichtliche Auslegungsergebnis über die vom Grundgesetz gezogenen Grenzen hinausgreift, insbesondere wenn es mit Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf persönliche Freiheit nicht zu vereinbaren ist26.
Die Freiheit der Person ist ein so hohes Rechtsgut, dass sie nur aus besonders gewichtigem Grund angetastet werden darf27. Die Einschränkung dieser Freiheit ist daher stets der strengen Prüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu unterziehen. Sie ist in der Regel nur zulässig, wenn sie der Schutz der Allgemeinheit oder der Rechtsgüter anderer verlangt28. Dies schließt allerdings nicht von vornherein einen staatlichen Eingriff aus, der ausschließlich den Zweck verfolgt, einen psychisch Kranken vor sich selbst zu schützen und ihn zu seinem eigenen Wohl in einer geschlossenen Einrichtung unterzubringen. Die Fürsorge der staatlichen Gemeinschaft schließt auch die Befugnis ein, den psychisch Kranken, der infolge seines Krankheitszustandes und der damit verbundenen fehlenden Einsichtsfähigkeit die Schwere seiner Erkrankung und die Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen nicht zu beurteilen vermag oder sich trotz einer solchen Erkenntnis infolge der Krankheit nicht zu einer Behandlung entschließen kann, zwangsweise in einer geschlossenen Einrichtung unterzubringen, wenn sich dies als unumgänglich erweist, um eine drohende gewichtige gesundheitliche Schädigung von dem Kranken abzuwenden29. Eine allein zur Durchführung einer zwangsweisen Heilbehandlung angeordnete Unterbringung ist jedoch lediglich dann verhältnismäßig, wenn die angeordnete Zwangsbehandlung ihrerseits ohne Verletzung der Grundrechte der Betroffenen erfolgt.
Diesen Maßstäben wird der angegriffene Beschluss nicht gerecht. Das Landgericht hat seine Entscheidung über die vorläufige Unterbringung allein darauf gestützt, dass die Voraussetzungen zur Durchführung einer Heilbehandlung gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorlägen. Zwar zitiert der Beschluss nicht allein diesen Teil der Norm, sondern nennt allgemein § 1906 Abs. 1 BGB als gesetzliche Grundlage für die Unterbringung. Im Folgenden gibt er jedoch hinsichtlich der konkreten Voraussetzungen für die Unterbringung fast wortgleich § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB wieder und stellt im Übrigen ausdrücklich fest, dass bei der Betroffenen eine akute Eigen- und Fremdgefährdung nicht mehr vorhanden sei. Diese Feststellung deckt sich mit der Begründung der Aufhebung des die öffentlich-rechtliche Unterbringung dder Betroffenen verlängernden Beschlusses des Amtsgerichts Leipzig vom 05.05.2014. Aufgrund derselben mündlichen Anhörung dder Betroffenen vom 20.05.2014 hat das Landgericht mit Beschluss vom 26.05.2014 – 02 T 294/14 – festgestellt, dass mangels Eigen- oder Fremdgefährdung die Voraussetzungen für eine öffentlich-rechtliche Unterbringung dder Betroffenen nicht mehr gegeben seien. Insoweit wird deutlich, dass das Landgericht die Genehmigung der vorläufigen Unterbringung dder Betroffenen nicht auf § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB, sondern auf § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB gestützt hat.
Die unter diesen Voraussetzungen angeordnete Freiheitsentziehung ist jedoch nur verhältnismäßig, wenn während der Unterbringung eine erfolgversprechende Heilbehandlung überhaupt durchgeführt werden kann, ohne ihrerseits Grundrechte der Betroffenen zu verletzen30. Vorliegend war, wie in den in § 1906 Abs. 3 BGB erfassten Fällen, auszuschließen, dass die Betroffene eine Behandlung ohne Zwang vornehmen lassen würde. Die Genehmigung der Unterbringung zur Durchführung der Heilbehandlung wäre mithin nur zulässig gewesen, wenn die Voraussetzungen für eine ärztliche Zwangsmaßnahme im Sinne des § 1906 Abs. 3 BGB vorgelegen hätten und diese nach § 1906 Abs. 3a BGB rechtwirksam genehmigt worden wäre31. Da die Genehmigung der ärztlichen Zwangsbehandlung durch das Landgericht bereits ihrerseits das Grundrecht dder Betroffenen auf körperliche Unversehrtheit verletzt, ist die allein zur Durchführung dieser rechtswidrigen Maßnahme angeordnete Freiheitsentziehung dder Betroffenen unverhältnismäßig und verletzt sie daher auch in ihrem Freiheitsgrundrecht.
Darüber hinaus verstößt die Genehmigung der vorläufigen Unterbringung dder Betroffenen gegen ihr Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, weil die Unterbringung über die gesetzlich vorgesehene Dauer hinaus angeordnet worden ist und mithin ohne gesetzliche Grundlage erfolgte.
Gemäß § 333 Abs. 1 Satz 1 FamFG kann die vorläufige Unterbringung für die Dauer von sechs Wochen genehmigt werden. Sie kann nach Anhörung eines Sachverständigen verlängert werden (§ 333 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Jedenfalls darf die Gesamtdauer der vorläufigen Unterbringung drei Monate nicht überschreiten (§ 333 Abs. 1 Satz 4 FamFG). Die hier angegriffene Unterbringungsanordnung stellt bereits die Verlängerung der einstweiligen Maßnahme nach dem SächsPsychKG dar. Eine wiederholte einstweilige Anordnung ist als Verlängerung der früher ergangenen einstweiligen Anordnung anzusehen, wenn es sich um dieselbe Angelegenheit handelt. Hierbei ist maßgeblich, ob nach Beendigung der vorherigen Unterbringungsmaßnahme eine neue Sachlage, insbesondere ein neues Krankheitsbild eingetreten ist. Die Überleitung einer nach Landesrecht angeordneten Maßnahme in eine zivilrechtliche steht der Bewertung als einheitliche Angelegenheit nicht entgegen32.
Vorliegend wurde die vorläufige Unterbringung dder Betroffenen erstmalig mit Beschluss des Amtsgerichts Leipzig vom 25.03.2014 auf Grundlage des SächsPsychKG angeordnet. Das Amtsgericht Leipzig hat diese Unterbringungsmaßnahme aufgrund desselben Krankheitsbildes verlängert. Durch den hier angegriffenen Beschluss des Landgerichts wurde diese öffentlich-rechtliche Unterbringung – wiederum aufgrund desselben Krankheitsbildes – in eine zivilrechtliche Unterbringung übergeleitet. Letztere sollte bis zum 30.06.2014 dauern. Die Höchstdauer der vorläufigen Unterbringung von drei Monaten in derselben Angelegenheit war aber bereits am 24.06.2014 erreicht. Jedenfalls die Anordnung der vorläufigen Unterbringung vom 25.06.2014 bis zum 30.06.2014 erfolgte damit ohne rechtliche Grundlage und verstößt bereits deshalb gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.
Die Entscheidung beruht auf dem Grundrechtsverstoß. Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist festzustellen, dass das Landgericht die Grundrechte dder Betroffenen aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt hat. Da der Unterbringungsbeschluss des Landgerichts mit Ablauf des 30.06.2014 erledigt ist, bleibt für eine Zurückverweisung kein Raum33.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 14. Juli 2015 – 2 BvR 1549/14 und 2 BvR 1550/14
- vgl. BVerfGE 128, 282, 300; 129, 269, 280; 133, 112, 131[↩]
- vgl. BVerfGE 128, 282, 317[↩]
- vgl. BVerfGE 128, 282, 318 ff.; 129, 269, 283; 133, 112, 132[↩]
- vgl. BVerfGE 128, 282 ff.; 129, 269 ff.[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 20.06.2012 – XII ZB 130/12 und XII ZB 99/12[↩]
- vgl. BT-Drs. 17/11513 und 17/12086[↩]
- vgl. Schmidt-Recla, in: Münchener Kommentar zum FamFG, 2. Auflage 2013, § 331 Rn. 5; Budde, in: Keidel, FamFG, 18. Auflage 2014, § 331 Rn. 3[↩]
- vgl. für dieses Erfordernis BVerfGE 128, 282, 304 f.[↩]
- vgl. hierfür Marschner, in: Jürgens, Betreuungsrecht, 5. Auflage 2014, § 1906 Rn. 36; siehe hierzu auch die Neuregelung des § 630d BGB; vgl. zur Bindung des Betreuers an den mutmaßlichen Patientenwillen bei dessen Einwilligungsunfähigkeit, soweit keine Patientenverfügung i.S.d. § 1901a Abs. 1 BGB vorliegt, auch die Gesetzesbegründung BT-Drs. 17/11513, S. 7[↩]
- LG Leipzig, Beschlüsse vom 26.05.2014 – 02 T 285/14[↩]
- es habe nicht feststellen können, dass es sich bei dem Entschluss dder Betroffenen zur Absetzung der Medikamente um eine aus freiem Willen getroffene Entscheidung gehandelt habe; diese Entscheidung sei bereits Ausdruck des erneuten Ausbruchs ihrer seit Jahrzehnten andauernden psychischen Erkrankung[↩]
- vgl. BVerfGE 128, 282, 304 m.w.N.[↩]
- vgl. für dieses Erfordernis BVerfGE 128, 282, 309 f.[↩]
- vgl. BVerfGE 128, 282, 309; 129, 269, 283; 133, 112, 139; BT-Drs. 17/12086, S. 1, 11[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 30.07.2014 – XII ZB 169/14 15 f.; und vom 04.06.2014 – XII ZB 121/14 15 f.[↩]
- vgl. BGH, a.a.O.[↩]
- vgl. hierzu im Einzelnen BGH, Beschluss vom 04.06.2014 – XII ZB 121/14 18 ff.[↩]
- vgl. für dieses Erfordernis im Rahmen des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB a.F. BVerfG, Beschluss vom 23.03.1998 – 2 BvR 2270/96 – NJW 1998, S. 1774, 1775; für Beispielsfälle vgl. Dodegge, NJW 2013, S. 1265, 1267 f.[↩]
- vgl. hierzu BVerfGE 128, 282, 309[↩]
- für Beispiele weniger eingreifender Maßnahmen vgl. Dodegge, NJW 2013, S. 1265, 1268[↩]
- vgl. zu diesem Erfordernis BVerfGE 128, 282, 310 f.[↩]
- vgl. BT-Drs. 17/12086, S. 2; vgl. auch Budde, in: Keidel, FamFG, 18. Auflage 2014, § 331 Rn. 5[↩]
- vgl. Schmidt-Recla, in: Münchener Kommentar zum FamFG, 2. Auflage 2013, § 331 Rn. 2[↩]
- vgl. grundsätzlich für die inhaltlichen Anforderungen, die auch ein ärztliches Zeugnis erfüllen muss, Schmidt-Recla, in: Münchener Kommentar zum FamFG, 2. Auflage 2013, § 331 Rn. 7 m.w.N.; Budde, in: Keidel, FamFG, 18. Auflage 2014, § 331 Rn. 8 m.w.N.; Diekmann, in: Jurgeleit, Betreuungsrecht, 3. Auflage 2013, § 331 Rn. 4 m.w.N.[↩]
- vgl. hierzu Schmidt-Recla, in: Münchener Kommentar zum FamFG, 2. Auflage 2013, § 333 Rn. 7[↩]
- vgl. BVerfGE 65, 317, 322; BVerfG, Beschluss vom 23.03.1998 – 2 BvR 2270/96, NJW 1998, S. 1774, 1774[↩]
- vgl. BVerfGE 45, 187, 223[↩]
- vgl. BVerfGE 58, 208, 224 f.[↩]
- vgl. BVerfGE 58, 208, 224 ff.[↩]
- vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 30.07.2014 – XII ZB 169/14 21 ff.[↩]
- vgl. BGH, a.a.O., Rn. 23[↩]
- vgl. hierzu Budde, in: Keidel, FamFG, 18. Auflage 2014, § 333 Rn. 2 ff.[↩]
- vgl. BVerfGE 42, 212, 222; 44, 353, 383; 50, 234, 243[↩]