Wohnungsdurchsuchung – zum Zwecke der Einweisung in die Psychiatrie

Eine Durchsuchung der Wohnung eines Betroffenen kann nicht nach § 36 PolG BW angeordnet werden, wenn diese darauf abzielt, das Vorliegen der Voraussetzungen von Maßnahmen nach dem BWPsychKHG zu überprüfen.

Wohnungsdurchsuchung – zum Zwecke der Einweisung in die Psychiatrie

Bei § 36 PolG BW und der Generalklausel des § 3 PolG BW handelt es sich um Vorschriften des allgemeinen Polizeirechts. Sie sind subsidiär, wenn spezielle Ermächtigungsgrundlagen zur Gefahrenabwehr bestehen. Dann sind die Voraussetzungen der Spezialermächtigung zu prüfen, die in ihrem Anwendungsbereich den Rückgriff auf das allgemeine Polizeirecht sperren1.

Soweit die Ortspolizeibehörde also geltend macht, die beantragte Anordnung stehe im Zusammenhang mit einer Untersuchungsanordnung nach dem PsychKHG und meint, die insoweit bestehenden Voraussetzungen müsse sie nicht einhalten und könne sich trotzdem auf Eingriffsbefugnisse des allgemeinen Polizeirechts berufen, trifft das nicht zu.

Im Übrigen hat das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt, dass die Angaben der Ortspolizeibehörde nicht nachvollziehbar sind, wieso die zuständige Behörde nicht nach den Regelungen des PsychKHG i.V.m. dem LVwVG vorgeht.

In § 15 Abs. 1 PsychKHG ist geregelt, dass die untere Verwaltungsbehörde einen Unterbringungsantrag auch zur Beobachtung und Erstellung eines Gutachtens nach §§ 322, 283, 284 FamFG stellen kann. Auf Antrag könnte das Gericht – ggf. nach dem Versuch einer Anhörung – die Untersuchung des Betroffenen zur Vorbereitung eines Gutachtens anordnen und hierzu nach § 283 Absatz 3 Satz 1 FamFG auch die Durchsuchung anordnen. Nach § 17 PsychKHG kann die untere Verwaltungsbehörde die ärztliche Untersuchung durch das Gesundheitsamt anordnen, wenn dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass bei dieser die Voraussetzungen für eine Unterbringung vorliegen. Dabei ist das Gericht örtlich zuständig, das für ein gleichzeitig beantragtes Unterbringungsverfahren zuständig wäre. Vorliegend fehlt es schon an einem Antrag der unteren Verwaltungsbehörde in dem vorgenannten Sinn. Im Übrigen wäre dann auch nicht das nach § 132 Abs. 1 PolG BW zuständige Amtsgericht, sondern das Betreuungsgericht zuständig und Beschwerdegericht wäre das Landgericht und nicht das Oberlandesgericht.

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Die Voraussetzungen für eine Anordnung zum Betreten und zur Durchsuchung der Wohnung des Betroffenen liegen aber auch unabhängig von der Sperrwirkung der Regelungen im PsychKHG nicht vor.

Verfassungsmäßiger Hintergrund der Regelung in § 36 PolG BW ist Art. 13 GG, der die Unverletzlichkeit der Wohnung garantiert und dem Einzelnen damit mit Blick auf die Menschenwürde einen elementaren Lebensraum zur freien Entfaltung seiner Persönlichkeit gewährleistet2. In seinen Wohnräumen hat jeder Mensch grundsätzlich das Recht, in Ruhe gelassen zu werden. Das Betreten und insbesondere die Durchsuchung einer Wohnung greifen schwerwiegend in diese grundrechtlich geschützte Lebenssphäre ein3. Beide Eingriffsarten unterliegen daher konsequenterweise qualifizierten Gesetzesvorbehalten, d.h. das Betreten oder Durchsuchen einer Wohnung kommt von Verfassungs wegen nur unter den in Art. 13 GG für die jeweilige Eingriffsart genannten qualifizierenden Voraussetzungen in Betracht4. Daraus folgt nicht nur, dass die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 PolG BW vorliegen müssten, sondern darüber hinaus, dass die Anordnung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geeignet, erforderlich und verhältnismäßig in engerem Sinne zur Gefahrenabwehr sein müsste. Daran fehlt es jedenfalls, da der Betroffene bei dem letzten Versuch der Kontaktaufnahme durch Polizeibeamte freiwillig die Wohnungstür geöffnet hat. Die Ortspolizeibehörde macht in ihrer Antragsschrift geltend, dass Polizeibeamte den Betroffenen am 11.07.2023 aufgesucht haben und der Betroffene ihnen die Tür ca. 40 cm geöffnet und mit ihnen ein Gespräch geführt habe. Ist es den Polizeibeamten aber ohne Zwang gelungen, Kontakt zu dem Betroffenen aufzunehmen und hat dieser ihnen freiwillig die Tür geöffnet, liegen die Voraussetzungen für die Ausübung von Zwang gegen den Willen des Betroffenen durch die Anordnung des Betretens und Durchsuchung seiner Wohnung nicht vor.

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Soweit die Ortspolizeibehörde ihrer Beschwerde ein Schreiben des Betreuungsgerichts vom 11.07.2023 beifügt, in dem für den Fall einer akuten Gefährdungslage auf eine Überprüfung nach § 36 Abs. 2, 5 PolG BW hingewiesen wird, hat eine darauf bezogene Überprüfung nach Angaben in der Antragsschrift noch am 11.07.2023 mit dem Ergebnis stattgefunden, dass von Seiten der Polizei kein weiterer Handlungsbedarf gesehen wurde, nachdem der Betroffene zwar nackt und verwahrlost die Tür öffnete, aber angab, keine Hilfe zu benötigen.

Soweit die Ortspolizeibehörde im Schreiben vom 14.07.2023 einen Vorfall schildert, nach dem eine Nichte des Betroffenen ihn nach langem Zureden habe zu einem Krankenhausaufenthalt veranlassen können und er dort die Behandlung verweigert habe, sodass die Nichte eine Einweisung in ein Krankenhaus veranlassen wollte, was mit der Begründung verweigert worden sei, der Betroffene sei klar orientiert, zeigt dieses Vorbringen, dass der Betroffene mit gutem Zureden in gewisser Weise zur Kooperation bewegt werden konnte und eine Krankenhausentlassung jedenfalls mit einer Orientierung des Betroffenen begründet wurde. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Sperrwirkung der Regelungen im PsychKHG zu überwinden und erst Recht nicht dazu, die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 PolG BW zu bejahen.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 20. Juli 2023 – 19 W 54/23 (Wx)

  1. vgl. BeckOK Polizeirecht Baden-Württemberg- Trunit, 29. Ed.01.06.2023, § 3 Rn. 22[]
  2. BeckOK Polizeirecht Baden-Württemberg- Nachbaur, 29. Ed.01.06.2023, § 36 Rn. 1 mit Verweis auf BVerfG NJW 1993, 2035, 2037[]
  3. ebd. unter Hinweis auf BVerfG NJW 1976, 1735; 1997, 2163; 2001, 1121; 2005, 275, 276[]
  4. BVerfG NJW 1993, 2035, 2037[]
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