Zwanzigjährige in der Berufsvorbereitung – keine gesteigerte Unterhaltspflicht der Eltern

Der Besuch einer primär der Verbesserung der allgemeinen Fähigkeiten dienenden berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme durch ein volljähriges Kind begründet keine gesteigerte Erwerbspflicht der Eltern.

Zwanzigjährige in der Berufsvorbereitung – keine gesteigerte Unterhaltspflicht der Eltern

In dem hier vom Oberlandesgericht Hamm entschiedenen Fall lebte die 20jährige Antragstellerin aus Dorsten, die bei ihrem Vater lebt, der selbst erwerbsunfähig ist und Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II bezieht, Unterhalt von ihrer Mutter. Die Mutter ist geringfügig beschäftigt und erhält ergänzend Leistungen nach dem SGB II. Die Tochter hat die Hauptschule ohne Abschluss beendet. Sie möchte eine Berufsschule besuchen, dort den Hauptschulabschluss und darauf aufbauend den Realschulabschluss erreichen, um Altenpflegerin zu werden. Derzeit absolviert sie eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme der Stadt, um ihre Lese, Rechtschreib- und Lernkompetenzen zu verbessern. Sie erhält eine monatliche Ausbildungsbeihilfe von ca. 250 €. Von der Mutter begehrt sie monatlichen Volljährigenunterhalt in Höhe von ca. 300 € und meint, ihre Mutter treffe eine gesteigerte Erwerbspflicht, weil sie, die Tochter, sich noch in der allgemeinen Schulbildung befinde.

Mit dieser Begründung hat sie Verfahrenskostenhilfe für eine Unterhaltsklage gegen die Mutter begehrt. Der Antrag der Zwanzigjährigen blieb sowohl vor dem Amtsgericht Dorsten wie auch vor dem Oberlandesgericht Hamm ohne Erfolg:

Nach der einschlägigen gesetzlichen Vorschrift des § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB sei die Tochter bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres nur dann privilegiert und einem minderjährigen unverheirateten Kind gleichzustellen, befand das Oberlandesgericht Hamm, wenn sie im Haushalt eines Elternteils lebe und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinde. Letzteres sei nicht der Fall. Die Tochter absolviere eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme, mit der sie gerade nicht primär auf den nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses oder eines gleichwertigen Schulabschlusses vorbereitet werden solle. Die Maßnahme diene vorrangig der beruflichen Integration und solle es der Tochter ermöglichen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Interessen für die Aufnahme einer beruflichen Ausbildung zu überprüfen, zu bewerten und zu erweitern und eine Berufswahlentscheidung zu treffen. Es gehe mithin um eine allgemeine Verbesserung vorhandener Fähigkeiten der Tochter und nicht primär darum, dass sie die Schulzeit mit einem qualifizierten Abschluss beende. Im Übrigen enthalte die Maßnahme auch einen Berufsschulteil, der nicht mehr zur allgemeinen Ausbildung zähle, weil berufsbezogene Ausbildungsinhalte vermittelt würden.

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Aufgrund ihrer Einkommenssituation sei die Mutter gegenüber der somit nicht privilegierten, volljährigen Tochter wegen des dann geltenden höheren Selbstbehalts nicht leistungsfähig und schulde keinen Unterhalt.

Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 3. Dezember 2014 – 2 WF 144714