Schiedsverfahren – und die Frist für ein Abhilfeverfahren

Die Vereinbarung einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung des Schiedsspruchs zur Einleitung eines Abhilfeverfahrens wegen eines Verstoßes des Schiedsgerichts gegen den Anspruch einer Partei auf rechtliches Gehör entzieht einer Partei nicht den notwendigen Rechtsschutz und ist daher nicht wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.

Schiedsverfahren – und die Frist für ein Abhilfeverfahren

Eine Schiedsvereinbarung ist nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, soweit sie den Rechtsschutz übermäßig einschränkt. Wegen seiner für den Bestand der Rechtsordnung wesentlichen Bedeutung kann der Rechtsschutz durch Parteivereinbarung allenfalls in einzelnen konkreten Ausgestaltungen, nicht aber in seiner Substanz abbedungen werden. Führt die Vereinbarung einer Schiedsklausel dazu, dass einer Partei der notwendige Rechtsschutz entzogen wird, ist die Schiedsvereinbarung mit den guten Sitten unvereinbar und daher nichtig1. Entsprechendes gilt für von den Parteien zur Durchführung der Schiedsvereinbarung getroffene Verfahrensvereinbarungen.

Durch die Vereinbarung einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung des Schiedsspruchs zur Einleitung eines Abhilfeverfahrens wegen eines Verstoßes des Schiedsgerichts gegen den Anspruch einer Partei auf rechtliches Gehör wird der Rechtsschutz der Parteien gegen Gehörsverstöße weder ausgeschlossen noch übermäßig eingeschränkt.

Es bleibt einer Partei unbenommen, einen Gehörsverstoß nach erfolgloser Durchführung eines solchen Abhilfeverfahrens beim Schiedsgericht im Rahmen des Aufhebungsverfahrens beim Oberlandesgericht als Verstoß des Schiedsgerichts gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Fall 2 ZPO) und damit den inländischen ordre public (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO) geltend zu machen. Ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs stellt zugleich einen Verstoß gegen den inländischen (verfahrensrechtlichen) ordre public dar2. Dabei steht der Partei zur Geltendmachung eines Gehörsverstoßes die für die Einreichung des Aufhebungsantrags geltende Frist von grundsätzlich drei Monaten (§ 1059 Abs. 3 ZPO) uneingeschränkt zur Verfügung. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde wird diese Frist durch das Erfordernis der Durchführung eines Abhilfeverfahrens nicht verkürzt. Im Rahmen des Verfahrens auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs ist ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs, da er zugleich einen Verstoß gegen den inländischen ordre public darstellt, darüber hinaus auch dann zu berücksichtigen, wenn diese Frist bereits abgelaufen ist (vgl. § 1060 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Daran ändert das Erfordernis der Durchführung eines Abhilfeverfahrens nichts.

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Allein für den Fall, dass eine Partei einen Gehörsverstoß nicht oder nicht fristgerecht im Rahmen des Abhilfeverfahrens geltend gemacht hat, kann sie diesen auch nicht mehr mit Erfolg im Rahmen des Aufhebungsverfahrens oder des Verfahrens auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs rügen. Dadurch wird der Rechtsschutz der Partei gegen Gehörsverstöße nicht übermäßig eingeschränkt. Die Obliegenheit, wegen eines behaupteten Gehörsverstoßes innerhalb einer bestimmten Frist ein Abhilfeverfahren beim Schiedsgericht durchzuführen, ist aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit sachgerecht, da das Abhilfeverfahren entweder zu einer Abhilfe durch das Schiedsgericht oder durch eine begründete Ablehnung der Rüge zu einer endgültigen Befriedung führen und damit ein Aufhebungsverfahren beim Oberlandesgericht vermeiden kann. Die Bestimmung des § 4 Abs. 3 des Schiedsvertrags, wonach eine Partei, die einen Gehörsverstoß nicht innerhalb einer Frist von zwei Wochen in dem dafür vorgesehenen Abhilfeverfahren beim Schiedsgericht rügt, mit dieser Rüge im weiteren Verfahren ausgeschlossen ist, entspricht dem Zusammenspiel der gesetzlichen Regelungen des § 321a ZPO und des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG. Sie führt ebenso wenig wie diese Regelungen zu einer übermäßigen Einschränkung des Rechtsschutzes der Parteien.

Gemäß § 321a Abs. 1 Satz 1 ZPO ist auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei das Verfahren fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 321a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO) schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird (§ 321a Abs. 2 Satz 4 ZPO). Ist die Rüge unzulässig oder unbegründet, wird sie vom Gericht verworfen oder zurückgewiesen (§ 321a Abs. 4 ZPO); ist sie begründet, so hilft ihr das Gericht ab (§ 321a Abs. 5 ZPO).

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Hat die beschwerte Partei es versäumt, die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör mit der Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO geltend zu machen, ist eine auf die Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 103 Abs. 1 GG gestützte Verfassungsbeschwerde mangels Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG unzulässig3. Das gilt nicht nur, wenn die beschwerte Partei keine Anhörungsrüge erhoben hat, sondern auch, wenn das Gericht eine von der beschwerten Partei erhobene Anhörungsrüge wegen Versäumung der Frist mit Recht als unzulässig verworfen hat4. Eine Partei, die eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen mit der Anhörungsrüge beim Gericht, dessen Entscheidung angegriffen wird, geltend macht, ist mit dieser Rüge im Verfahren der Verfassungsbeschwerde ausgeschlossen.

Der Rechtsschutz der Parteien ist auch nicht übermäßig eingeschränkt, weil für die Einleitung eines Abhilfeverfahrens eine Zweiwochenfrist gilt. Die zweiwöchige Frist für die Erhebung der Gehörsrüge entspricht der Frist des § 321a ZPO. Sie kann ebenso wenig wie diese als unangemessen angesehen werden. Die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG für die Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen einer GmbH ist entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde kein geeigneter Vergleichsmaßstab, weil es sich um eine spezielle Regelung für Beschlussmängelstreitigkeiten handelt, die nicht verallgemeinerungsfähig und im vorliegenden Fall ohnehin nicht einschlägig ist.

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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16. April 2015 – I ZB 3/14

  1. vgl. BGHZ 180, 221 Rn. 17 f., mwN[]
  2. vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2005 – III ZB 65/04, SchiedsVZ 2005, 259, 260; MünchKomm-.ZPO/Münch, 4. Aufl., § 1059 Rn. 45 mwN; Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl., § 1059 Rn. 27; vgl. allgemein zum Begriff des inländischen ordre public BGH, Beschluss vom 30.10.2008 – III ZB 17/08, NJW 2009, 1215 Rn. 5, mwN[]
  3. vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 27.06.2007 – 1 BvR 1470/07, NJW 2007, 3054 f.; Kammerbeschluss vom 30.05.2008 – 1 BvR 27/08 13 f.[]
  4. vgl. Saenger, ZPO, 6. Aufl., § 321a ZPO Rn. 15[]