Teil-Schiedsspruch

Die Bestimmung des § 301 ZPO gehört grundsätzlich nicht zu den unverzichtbaren Normen für ein ordnungsgemäßes Verfahren. Der Erlass eines Teilschiedsspruchs ist auch dann nicht den Voraussetzungen des § 301 ZPO unterworfen, wenn die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen droht, die Verfahrensgestaltung aber (noch) rational nachvollziehbar ist. Der Aspekt der Widerspruchsfreiheit von Teil- und Schlussentscheidung ist kein unverzichtbarer Grundsatz der deutschen Rechtsordnung1.

Teil-Schiedsspruch

Ein solcher Teilschiedsspruch ist daher nicht nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d ZPO wegen Mängeln des schiedsrichterlichen Verfahrens aufzuheben, da der Teilschiedsspruch nicht gegen § 301 ZPO verstößt.

In dem hier in der Rechtsbeschwerde vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall war die Antragstellerin mit ihrer Rüge, das schiedsrichterliche Verfahren habe in entscheidungserheblicher Weise gegen eine Bestimmung des 10. Buchs der Zivilprozessordnung oder eine zulässige Vereinbarung der Parteien verstoßen (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d ZPO), bereits deshalb ausgeschlossen, weil sie diesen Aufhebungsgrund vor dem Oberlandesgericht nicht im Sinne von § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Halbsatz 1 ZPO „begründet geltend“ gemacht hat. Es kommt nicht nur auf das objektive Vorliegen des betreffenden Aufhebungsgrunds an; daneben ist vielmehr notwendig, dass er in einer dem Erfordernis „begründeter Geltendmachung“ genügenden Weise zur Nachprüfung durch das Gericht gestellt worden ist. In der Vorinstanz vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main2 hat die Antragstellerin ihr Aufhebungsbegehren indessen nicht auf den nunmehr geltend gemachten Grund eines verfahrensfehlerhaft erlassenen Teilschiedsspruchs gestützt. Vielmehr ist der Hinweis, die Berechnung der Gewinnmargen wirke sich auch im Endschiedsspruch aus, im Rahmen der Ausführungen dazu erfolgt, dass das Schiedsgericht ein Sachverständigengutachten hätte einholen müssen. Die Unterlassung einer entsprechenden Prüfung durch das Oberlandesgericht ist mithin nicht rechtsfehlerhaft, und der Antragstellerin ist es verwehrt, die nunmehr geltend gemachten Gründe erstmals im Rechtsbeschwerdeverfahren vorzubringen3.

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Ein von Amts wegen zu prüfender Verstoß gegen den (verfahrensrechtlichen) ordre public (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO) wegen eines unzulässigen Teilschiedsspruchs lag nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ebenfalls nicht vor:

Ein Schiedsspruch kann nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO aufgehoben werden, wenn seine Anerkennung oder Vollstreckung zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht. Das setzt voraus, dass dieses Ergebnis mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Das ist der Fall, wenn der Schiedsspruch eine Norm verletzt, die die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens regelt, oder wenn er zu deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht. Der Schiedsspruch muss mithin die elementaren Grundlagen der Rechtsordnung verletzen. Danach stellt nicht jeder Widerspruch der Entscheidung eines Schiedsgerichts zu zwingenden Vorschriften des deutschen Rechts einen Verstoß gegen den ordre public dar. Vielmehr muss es sich um eine nicht abdingbare Norm handeln, die Ausdruck einer für die Rechtsordnung grundlegenden Wertentscheidung des Gesetzgebers ist4.

Zu diesen unverzichtbaren Normen für ein ordnungsgemäßes Verfahren zählt § 301 ZPO grundsätzlich nicht5.

Nach § 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat das Gericht die Entscheidung durch Endurteil (Teilurteil) zu erlassen, wenn von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif ist.

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Die Teilbarkeit im Sinne von § 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO erfordert eine Mehrheit von prozessualen Ansprüchen beziehungsweise Streitgegenständen (§ 301 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 ZPO) oder die Teilbarkeit des einen prozessualen Anspruchs beziehungsweise Streitgegenstands (§ 301 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 ZPO). Ein Teilurteil über einzelne von mehreren konkurrierenden Anspruchsgrundlagen ist danach nicht zulässig6. Auch die notwendige Streitgenossenschaft (§ 62 Abs. 1 Fall 1 ZPO) schließt eine Teilbarkeit grundsätzlich aus7.

Das Erfordernis der Entscheidungsreife setzt voraus, dass der Sachverhalt vollständig aufgeklärt ist, die Beweise erschöpft sind oder eine Partei mit weiterem Vorbringen nicht zugelassen oder zurückgewiesen wird8. Es fehlt mithin, wenn neuer Vortrag noch zulässig ist9. Ein Teilurteil darf Vorbringen nicht als verspätet zurückweisen, das ohne Verzögerung des Schlussurteils noch in diesem berücksichtigt werden kann10.

Ungeschriebene Voraussetzung für den Erlass eines Teilurteils ist dessen Unabhängigkeit von der Entscheidung über den restlichen Verfahrensgegenstand. Bei grundsätzlicher Teilbarkeit des Streitgegenstands darf ein Teilurteil deshalb nur ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen ist. Eine solche Gefahr ist namentlich gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann11.

Soweit die Voraussetzungen der Teilbarkeit und der Entscheidungsreife im Sinne von § 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO betroffen sind, besteht kein Bedürfnis, den dem Schiedsgericht in § 1042 Abs. 4 ZPO gesetzlich zugestandenen Ermessensspielraum von vornherein und ohne erkennbare Notwendigkeit einzuschränken. Vielmehr ist das Schiedsgericht im Rahmen seines Ermessens grundsätzlich befugt, Teilschiedssprüche zu erlassen, auch wenn die Voraussetzungen des § 301 ZPO nicht gegeben sind12.

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Die Frage, ob der verfahrensrechtliche ordre public eine Einschränkung dieses Grundsatzes erfordert, wenn infolge eines Grund- oder Teilurteils die konkrete Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen droht oder die Verfahrensgestaltung des Schiedsgerichts nicht mehr rational nachvollziehbar ist, hat der Bundesgerichtshof bislang offengelassen13. Er entscheidet diese Frage nunmehr dahin, dass eine solche Einschränkung nicht veranlasst ist, wenn – wie hier – die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen besteht, die Verfahrensgestaltung aber (noch) rational nachvollziehbar ist.

Der im vorliegenden Fall angefochtene Teilschiedsspruch birgt die Gefahr widersprechender Entscheidungen. Mit der Schätzung der Gewinnmargen für den OnlineHandel und das stationäre Geschäft der Antragstellerin wird in dem Teilschiedsspruch eine Frage entschieden, die sich im nachfolgenden Verfahren über die weiteren Ansprüche noch einmal stellt. Die vom Schiedsgericht geschätzten Gewinnmargen sind – zum Teil – auch für die noch offenen Schadenspositionen von Bedeutung.

Die Höhe dieser Gewinnmargen ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung im Teilschiedsspruch nicht mit Bindungswirkung für das weitere Verfahren im Sinne von § 318 ZPO festgestellt. Nach § 318 ist das Gericht an die Entscheidung, die in den von ihm erlassenen End- und Zwischenurteilen enthalten ist, gebunden. Die Bindungswirkung nach dieser Vorschrift, die im Schiedsverfahren entsprechend anwendbar ist14, erstreckt sich nur auf die Entscheidung selbst, nicht aber auf Elemente des Schiedsspruchs wie tatsächliche und rechtliche Vorfragen15. Die Höhe der Gewinnmargen ist eine solche Vorfrage.

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Aufgrund der Besonderheiten und der Zielrichtung des Schiedsverfahrens ist es jedoch gerechtfertigt, das dem Schiedsgericht in § 1042 Abs. 4 ZPO gesetzlich zugestandene Ermessen nicht durch den Grundsatz der Widerspruchsfreiheit einzuschränken.

Das Schiedsgericht hat bei der Festlegung der Verfahrensregeln nach § 1042 Abs. 4 Satz 1 ZPO grundsätzlich ein weites Ermessen, das auch dem jeweiligen Einzelfall gerecht werden sollte16. Das Schiedsverfahren dient dazu, das Verfahren zu erleichtern und zu beschleunigen. Das geht mit einer Verfahrensvereinfachung und dadurch bedingt mit einer Reduktion des durch das Verfahren gewährten Schutzes einher17. Eine Verfahrensvereinfachung kann auch darin bestehen, mit einem Teilschiedsspruch über tatsächliche und rechtliche Vorfragen zu entscheiden, die im weiteren Verfahren noch eine Rolle spielen. Das Risiko widersprechender Entscheidungen, das im Schiedsverfahren faktisch allerdings dadurch verringert wird, dass der Schiedsrichter regelmäßig davon ausgehen kann, auch die Folgeentscheidung zu treffen17, steht dem nicht entgegen.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Aspekt der Widerspruchsfreiheit von Teil- und Schlussentscheidung keinen unverzichtbaren Grundsatz der deutschen Rechtsordnung darstellt. Widersprüchliche Entscheidungen sind dem deutschen Rechtssystem nicht fremd und werden in bestimmten Konstellationen hingenommen18. Das gilt zum Beispiel bei der Stufenklage (§ 254 ZPO) oder im Haftungsprozess bei objektiver Klagehäufung (§ 260) von Auskunftsanspruch und Schadensersatzanspruch19. Ein Teilschiedsspruch, der mit Blick auf das weitere Verfahren die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen birgt, kann danach schon nicht mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar sein und deshalb der öffentlichen Ordnung widersprechen.

Werden außerdem die mit dem Erlass einer Teil, Entscheidung verfolgten Ziele – Vereinfachung und Beschleunigung, Übersichtlichkeit bei umfangreichem Streitstoff und Förderung der Vergleichsbereitschaft – in den Blick genommen, ist es gerechtfertigt, den Erlass eines Teilschiedsspruchs auch dann nicht den Voraussetzungen des § 301 ZPO zu unterwerfen, wenn die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen droht, die Verfahrensgestaltung aber (noch) rational nachvollziehbar ist20.

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Anhaltspunkte für eine rational nicht mehr nachvollziehbare Verfahrensgestaltung gibt es im vorliegend entschiedenen Streitfall nicht. Die Parteien sind mit der 6. Prozessleitenden Verfügung vom 27.07.2018 darüber informiert worden, dass der Schiedsrichter beabsichtigte, über sämtliche Schadenspositionen zu entscheiden, die entscheidungsreif waren. Die Möglichkeit nicht nur eines Grund, sondern auch eines Teilschiedsspruchs zur Schadenshöhe stand für die Parteien damit zumindest im Raum. In ihren schriftsätzlichen Stellungnahmen zur mündlichen Verhandlung und zur Beweisaufnahme vom 24.08.2018 haben sie diesem Vorgehen nicht widersprochen.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25. Juni 2020 – I ZB 108/19

  1. Fortführung von BGH, Beschluss vom 14.02.2019 – I ZB 33/18, SchiedsVZ 2019, 287[]
  2. OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 17.10.2019 – 26 Sch 2/19[]
  3. vgl. BGH, Beschluss vom 15.07.1999 – III ZB 21/98, BGHZ 142, 204, 206[]
  4. BGH, Beschluss vom 11.10.2018 – I ZB 9/18, SchiedsVZ 2019, 150 Rn. 5 mwN[]
  5. vgl. BGH, Beschluss vom 14.02.2019 – I ZB 33/18, SchiedsVZ 2019, 287 Rn. 9 mwN[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 12.03.2020 – I ZR 126/18, GRUR 2020, 755 Rn.19 und 21 = WRP 2020, 851 – WarnWetterApp, mwN[]
  7. vgl. BGH, Urteil vom 01.03.1999 – II ZR 305/97, NJW 1999, 1638, 1639[]
  8. vgl. Saenger, ZPO, 8. Aufl., § 300 Rn. 3[]
  9. Saenger aaO § 301 Rn. 5[]
  10. vgl. BGH, Urteil vom 26.06.1980 – VII ZR 143/79, BGHZ 77, 306, 308 f.[]
  11. vgl. BGH, Urteil vom 11.04.2017 – VI ZR 576/15, NJW 2018, 621 Rn. 10; Urteil vom 21.11.2017 – VI ZR 436/16, NJW 2018, 623 Rn. 7 mwN[]
  12. vgl. BGH, SchiedsVZ 2019, 287 Rn. 9 mwN[]
  13. vgl. BGH, SchiedsVZ 2019, 287 Rn. 10[]
  14. vgl. OLG Frankfurt am Main, SchiedsVZ 2007, 278, 279 39]; Althammer in Stein/Jonas aaO § 318 Rn. 5; BeckOK.ZPO/Elzer, 36. Edition [Stand 1.03.2020], § 318 Rn. 4; vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 18.01.2007 – III ZB 35/06, WM 2007, 1050 Rn. 5[]
  15. vgl. Althammer in Stein/Jonas aaO § 318 Rn.20 mwN[]
  16. vgl. BeckOK.ZPO/Wilske/Markert aaO § 1042 Rn. 21; vgl. auch MünchKomm.ZPO/Münch, 5. Aufl., § 1042 Rn. 91[]
  17. vgl. Klose, NJ 2019, 305, 307[][]
  18. vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.07.2014 – 26 Sch 28/13 90[]
  19. vgl. BGH, Urteil vom 29.03.2011 – VI ZR 117/10, BGHZ 189, 79 Rn. 14 bis 18; vgl. auch Zöller/Feskorn, ZPO, 33. Aufl., § 301 Rn. 16 mwN[]
  20. vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.07.2014 26 Sch 28/13 92; Zöller/Geimer aaO § 1059 Rn. 44b; aA MünchKomm.ZPO/Münch aaO § 1056 Rn. 7; Hammer aaO Rn. 691; vgl. auch OLG Düsseldorf, SchiedsVZ 2008, 156, 160 118][]
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Einrede des Schiedsvertrags

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