Vollstreckbarerklärung eines inländischen Schiedsspruchs – und der Verzicht auf den Aufhebungsantrag

Ein vor dem Erhalt des Schiedsspruchs erklärter genereller Verzicht auf die Befugnis, einen Aufhebungsantrag zu stellen, ist unwirksam. Der Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs, der aufgrund einer Schiedsvereinbarung ergangen ist, die einen solchen Verzicht enthält, steht allerdings kein Verstoß gegen den inländischen ordre public entgegen.

Vollstreckbarerklärung eines inländischen Schiedsspruchs – und der Verzicht auf den Aufhebungsantrag

Nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO liegt ein Aufhebungsgrund vor, wenn die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht. Dies setzt voraus, dass das Ergebnis mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist.

Das ist der Fall, wenn der Schiedsspruch eine Norm verletzt, die die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens regelt, oder wenn er zu deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht. Der Schiedsspruch muss mithin die elementaren Grundlagen der Rechtsordnung verletzen. Danach stellt nicht jeder Widerspruch der Entscheidung eines Schiedsgerichts zu zwingenden Vorschriften des deutschen Rechts einen Verstoß gegen den ordre public dar. Vielmehr muss es sich um eine nicht abdingbare Norm handeln, die Ausdruck einer für die Rechtsordnung grundlegenden Wertentscheidung des Gesetzgebers ist1.

Allerdings Rechtsbeschwerde ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht, dass eine Schiedsvereinbarung, die eine Überprüfung eines auf ihrer Grundlage ergehenden Schiedsspruchs durch die staatlichen Gerichte in den dafür vorgesehenen Verfahren ausschließt, stets insgesamt unwirksam ist. Es ist zwar zutreffend, dass jedenfalls ein vor dem Erhalt des Schiedsspruchs erklärter genereller Verzicht auf die Befugnis, einen Aufhebungsantrag zu stellen, unwirksam ist2. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Unwirksamkeit eines solchen Ausschlusses, der bereits in der Schiedsvereinbarung erklärt wird, stets die gesamte Schiedsvereinbarung erfasst. Ob die Schiedsvereinbarung im Übrigen Bestand hat oder insgesamt unwirksam ist, beurteilt sich vielmehr nach den allgemeinen Grundsätzen (insbesondere § 139 BGB)3.

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Ob die Schiedsvereinbarung danach insgesamt unwirksam ist, konnte im hier entschiedenen Streitfall offenbleiben. Ein Verstoß gegen den inländischen ordre public läge selbst dann nicht vor, wenn die zwischen den Parteien geschlossene Schiedsvereinbarung insgesamt unwirksam wäre. Die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs führte auch in diesem Fall nicht zu einem Ergebnis, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist.

Zwar gehört die durch § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eröffnete Möglichkeit zur Überprüfung eines Schiedsspruchs durch die staatliche Gerichtsbarkeit in den durch § 1059 Abs. 2 ZPO gezogenen Grenzen zu den elementaren Grundlagen der deutschen Rechtsordnung. Für die Konstellation des Streitfalls ist jedoch zu berücksichtigen, dass ein bereits in der Schiedsvereinbarung enthaltener genereller Ausschluss der in § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO genannten Rechtsbehelfe – wie ausgeführt – unwirksam ist, so dass diese ungeachtet eines vertraglichen Ausschlusses eingelegt werden können. Wird ein solcher Rechtsbehelf eingelegt, findet eine Überprüfung des Schiedsspruchs durch die staatliche Gerichtsbarkeit statt. Soweit eine durch den Schiedsspruch beschwerte Partei sich im Verfahren vor dem staatlichen Gericht auf die Ungültigkeit der gesamten Schiedsvereinbarung nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a Fall 2 ZPO beruft und damit durchdringt, führt dies zur Aufhebung des Schiedsspruchs. Soweit sie bewusst davon absieht, die Rüge präkludiert ist oder das staatliche Gericht die Schiedsvereinbarung für im Übrigen wirksam hält und auch sonst keinen durchgreifenden Aufhebungsgrund erkennt, führt die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs nicht (mehr) zu einem Ergebnis, das dem ordre public widerspricht4.

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Zwar gehört die durch § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eröffnete Möglichkeit zur Überprüfung eines Schiedsspruchs durch die staatliche Gerichtsbarkeit in den durch § 1059 Abs. 2 ZPO gezogenen Grenzen zu den elementaren Grundlagen der deutschen Rechtsordnung. Für die Konstellation des Streitfalls ist jedoch zu berücksichtigen, dass ein bereits in der Schiedsvereinbarung enthaltener genereller Ausschluss der in § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO genannten Rechtsbehelfe – wie ausgeführt – unwirksam ist, so dass diese ungeachtet eines vertraglichen Ausschlusses eingelegt werden können. Wird ein solcher Rechtsbehelf eingelegt, findet eine Überprüfung des Schiedsspruchs durch die staatliche Gerichtsbarkeit statt. Soweit eine durch den Schiedsspruch beschwerte Partei sich im Verfahren vor dem staatlichen Gericht auf die Ungültigkeit der gesamten Schiedsvereinbarung nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a Fall 2 ZPO beruft und damit durchdringt, führt dies zur Aufhebung des Schiedsspruchs. Soweit sie bewusst davon absieht, die Rüge präkludiert ist oder das staatliche Gericht die Schiedsvereinbarung für im Übrigen wirksam hält und auch sonst keinen durchgreifenden Aufhebungsgrund erkennt, führt die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs nicht (mehr) zu einem Ergebnis, das dem ordre public widerspricht4.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16. Dezember 2021 – I ZB 31/21

  1. st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 23.07.2020 – I ZB 88/19, SchiedsVZ 2021, 46 Rn. 16 mwN[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 26.09.1985 – III ZR 16/84, BGHZ 96, 40, 43 12]; Beschluss vom 24.07.2014 – III ZB 83/13, BGHZ 202, 168 Rn. 12; Schwab/Walter aaO Kap. 24 Rn. 53; MünchKomm-.ZPO/Münch aaO § 1059 Rn. 63 mwN; Schlosser in Stein/Jonas aaO § 1059 Rn. 2; Schütze in Wieczorek/Schütze aaO § 1059 Rn. 83 und 90; Voit in Musielak/Voit aaO § 1059 Rn. 39; Zöller/Geimer aaO § 1059 Rn. 2 u. 79 f.; BeckOK.ZPO/Wilske/Markert aaO § 1059 Rn. 84 bis 87 mwN; Raeschke-Kessler in Prütting/Gehrlein, ZPO, 13. Aufl., § 1059 Rn. 13 f. und 21[]
  3. vgl. auch Schwab/Walter aaO Kap. 6 Rn. 8[]
  4. zur Relevanz des Ergebnisses vgl. Schlosser in Stein/Jonas aaO § 1063 Rn. 22[][]
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