Nach § 141 Abs. 1 Satz 1 SGB III ist das Arbeitsentgelt aus einer weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung, die der Arbeitslose während einer Zeit ausübt, für die ihm Alg zusteht, nach Abzug der Steuern, der Sozialversicherungsbeiträge und der Werbungskosten sowie eines Freibetrages in Höhe von 165 Euro auf das Alg für den Kalendermonat, in dem die Beschäftigung ausgeübt wird, anzurechnen. Nach § 141 Abs. 2 SGB III bleibt jedoch das Arbeitsentgelt aus einer geringfügigen Beschäftigung nach Abs. 1 Satz 1 bis zu dem Betrag anrechnungsfrei, der in den letzten 12 Monaten vor der Entstehung des Anspruches aus einer geringfügigen Beschäftigung durchschnittlich auf den Monat entfällt, mindestens jedoch ein Betrag in Höhe des Freibetrages, der sich nach Abs. 1 ergeben würde, wenn der Arbeitslose in den letzten 18 Monaten vor der Entstehung des Anspruches neben einem Versicherungspflichtverhältnis eine geringfügige Beschäftigung mindestens 12 Monate lang ausgeübt hat.

Teilzeit oder geringfügige Beschäftigung?
Während § 141 Abs. 1 SGB III den Zweck verfolgt, dem Arbeitslosen einen Anreiz zu geben, seine Arbeitskraft neben dem Bezug von Leistungen einzusetzen, um auf diese Weise seine Wiedereingliederung zu erleichtern1, verfolgt Abs. 2 der Regelung ebenso wie der Abs. 3 die Absicht, dem Arbeitslosen die Nebeneinkünfte zu belassen, die schon längere Zeit vor Eintritt der Arbeitslosigkeit seinen Lebensstandard mitbestimmt haben2. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 141 Abs. 2 SGB III muss dabei allerdings die geringfügige Beschäftigung auch tatsächlich ausgeübt worden sein.
Entgeltersatzleistungen
Diese Auslegung kann nicht ausschließlich durch die Teleologie des Gesetzes geprägt werden. Vielmehr stellt das Gesetz ausdrücklich und bewusst auf die Ausübung einer Nebentätigkeit ab. Das Verletztengeld als Lohnersatzleistung fällt damit nicht unter die Vorschrift des § 141 Abs. 2 SGB III, weil es kein tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt aus einer ausgeübten Tätigkeit ist. Der Bezug von Verletztengeld ersetzt gerade ein tatsächlich erarbeitetes Einkommen bzw Nebeneinkommen, tritt quasi an dessen Stelle, und kann aufgrund seines Lohnersatzcharakters nicht dem tatsächlich erzielten Arbeitsentgelt iS des § 141 Abs. 1 SGB III gleichgesetzt werden. Sozialleistungen wie das Verletztengeld fallen also nicht unter § 141 SGB III, weil dort die Begünstigung lediglich für das „Arbeitsentgelt“ vorgesehen ist.
Dass der Bezug einer Entgeltersatzleistung nicht dem Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung gleichzustellen ist, ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des § 141 SGB III3 und aus systematischen Erwägungen. Zwar bezogen sich die Ausführungen des Bundessozialgerichts im Urteil vom 28. Januar 19924, dass nur das ausdrücklich genannte „Arbeitsentgelt“, nicht aber damit zusammenhängende Lohnersatzleistungen wie das Verletztengeld von der Regelung umfasst seien, auf die Vorgängervorschrift des § 141 Abs. 1 Satz 1 SGB III, den § 115 Abs. 1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz. Allerdings bezieht sich § 141 Abs. 2 SGB III gleichfalls auf das Arbeitsentgelt in Abs. 1 der Vorschrift, sodass der Arbeitsentgeltbegriff in beiden Absätzen nach der gesamten Struktur des § 141 SGB III, denknotwendig einheitlich auszulegen ist. Insoweit stellt § 141 SGB III auf die in § 14 Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – enthaltene Legaldefinition ab, wonach Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung sind.
Arbeitszeit als Abbgrenzungsmerkmal
Die Änderung des § 141 SGB III mit Wirkung zum 1. Januar 2009 durch das Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente5, mit der der Gesetzgeber den Begriff einer geringfügigen Beschäftigung aus dem Gesetzestext entfernt und durch eine Bezugnahme auf eine Erwerbstätigkeit iS des § 119 Abs. 3 SGB III ersetzt hat, der eine Tätigkeitszeit (Arbeitszeit) von weniger als 15 Stunden wöchentlich verlangt. Mit dieser Neuregelung sollte die nach altem Recht bestehende Ungleichbehandlung zwischen einem Arbeitslosen, der sein privilegiertes Nebeneinkommen aus einer selbstständigen Tätigkeit erzielte und einem Arbeitslosen, der eine abhängige Nebenbeschäftigung ausübte, beseitigt werden. Denn das Nebeneinkommen aus einer abhängigen Beschäftigung wurde nur in vollem Umfang geschützt, wenn es im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung erzielt wurde6, während Nebeneinkommen aus einer selbstständigen Tätigkeit auch dann privilegiert war, wenn es mehr als geringfügig war, die Tätigkeit jedoch weniger als 15 Wochenstunden ausgeübt wurde7. Die Gesetzesbegründung stellt mithin ausdrücklich auf Einkommen aus einer Tätigkeit ab.
Eine solche wörtliche Auslegung ist im Übrigen auch zur Gleichbehandlung abhängig Beschäftigter mit Selbstständigen nach § 141 Abs. 3 SGB III erforderlich, die nicht im Falle von Krankheit, Arbeitsunfällen etc von Gesetzes wegen versichert sind, bzw denen eine etwaige Versicherungsleistung unabhängig von dem Einkommen aus der selbstständigen Tätigkeit erbracht wird. Die vom LSG zu Grunde gelegte teleologische Auslegung würde demgegenüber die abhängig Beschäftigten bei Berücksichtigung einer Lohnersatzleistung einseitig gegenüber den Selbstständigen bevorzugen.
Ob die Regelung des § 141 Abs. 2 SGB III wegen des Begriffs einer geringfügigen Beschäftigung in seiner bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung gegen Art 3 Grundgesetz verstößt und ob insoweit eine verfassungskonforme Auslegung erforderlich ist, kann hier dahinstehen. Denn es fehlt bereits an der vor der Arbeitslosigkeit erforderlichen Ausübung einer Beschäftigung.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 1. März 2011 – B 7 AL 26/09 R
- BT-Drucks 13/4941, zu § 141 – Anrechnung von Nebeneinkommen – S. 180[↩]
- BT-Drucks 14/873 S. 14 zu Nr 21; S. insgesamt hierzu BSGE 97, 80 ff = SozR 4-4300 § 141 Nr 3, RdNr 15 mwN[↩]
- siehe die Darstellung in BSG, Urteil vom 01.07.2010 – B 11 AL 31/09 R, RdNr 19[↩]
- BSG, Urteil vom 28.01.1992, SozR 3-4100 § 115 Nr 3 S. 13 f[↩]
- vom 21.12.2008, BGBl I 2917[↩]
- Entgeltgrenze 400 € monatlich[↩]
- vgl: BT-Drucks 16/10810 S. 38 zu Nr 40[↩]