Bemessungsrahmen beim Arbeitslosengeld

Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit haben nach § 118 Abs 1 SGB III1 Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben.

Bemessungsrahmen beim Arbeitslosengeld

Nach § 129 Nr 2 SGB III2 beträgt das Arbeitslosengeld für Arbeitslose, die – wie im hier entschiedenen Fall – kein Kind im Sinne des § 32 Abs 1, 3 bis 5 EStG haben sowie für Arbeitslose, deren Ehegatte oder Lebenspartner kein Kind im Sinne des § 32 Abs 1, 3 bis 5 EStG hat, 60% (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat. Der Bemessungszeitraum umfasst nach § 130 Abs 1 SGB III (in der Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl I 2848)) die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst seinerseits ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses – hier die Beschäftigung bei der K GmbH & Co KG; § 24 Abs 1 SGB III – vor Entstehung des Anspruchs am 01.05.2005. Der kalendermäßig zu berechnende3 Regelbemessungsrahmen beginnt daher am 30.04.2005 und endet (rückwärts gerechnet) am 1. Mai 2004. In den Lohnabrechnungszeiträumen Mai 2004 bis April 2005 hat der Kläger ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 37 133,59 Euro erzielt. Das Bemessungsentgelt im Regelbemessungszeitraum beträgt danach, wie von der Beklagten angenommen, 101,74 Euro4.

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Nach § 130 Abs 3 SGB III ist der Bemessungsrahmen auf zwei Jahre zu erweitern, wenn der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält (Nr 1) oder – was hier angesichts der durchgehenden Beschäftigung des Klägers im Bemessungsrahmen allein in Frage kommt – es mit Rücksicht auf das Bemessungsentgelt in dem auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmen unbillig hart wäre, von dem Bemessungsentgelt im Regelbemessungszeitraum auszugehen und der Arbeitslose dies verlangt sowie die zur Bemessung erforderlichen Unterlagen vorlegt (Nr 2).

Eine unbillige Härte im Sinne des § 130 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB III liegt aber erst dann vor, wenn das Bemessungsentgelt aus dem erweiterten Bemessungsrahmen das um 10% erhöhte Regelbemessungsentgelt übersteigt. Das Bundessozialgericht bestätigt insoweit die Rechtsprechung des 11. Senats des Bundessozialgerichts5, wonach der von der Bundesagentur für Arbeit zu Grunde gelegte Maßstab dem durch die Rechtshistorie wie auch die Gesamtsystematik gerechtfertigten Anliegen des Gesetzgebers nach Vereinfachung entspreche. Die für erforderlich gehaltene Differenz der Bemessungsentgelte von mindestens 10% setze die untere Grenze für die Annahme einer unbilligen Härte, für die nicht schon jede geringe Abweichung vom Normalfall ausreichend sei, nicht unangemessen hoch an. Unerheblich seien dabei auch die Gründe für den Minderverdienst. Dies lege schon der Wortlaut des § 130 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB III vor seinem entstehungsgeschichtlichen Hintergrund nahe, das Bemessungsentgelt nach einfach festzustellenden und objektiv überprüfbaren Maßstäben zu bestimmen und im Interesse einer möglichst verwaltungspraktikablen gleichmäßigen Anwendung ohne Rücksicht auf die Gründe für den Minderverdienst allein auf das Auseinanderklaffen des Regelbemessungsentgelts und des ihm gegenüberzustellenden Vergleichsentgelts abzustellen. Ob besonders gelagerte atypische Einzelfälle denkbar sind, in denen zur Beurteilung einer unbilligen Härte nicht ausschließlich auf das Missverhältnis der miteinander zu vergleichenden Bemessungsentgelte abgestellt werden darf, bedarf hier keiner Entscheidung. Die freiwillige Gehaltseinbuße in einem Umfang von bis zu 10 % des Bruttoeinkommens stellt keinen solchen Sonderfall dar. Dies erschließt sich schon aus den in § 130 Abs 2 SGB III aufgeführten Sonderfällen von Zeiten eines Minderverdienstes, die bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums außer Betracht bleiben.

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Zu Recht hat der 11. Senat in seiner Entscheidung vom 24. November 20106 auch ausgeführt, der gegen einen generellen unteren Schwellenwert von mindestens 10% erhobene Einwand, dass die Härtefallregelung auf der Rechtsfolgenseite im Gegensatz zum früheren Rechtszustand nicht mehr zu einer fiktiven Bemessung führe, sondern zu einer Bemessung, in die auch die vergleichsweise niedrigen Bemessungsentgelte des Regelbemessungsrahmens einflössen, sei nicht überzeugend. Es sei schon systematisch fragwürdig, die Voraussetzungen für die Anwendung einer Norm von der Rechtsfolgenseite her zu definieren. Zum anderen laufe diese Auffassung auf eine Missachtung des erkennbaren Willens des Gesetzgebers hinaus, dass sich eine unbillige Härte gerade oder allein aus dem Missverhältnis der miteinander zu vergleichenden Bemessungsentgelte ergeben müsse.

Bundessozialgericht, Urteil vom 1. März 2011 – B 7 AL 9/09 R

  1. in der Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl I 2848[]
  2. in der Fassung des Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften vom 16.02.2001, BGBl I 266[]
  3. Coseriu/Jakob in Nomoskommentar SGB III, 03. Aufl 2008, § 130 RdNr 17[]
  4. 37 133,59 Euro : 365 Tage; zur Berechnung nach Kalendertagen vgl BSG SozR 4-4300 § 130 Nr 5[]
  5. BSG, Urteil vom 24.11.2010 – B 11 AL 30/09 R[]
  6. aaO[]